Erl: „Guillaume Tell“

WA am 13.7.2019

Für nur eine Aufführung studierte man eine drei Jahre alte Produktion des Rossinischen Spätwerkes ein, im Gegensatz zur Premiere, die in italienischer Sprache gezeigt wurde, nun diesmal im originalen französich. Nun ist dieses Werk eine wirklich „große Oper“ mit enormen Anforderungen an Solisten, Chor und auch die szenische Umsetzung ist so einfach nicht. Erfreulicherweise kann ich von einer wahrhaft gelungenen, festspielreifen ( im besten Sinne des Wortes) Aufführung berichten!

Nach einer Produktion von „Furore di Montegral“ – so ist es im Programm zu lesen. Die Regie hatte Gustav Kuhn, der die Geschichte schlicht und ohne Mätzchen auf die Bühne stellte, in einem stimmungsvollen, einfachen Bühnenbild, mit dem Alfredo Troisi die einzelnen Schauplätze gut charakterisiert und auch teils großer, verschiebbare Figurinen in schönen Farben einfache Szenenwechsel ermöglicht. Die kleidsamen Kostüme stammen von Lenka Radecky, die Choreographie des Ballets, das auch teilweise zur – unaufdringlichen – Illustration der Handlung herangezogen wird ( etwa der Flug des Pfeiles in der Apfelschussszene wurde durch Tänzerdargestellt ), besorgte Katharina Glas.

Das Orchester und die Chorakademie der Tiroler Festspiele Er ( Chorleitung: Olga Yanum) erschienen zum Vortag wie ausgewechselt! Plötzlich war aus dem Graben ein differenzierter Klang zu Vernehmen, die Konzentration schien um ein Vielfaches mehr, die stark geforderten Chöre gelangen präzise und mit voller Klangpracht, es wurde auch weit animierter mitgespielt und agiert. Wer war nun dieser „Zauberer“, der dieses Kunststück zu Wege gebracht hat? Nun es war Michael Güttler am Pult, der aber überhaupt nicht zaubern musste, sondern durch seine offensichtliche Beherrschung und auch Liebe zum Werk Zeit hatte sich einfach um alles zu kümmern! Ich sage es erfreut, ein Maestro im Stile der hervorragenden „Concertatori“, der „Kapellmeister“ der guten alten Schule, die so selten geworden sind! Da wurde dem Graben genauso viel Zuwendung entgegengebracht, wie dem Mitatmen mit den Solisten auf der Bühne, die sich mit ihren Bedürfnissen nie verlassen , sondern bestens aufgehoben fühlen konnten, oder der Chor, der mit perfekten Einsätzen bedient und unterstützt wurde. Immer wieder gab es anerkennende, aufmunternde Blicke und Gesten für die Musiker im Graben, es wurde beglückend miteinander musiziert – es war eine Freude für alle im Hause anwesenden. Bereits mit der mitreissend interpretierten Ouverture konnte man die positive Energie spüren, und einen großen Abend erwarten, der er auch wurde.

Foto: Xiomara Bender / Tiroler Festspiele

Die erste – sehr heikle – Soloszene gehört dem „Fischer“: eine Tenor mit blendender Höhe wird für die kleine Canzone benötigt – Matteo Macchioni – hat diese demonstriert, seine nicht zu großer, aber angenehm timbrierte Stimme war bestens dafür geeignet. Der „primo uomo“, der Arnoldo lag beim jungen Koreaner Sung Min Song in besten Händen. Der am Saarländischen Staatstheater im Ensemble beheimatete Künstler hat einen durchschlagskräftigen und höhensicheren Tenor aufzuweisen, der sich durch sicheren Vortrag und gefühlvolle Phrasierung auszeichnet. Während er in den Duetten mit Tell und Matilde restlos überzeugen konnte, und auch seine Arie eindrucksvoll gestaltete, zeigte er leider gerade in der Cabaletta mit den „hohen Cs“ Nerven, tippte hier die Noten , bis auf das letzte nur jeweils kurz an, und verschenkte dadurch einen noch größeren Erfolg. Die Mathilde von Sophie Gordeladze stellte eine sympathische Habsburgerin auf die Bühne, führte ihre – für mich für die Partie etwas zu wenig breite – aber gut geführte Stimme sicher und mit guten Koloraturen durch den langen Abend. Ein Wiederhören wäre sicher interessant! Den Vogel abgeschossen aber hatte der Jemmy, Tells Sohn. Schon in den Ensembles mit glockenhellem Sopran darüber strahlend und ihrer lieblichen Bühnenerscheinung positiv hervorstechend, räumte sie mit ihrer – nicht wie sonst meist gestrichenen – Bravourarie vor dem Apfelschuss regelrecht ab. Bianca Tognocchi aus Como brannte ein wahres Feuerwerk an elektrisierenden Tönen bis in höchste Höhen ab – Brava! Tells einzige Soloszene „Resta imobile“ , wo er Jemmy auffordert beim Schuss ruhig stehen zu bleiben, die unmittelbar darauf folgte, und die Andrea Borghini wirklich gut und empfindsam gelungen ist, blieb leider ohne Applaus. Mir tat der junge Künstler darob direkt leid, weil er den verdient gehabt hätte. Er verfügt über einen sehr schön timbrierten , edlen Bariton, der leider vom Volumen her begrenzt und in der unteren Lage nur eher schwer vernehmbar ist. Da er auch von Gestalt eher klein ist, konnte er die Dominanz des Protagonisten nicht so ganz ausfüllen – trotzdem unterm Strich durch seine schöne Linienführung und sein Stilgefühl eine positive Bilanz für ihn. Die eher kleinere Rolle seiner Frau Hedwige wurde durch die Südtirolerin Anna Lucia Nardi stark aufgewertet. Ein interessanter, samtener Mezzo, mit Stilgefühl eingesetzt und dank ihrer blendenden Bühnenerscheinung ( warum sollte Tell keine jung wirkende, attraktive Frau gehabt haben? ) konnte sie bestens reüssieren, und nutzte das herrliche Damenterzett vor dem Finale zum Vorzeigen ihrer Möglichkeiten. Mit Zelotes Edmund Tolivergab es für Staatsopernbesucher der 80 er Jahre ein Wiederhören als Melchthal, Nicola Ziccardi gab den Leuthold, Adam Horvath den Walter Fürst – alle rollendeckend. Als Bösewicht Gessler passte Giovanni Battista Parodi ganz gut mit seinem trockenen Organ, sein Gefolgsmann Rodolphe wurde von Giorgio Valenta mit typischem Charaktertenor interpretiert, Ferederoik Baldus ergänzte als „Chasseur“.

Mit einem der für mich schönsten hymnischen Finali der Opernliteratur endete dieser beglückende Opernabend! Großer Jubel und Beifallstürme des Publikums, diesmal interessