DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
Dies ist das OPERNFREUND-Archiv
Alle neuen Kritiken erscheinen ab sofort auf unserer neuen Website
Startseite
Unser Team
Impressum/Copyright
---
Alle Premieren 22/23
Kontrapunkt
Die OF-Schnuppe :-(
Der OF-Stern * :-)
OF Filmseite
Silberscheiben
CDs DVDs
OF-Bücherecke
Oper DVDs Vergleich
Musical
Genderschwachsinn
Oper im TV
Nachruf R.i.P.
Et Cetera
-----
Aachen
Aarhus
Abu Dhabi
Bad Aibling
Altenburg Thüringen
Altenburg Österreich
Amsterdam DNO
Amsterdam Th. Carré
Amst. Concertgebouw
Andechs
Annaberg Buchholz
Ansbach
Antwerpen
Arnheim
Aschaffenburg
Athen
Athen Onassis Cultur
Augsburg
Avignon
Bad Hersfeld
Bad Ischl
Bad Kissingen
Bad Lauchstädt
Bad Reichenhall
Bad Staffelstein
Baden bei Wien
Baden-Baden
Badenweiler
Baku
Bamberg
Barcelona
Basel Musiktheater
Basel Sprechtheater
Basel Ballett
Bayreuth Festspiele
Bayreuth Markgräfl.
Pionteks Bayreuth
Belogradchik
Bergamo
Berlin Livestreams
Berlin Deutsche Oper
Berlin DO WA
Berlin Staatsoper
Berlin Staatsoper WA
Berlin Kom. Oper
Berlin Kom. Oper WA
Berlin Neuköllner Op
Berlin Konzerte
Berlin Sonstiges
Berlin Ballett
Bern
Bern Sprechtheater
Biel
Bielefeld
Bochum Ruhrtriennale
Bochum Konzerte
Bochum Sonstiges
Bologna
Bonn
Ära Weise 2003-2013
Bonn Sonstiges
Bordeaux
Bozen
Brasilien
Bratislava
Braunschweig
Braunschweig Konzert
Braunschweig openair
Bregenz Festspiele
Bregenz Sonstiges
Bremen
Bremen Musikfest
Bremerhaven
Breslau
Briosco
Britz Sommeroper
Brixen
Brühl
Brünn Janacek Theate
Brünn Mahen -Theater
Brüssel
Brüssel Sonstige
Budapest
Budap. Erkel Theater
Budapest Sonstiges
Buenos Aires
Bukarest
Burgsteinfurt
Bytom Katovice
Caen
Cagliari
Casciana
Chemnitz
Chicago Lyric Opera
Chicago CIBC Theatre
Coburg
Coburg Joh. Strauss
Coesfeld
Colmar
La Coruna
Cottbus
Crevoladossola
Daegu Südkorea
Darmstadt
Dehnberg
Den Haag
Dessau
Dessau Weill Fest
Detmold
Dijon
Döbeln
Dornach
Dortmund Ballett
Dortm. Konzerthaus
Dortmund Sonstiges
Dresden Semperoper
Dresden Operette
Dresden Sonstiges
Dresden Konzert
Duisburg
Duisburg Sonstiges
MusicalhausMarientor
Düsseldorf Oper
Rheinoper Ballett
Düsseldorf Tonhalle
Düsseldorf Sonstiges
Schumann Hochschule
Ebenthal
Eggenfelden
Ehrenbreitstein
Eisenach
Ekaterinburg
Enschede
Erfurt
Erl
Erlangen
Essen Aalto Oper
Essen Aalto Ballett
Essen Aalto WA
Essen Phil 2
Essen Phil 1
Essen Folkwang
Essen Sonstiges
Eutin
Fano
Fermo
Flensburg
Florenz
Frankfurt
Frankfurt WA
Bockenheimer Depot
Frankfurt Sonstiges
Frankfurt Alte Oper
Frankfurt Oder
Freiberg
Freiburg
Füssen
Fürth
Fulda
Sankt Gallen
Gelsenkirchen MiR
Genova
MiR Ballett
Genf
Gent
Gera
Gießen
Glyndebourne
Görlitz
Göteborg
Gohrisch
Gotha Ekhof-Festsp.
Graz
Graz Styriarte
Graz Konzerte NEU
Graz Sonstiges
Gstaad
Gütersloh
Hagen
Halberstadt
Halle
Halle Händelfestsp.
Hamburg StOp
Hamburg StOp Wa
Hamburg Konzert
Hamburg Sonstige
Hamm
Hanau Congress Park
Hannover
Hannover Sonstiges
Heidelberg
Heidenheim Festsp.
Heilbronn
Heldritt
Helgoland
Helsinki
Hildesheim TfN
Hof
Hohenems
Gut Immling
Ingolstadt
Innsbruck Landesth.
Innsbruck Festwochen
Jekaterinburg
Jennersdorf
Kaiserslautern
Karlsruhe
Karlsruhe Händel
Opera Europa Bericht
Kassel
Kawasaki (Japan)
Kiel
Kiew
Klagenfurt
Klosterneuburg
Koblenz
Köln OperStaatenhaus
Wa Oper Köln
Köln Konzerte
Köln Musical Dome
Köln Sonstiges
Konstanz Kammeroper
Kopenhagen
Kosice
Krummau a.d. Moldau
Krefeld
Krefelder Star Wars
Kriebstein
Landshut
Langenlois
Bad Lauchstädt
Lech
Leipzig Oper
Leipzig Mus. Komödie
Leipzig Ballett
Leipzig Konzert
Leipzig Sonstiges
Lemberg (Ukraine)
Leoben
Leverkusen
Lille
Linz/Donau
Linz Sonstiges
Ljubljana/Laibach
Loeben
London ENO
London ROH
London Holland Park
Lucca
Ludwigshafen
Luisenburg
Lübeck
Lübeck Konzerte
Lübecker Sommer
Lüneburg
Lüttich/Liège
Liege Philharmonie
Luxemburg
Luzern
Luzern Sprechtheater
Luzern Sonstiges
Lyon
Maastricht
Macerata
Madrid
Magdeburg
Mahon (Menorca)
Mailand
Mainz
Malmö
Malta
Mannheim
Mannheim WA
Mannheim Konzert
Maribor/Marburg
Marseille
Martina Franca
Massa Marittima
Meiningen
Melbourne
Meran
Metz
Minden
Mikulov
Minsk
Miskolc
Modena
Mönchengladbach
Mörbisch
Monte Carlo
Montevideo
Montpellier
Montréal
Moritzburg
Moskau Bolschoi N St
Moskau Sonstige
München NT
München Cuvilliés
MünchenPrinzregenten
München Gärtnerplatz
München Ballett
München Sonstige
Münster
Münster Konzerte
Muscat (Oman)
Nancy
Nantes
Neapel
Neapel Sonstiges
Neuburger Kammeroper
Neuburg/Donau
Neustrelitz
Neuss RLT
New York MET
Nizhny Novgorod
Nordhausen
Novara
Nürnberg
Nürnberg Konzerte
Oberammergau
Oberhausen
Odense Dänemark
Oesede
Oldenburg
Ölbronn
Oesede (Kloster)
OperKlosterNeuburg
Oslo
Osnabrück
Ostrau
Palermo
Palma de Mallorca
Paraguay
Paris Bastille
Paris Comique
Paris Garnier
P. Champs-Elysées
Théâtre du Châtelet
Paris Ballett
Paris Philharmonie
Paris Versailles
Paris Sonstiges
Paris Streaming
Parma
Passau
Pesaro
Pfäffikon
Piacenza
Pisa
Pforzheim
Plauen
Posen
Potsdam
Prag Staatsoper
Prag Nationaltheater
Prag Ständetheater
Radebeul
Raiding
Rathen Felsenbühne
Recklinghausen
Regensburg
Reggio Emila
Reichenau
Remscheid
Rendsburg
Rheinsberg
Rheinberg
Riga
Riehen
Rosenheim
Rouen
Rudolstadt
Ruhrtriennale
Saarbrücken
Saint Etienne
Salzburg Festspiele
Salzburg LT
Salzburg Osterfestsp
Salzburg Sonstiges
San Francisco
San Marino
Sankt Margarethen
Sankt Petersburg
Sarzana
Sassari
Savonlinna
Oper Schenkenberg
Schloss Greinberg
Schwarzenberg
Schweinfurt
Schwerin
Schwetzingen
Sevilla
Singapur
Sofia
Solingen
Spielberg
Spoleto
Staatz
Stockholm
Stralsund
Straßburg
Stuttgart
Stuttgart Ballett
Sydney
Szeged (Ungarn)
Tampere (Finnland)
Tecklenburg
Tel Aviv
Teneriffa
Toggenburg
Tokyo
Toulon
Toulouse
Tours
Trapani
Trier
Triest
Tulln
Turin
Ulm
Utting
Valencia
Valle d´Itria
Venedig Malibran
Venedig La Fenice
Verona Arena
teatro filarmonico
Versailles
Waidhofen
Weimar
Wels
Wernigeröder Festsp.
Wexford
Wien Staatsoper
Wien TadW
Wien Volksoper
Wien Kammeroper
Wien Konzerte
Wien Ballett
Wien Sonstiges
Wiesbaden
Wiesbaden Wa
Wiesbaden Konzert
Bad Wildbad
Winterthur
Wolfenbüttel
Wolfsburg
Wunsiedel
Wuppertal
Würzburg
Zürich
Zürich WA
Zürich Ballett
Zürich Konzert
Zwickau
---
INTERVIEWS A - F
Ablinger-Sperrhacke
Martin Achrainer
Laura Aikin
Aris Agiris
Roberto Alagna
Ivan Alexandre
Alain Altinoglu
Jan Amman
Marion Amman
André Barbe
Sebastian Baumgarten
Tanja Baumgartner
Piotr Beczala
Andreas Beck
Giuliano Betta
Olga Bezsmertna
Nic. Beller-Carbone
Mizgin Bilmen
Marcus Bosch
Florian Boesch
Rebecca S. Bräm
Susanne Braunsteffer
Michelle Breedt
Daniel Brenna
Ingela Brimberg
Irina Brook
G. Garcia Calvo
Frederic Chaslin
Evan-Alexis Christ
Max Emanuel Cencic
Arturo Charcón-Cruz
Jorge De Leon
Almerija Delic
Joyce DiDonato
Johanna Doderer
Oliver von Dohnanyi
Alexandre Duhamel
Agneta Eichenholz
Peter Eötvös
Eheleute Eröd
Christoph Eschenbach
Hila Fahima
Daniela Fally
Gabriel Feltz
Gerald Finley
Nikisha Fogo
Juan Diego Florez
Christian Franz
Albin Fries
Julie Fuchs
INTERVIEWS G - K
INTERVIEWS L - P
INTERVIEWS Q - Y
---
DIVERSITA:
YOUTUBE Schatzkiste
HUMOR & Musikerwitze
Opernschlaf
Facebook
Havergal Brian
Korngold
Verbrannte Noten
Walter Felsenstein
Unbekannte Oper
Nationalhymnen
Unsere Nationalhymne
Essays diverse
P. Bilsing Diverse
Bil´s Memoiren
Bilsing in Gefahr

WOLFGANG ABLINGER-SPERRHACKE

Sperrhacke  er
 

 

"Gute Ausbildung kann nicht schaden!"

Zwei „Ring“-Zyklen an der Wiener Staatsoper: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist besonders als Mime weltweit bekannt und geschätzt. Nun wird er sich erstmals in dieser Rolle den Wiener Opernfreunden präsentieren. Der gebürtige Salzburger dankt übrigens einen Gutteil seiner Karriere, wie er vermerkt, seiner ausgezeichneten Ausbildung an der Wiener Musikhochschule…

 

Herr Ablinger-Sperrhacke, ich wollte Sie schon einen „Spätstarter“ an der Wiener Staatsoper nennen, schließlich kennen wir Sie in diesem Haus erst seit Ihrem ersten Herodes 2014, aber dann hat mich das dankenswerte Archiv eines Besseren belehrt: Sie sind schon im Jahr 1990 – damals waren sie 23 Jahre jung – hier auf der Bühne gestanden…

 

Ja, aber das war im Rahmen des Studiums. Als man „Die Soldaten“ von Zimmermann einstudierte, war dem Chor die Aufgabe offenbar zu schwer oder zu unbequem, und es ist ja auch nicht leicht, diese rhythmischen Geräusche und Sprachfetzen zu liefern. Also griff man auf die Studenten der Hochschule zurück, die das natürlich begeistert exekutiert haben und als „Soldaten“ auch auf dem Programmzettel stehen durften. Für mich war das gleich zu Beginn eine großartige Erfahrung, Harry Kupfer zuzusehen, wie er mit den Sängern arbeitet.

 

Können wir gleich einmal, um die Bekanntschaft zu vertiefen, erzählen, wie ein Junge aus Zell am See in die Wiener Musikhochschule kam?

 

In Zell am See bin ich nur geboren, aufgewachsen bin ich in Saalfelden, ich bin also ein „Land-Salzburger“, und mein Vater war Apotheker, meine Mutter Hausfrau, es handelte sich also nicht um eine a priori besonders musische Familie. Wichtig für mich war die Freundschaft meiner Eltern mit dem damaligen Rektor der Salzburger Universität, der alles förderte, was er an künstlerischen Ambitionen an mir entdeckte. Da wollte ich, weil er Fachmann für neue deutsche Literatur war, eine zeitlang auch Schriftsteller werden und habe sogar Peter Handke kennen gelernt. Auch Schauspieler zu werden, ging durch meinen Kopf – ein wenig habe ich das ja später als Opernsänger verwirklicht. Und mit 6 Jahren lernte ich Flöte, später Gitarre, was ich aufgab, als die Lehrerin mich mit meinem musikalischen Talent zu sehr quälte – da habe ich die Gitarre in eine Ecke geschmissen… Ich ging dann als Junge bei uns in Saalfelden in einen Chor, und mit 11 habe ich beschlossen, Sänger zu werden – als ich „Hänsel und Gretel“ hörte. Natürlich ohne den Hauch einer Ahnung, dass die Hexe einmal eine Paraderolle für mich sein würde…

 

Aber hat sich da schon Ihre Zukunft, Ihr heutiges Fach irgendwie abgezeichnet?

 

Überhaupt nicht, ich wollte Bariton werden und die Bösewichte spielen, aber damals fehlte mir entschieden die Tiefe, die ich mir mittlerweile – zusammen auch mit extremer Höhe, wenn es nötig ist – angeeignet habe. Es hat ziemlicher Intervention des befreundeten Rektors bedurft, dass meine Eltern mich nach Wien auch nur zur Aufnahmsprüfung gehen ließen, und ich denke, sie hofften, man schickt mich ohnedies gleich heim. Ich wollte an der Musikhochschule zuerst den Don Giovanni vorsingen, habe beim Üben mit einer Lehrerin schnell gemerkt, dass das nicht klappt, und dann war es der Tamino, der Nemorino… und man hat mich genommen.

 

Aber das klassische tenorale Fach ist es ja auch nicht geworden. Wie fühlt man sich, wenn man erkennen muss, dass man wahrscheinlich kein Tamino, sondern ein Monostatos ist?

 

Wunderbar! Für mich war das von Anfang an die richtige Entscheidung, dieser so genannte „Charaktertenor“, auch wenn es oft die kleineren Rollen sind. Aber gegen einen Monostatos finde ich den Tamino vergleichsweise sturzlangweilig. Für jemand, der so gerne spielt wie ich, ist dieser Mohr doch viel spannender. Das gilt für die meisten Figuren, die seither auf mich zugekommen sind – auch wenn es nicht die Hauptrollen sind, nicht der Wozzeck, sondern der Hauptmann, nicht der Siegfried, sondern der Mime, so kann ich mich doch voll entfalten.

 

Sänger erwähnen immer wieder, wie wichtig es ist, die richtigen Lehrer zu finden.

 

Das kann man wohl sagen. Ich hatte in Wien an der Hochschule wirklich Glück. Da war vor allem Gerhard Kahry, zu dem ich heute noch gehe, wenn ich etwas Neues erarbeite, dann Kurt Equiluz für das Lied, der wirklich unnachgiebig war, wenn es um die Diktion ging… Ich habe damals alles, was ich gesungen habe, am Cassettenrecorder mitgeschnitten, um nachher zu überprüfen, ob ich auch verständlich war. Das ist mir später in meinem Opernleben sehr zugute gekommen. Ja, und dann war da, ganz wichtig, Dieter Bülter-Marell für die Oper. Und das nicht nur gesanglich – er war ein Schüler von Walter Felsenstein, von dem man auch nicht vergessen sollte, dass er Wiener war! Und auf der Basis dieser fundamentalen Opernregie, wie sie mir hier vermittelt wurde, bin ich eigentlich mein ganzes Leben nie auf unlösbare Probleme mit Regisseuren gestoßen, weil ich immer irgendwie wusste, wie ich ihre Anforderungen auch vernünftig umsetzen konnte. Und sehr, sehr wichtig war für mich auch Professor Carda, bei dem ich Solfeggio, also Blattlesen und Notenlehre so intensiv gelernt habe, dass ich heute imstande bin, auch die kompliziertesten modernen Partituren zu lesen, zu verstehen und zu verinnerlichen. Ich habe an der Wiener Musikhochschule wirklich alles gelernt, was ich fürs Berufsleben brauchte, und ich kann jedem nur raten: Eine gute Ausbildung kann nicht schaden, sonst wird man sich später schwer tun.

 

Es ist anzunehmen, dass Sie in diesen Wiener Jahren ein starker Stehplatz-Besucher in der Staatsoper waren?

 

Und wie! Von 1986 bis 1993 war ich dauernd hier zu finden. Meine absolute Inspiration war dabei Heinz Zednik, der ja genau das Fach sang, das ich mir vorstellte, und an dem ich so besonders bewundert habe, dass er in jeder Rolle anders war, nicht jemand, der eine Erfolgsmasche gefunden und dann immer wieder abgezogen hat. Es war eine besondere Ehre für mich, später der Kollege von Heinz Zednik zu sein – in Mailand durfte ich auch im „Wozzeck“ neben ihm auf der Bühne stehen, ich sang „seine“ frühere Rolle, den Hauptmann, er war der Narr. Und es ist so wunderbar, wie wirklich große Künstler wie Zednik oder auch Graham Clark ganz großzügig zu jungen Kollegen sind… und dass ich heute mit Heinz Zednik nahezu befreundet bin, ehrt mich sehr.

 

Und wie kam es zu Ihrem ersten Engagement, 1993 in Linz?

 

Das war auch ein Vorteil der Musikhochschule, dass man dort Schüleraufführungen veranstaltete, die viel beachtet wurden, von Agenten und Mitarbeitern von Opernhäusern besucht und sogar in der Presse besprochen wurden. Sie fanden im Schönbrunner Schloßtheater und später im Theatersaal des Reinhardt-Seminars im Palais Cumberland statt, und bei dieser Gelegenheit hörte mich Roman Zeilinger, der damals Intendant in Linz war, und holte mich dorthin. Meine erste Premiere – das erste Mal, dass ich auf einer professionellen Bühne stand – war die „Verkaufte Braut“, ich war der Wenzel und Piotr Beczala, der schon damals durch sein Timbre aufhorchen ließ, war der Hans. Er war von Krakau gekommen und ich aus Wien, und wir haben beide nichts Besseres tun können, als uns diese Jahre in der „Provinz“ zu geben, wo man dann die Praxis „lernt“. Besonders wenn ein Haus ein so tolles Orchester wie das Bruckner-Orchester und einen so vorzüglichen Chor hat.

 

Und wo man auch merkt, was man nicht kann?

 

Ja, beispielsweise der Adam im „Vogelhändler“, das war wirklich nicht gut. Ich mag die Operette, mache aber nicht viel, weil es da nur wenige Rollen für mich gibt wie den Josef in „Wiener Blut“, wo man vor allem viel spielen muss. Ich könnte natürlich von Stimme und Technik her manches singen, aber ich widerstehe der Versuchung, etwas zu tun, was einfach nicht zu mir passt. Viel Freude hat mir Offenbachs „Blaubart“ gemacht, den ich 2006 in der Regie von Stephan Langridge bei den Bregenzer Festspielen gesungen habe, und der mir nächstes Jahr in der Komischen Oper in Berlin wieder begegnen wird, dann in der Regie von Stefan Herheim. Aber an sich ist die Operette für mich eine Ausnahme.

 

Von Linz nach Basel und ins Gärtnerplatztheater in München – und dann ging es Ende der neunziger Jahre für Sie in Paris so richtig los?

 

Ja, wobei man sagen muss, dass es dort kein fixes Ensemble gibt, sondern man nur von Produktion zu Produktion engagiert wird, das hat für mich 23 Einzelengagements ergeben, wobei ich im Lauf der Zeit dort gut 150mal auf der Bühne gestanden bin. Und auch ein Goro in der „Madama Butterfly“ ist spannend, wenn Robert Wilson inszeniert und das im Stil eines No-Theaters umsetzt: Bei einem Regisseur wie ihm kann alles zum Erlebnis werden. Natürlich gibt es auch Regisseure, mit denen man weniger gute Erfahrungen macht – besonders mit solchen, die keine Ahnung von Musik haben und noch stolz darauf sind -, aber ich ziehe mich dann immer auf das zurück, was ich gelernt habe, und versuche, das Beste daraus zu machen.

 

Nach Paris kam Glyndebourne und ist ebenso wichtig für Sie geworden?

 

Das kann man wohl sagen, es ist erstaunlich, wie viel ich mich in England aufhalte. Glyndebourne ist neben Paris durch Jahre meine zweite Heimat geworden, ich habe dort an die 130 Vorstellungen gesungen, das ist für einen Nicht-Engländer geradezu sensationell. Glyndebourne ist einfach eine Welt für sich, man ist total auf dem Land, picknickt auf der Wiese, die Schafe grasen daneben, die Proben sind so wunderbar, weil man sich wie in einer großen Familie fühlt. Ich habe dort im Lauf der Jahre viele Rollen gesungen, auch die Hexe in „Hänsel und Gretel“ in einer Inszenierung von Laurent Pelly, die anfangs furchtbar beschimpft und dann umjubelt wurde… Da habe ich viele Höhepunkte meines Künstlerlebens erlebt.

 

Zuletzt hatten Sie ja in Covent Garden einen Riesenerfolg?

 

Ich habe zuerst auf Englisch an der National Opera in London gesungen – dort werden alle Opern auf Englisch gegeben -, und immer wenn dort ein Ausländer auftaucht, herrscht Alarmstufe 1: Ich habe mich auch mit englischem Gesang dort behaupten können. Dann kamen Engagements an der Opera North und bei BBC, und erst Anfang der Saison habe ich in der „Nase“ von Schostakowitsch auch in Covent Garden debutiert, wobei mir Barrie Kosky neben dem Ivan noch ein paar Rollen gegeben hat, so dass ich dauernd auf der Bühne war, und es war ein Riesenerfolg. Ja, England ist sehr wichtig für mich, und ich hoffe, dass sich nach dem Brexit da nichts ändert. Die Kollegen drüben sind schon sehr nervös, weil sie ja dann ins „Ausland“ gehen, wenn sie nach Europa kommen… Aber England gehört zu Europa, ich sage das aus vollster Überzeugung, auch wenn viele Briten das anders sehen.

 

Und jetzt kommen wir endlich zu Mime, sowohl jenem im „Rheingold“ wie dem im „Siegfried“, Ihrer gegenwärtigen Paradepartie.

 

Wobei ich sagen muss, dass man in einem „Ring“-Zyklus natürlich beide Rollen singt. Aber für mich ist natürlich auch der Loge im „Rheingold“ sehr interessant, er ist ja nun wirklich der Mephisto des „Rings“, er dirigiert die Götter geradezu in den Untergang hinein. Man darf diesen Loge wirklich nicht unterschätzen und nicht zu gering besetzen, mit irgendwelchen ehemaligen Heldentenören, die die großen Partien nicht mehr können und die Rolle als Verlegenheit nehmen. Loge verdient, ganz im Zentrum zu stehen.

 

Und wie ist es nun mit Mime, ist das nicht ein mieser Kerl?

 

So würde ich das keinesfalls sagen, Mime ist eine höchst ambivalente Figur. Man muss zuerst bedenken, wie furchtbar er in „Rheingold“ von seinem Bruder Alberich drangsaliert wird, so dass er eigentlich nur an Rache denken kann. Für diese Rache will er sich in „Siegfried“ den Jungen heranzüchten, aber die Musik sagt uns ganz genau, dass er ihn in diesen Jahren, als er ihn aufzog, irgendwie auch lieb gewonnen hat. Aber Siegfried ist ein Rüpel, der Mime gegenüber wiederum – nicht völlig zu Unrecht – misstrauisch ist. Und aus dem Gespräch mit dem Wanderer erkennt Mime, dass nur Siegfried das Schwert schmieden kann, mit dem man Fafner tötet – aber dass er selbst auch riskiert, durch dieses Schwert umzukommen. Das ist eine Extremsituation für Mime, eine unglaublich reiche Entwicklung, die sich da vollzieht, da muss man als Interpret eine Fülle von widersprechenden Motiven und ein ganz komplexes, kompliziertes Bündel von Gefühlen vermitteln. Und noch etwas: Man muss bedenken, dass die Rolle des Mime so lang ist wie die des Tristan. Und wenn es einem Mime nicht gelingt, den ersten Akt von „Siegfried“ zu beherrschen, egal, wie stark Siegfried und der Wanderer sind, dann ist irgendetwas falsch.

 

Nun gilt Mime ja als eine der schlimmsten Juden-Figuren in Wagners Werk. Halten Sie diese Sicht für berechtigt?

 

Wenn man bedenkt, was Wagner in seinen theoretischen Schriften alles niedergeschrieben und behauptet hat, dann kann man seinen Antisemitismus nicht bestreiten. Aber! Bedenken Sie einmal, welches die angeblich bösesten Juden-Figuren seines Werks sind: Beckmesser, Mime und manche nennen auch Kundry. Sind die nicht die interessantesten von allen mit der tollsten Musik? Wagner war als Musiker so genial, dass er den Theoretiker Wagner im Schaffensrausch völlig weggewischt hat. Ich habe mich übrigens mit Barrie Kosky oft und oft über Wagner unterhalten, und er sieht das eigentlich genau so. Und Daniel Barenboim, mit dem ich oft über Wagner gesprochen habe, ist ein kritischer Jude – und dirigiert den wunderbarsten Wagner… Ich habe mit ihm in Mailand den „Ring“ gemacht, der szenisch ja kein Meisterwerk war, aber musikalisch! Der Musiker Wagner besiegt alles, selbst den Menschen Wagner.

 

Apropos Barrie Kosky, der macht doch demnächst die „Meistersinger“ in Bayreuth. Es gibt Beispiele, dass der Beckmesser von einem Tenor gesungen wurde, wäre das nicht etwas für Sie…?

 

Sie werden lachen, man hat es mir auch schon mehrfach angeboten. Ich würde mich auch stimmlich nicht davor fürchten, ich habe mittlerweile genug Tiefe, aber ich möchte solche Ausritte nicht versuchen, ebenso wenig wie ins Heldentenorfach. Ist es nicht besser, man macht genau das, was man gut kann und was zu einem passt?

 

Es bleibt also bei Loge und Mime. Und wenn man bedenkt, dass Sie für Verdi gerade einmal den Dr. Cajus und für Puccini gerade einmal den Goro gesungen haben, dann führen Sie doch eigentlich ein Leben ohne die Italiener?

 

Stimmt, ich singe auch keinen Rossini und nur wenig Mozart, aber ich habe Wagner, ich habe Strauss und Berg, und vergessen Sie nicht die Modernen. Ich gehöre zu den Menschen, denen die zeitgenössische Musik besonders zusagt, die mir auch nicht schwerfällt, ich lerne sie auf Grund meiner Ausbildung leicht und schnell, und es sind immer spannende Aufgaben. Um noch einmal auf die „Nase“ zurück zu kommen, wenn Schostakowitsch auch kein Zeitgenosse ist, so doch kein beim breiten Publikum populärer Komponist: In London waren die Aufführungen ausverkaufter als die klassischer Werke, und diese doch vorhandene Neugierde des Publikums auf Neues macht mich glücklich.

 

Man hat Sie ja auch zu „Neuem“ geholt, wo immer es solches gibt, zu Zimmermanns „Soldaten“ bei den Salzburger Festspielen oder Ligetis „Le Grande Macabre“ an der National Opera. Aber sonst sind es immer wieder dieselben Rollen, die Sie singen, also vor allem Wagner und die Strauss-Charaktertenöre Aeghist und vor allem Herodes, mit dem Sie ja auch an der Staatsoper debutiert haben.

 

Ja, und davor an der Volksoper in Wien, das war 2011 überhaupt mein erster Herodes, denn diese Rolle wollte ich nicht zu früh singen. Bei solchen Sachen muss man aufpassen, da kann man sich ganz schnell die Stimme ruinieren. Aber jetzt sitzt er, und ich werde auch nächstes Jahr wieder der Herodes in der Staatsoper sein. Was nicht heißt, dass ich nicht noch Wünsche und Pläne habe, ich würde sehr gerne mehr Janacek singen, und vor allem plane ich die großen Britten-Rollen, den Peter Grimes, den Captain Vere in „Billy Budd“ und den Aschenbach in „Tod in Venedig“. Das sind Rollen, die Britten in ihrer ganzen Kompliziertheit Peter Pears in die Kehle geschrieben hat, und das ist genau das, was mich reizt. Und wenn Herr Roscic vielleicht seine Staatsopern-Ära mit einem neuen Werk eröffnen will – da bin ich Spezialist!

 

Am Ende noch eine private und neugierige Frage: Wie kommt man zu einem so „seltsamen“, geradezu martialischen Künstlernamen wie dem Ihren?

 

Ich bin als schlichter Wolfgang Ablinger in Salzburg geboren, und Sperrhacke ist der Name meines Mannes. Wir sind uns schon sehr früh – in Wien übrigens, hier beginnt so vieles – begegnet, sind lange zusammen und verpartnert, und als ich seinen Namen zuerst als Künstlernamen meinem hinzufügte, hieß es allgemein, ich sei doch verrückt. Es hat sich aber als sehr sinnvoll herausgestellt, der Name ist unverwechselbar, ich bin noch nicht schlecht damit gefahren. Ich hatte auch gar keine Probleme mit meiner Lebensführung, die Opernwelt ist ein ziemlich tolerantes Biotop, nur die österreichische Bürokratie hat mir wegen des Doppelnamens so viele Schwierigkeiten gemacht, dass ich einmal gedroht habe, jetzt werde ich deutscher Staatsbürger – schließlich leben wir, wenn wir nicht reisen, in München. Da sind die Behörden hierzulande aufgewacht, und die Sache wurde innerhalb kürzester Zeit positiv erledigt… Ich bin in meiner Partnerschaft natürlich sehr privilegiert, weil mein Mann seit Jahrzehnten mit mir reist, und nur so ist eine internationale Karriere, die von einem Ort zum anderen geht, überhaupt möglich. Ich kenne genügend Kollegen, Männer wie Frauen, die ihre Familien zuhause haben, von Sehnsucht und schlechtem Gewissen gedrückt werden und sich in der Fremde einsam und unglücklich fühlen. Ich hingegen habe meine Familie immer bei mir, und das ermöglicht ein Arbeitsleben frei von dieser Art von privatem Druck. Ich habe sehr viel Glück gehabt, das kann ich wirklich sagen.

Das Interview führte Renate Wagner / 25.4.2015

Foto (c) Barbara Zeininger

 

DER OPERNFREUND  | opera@e.mail.de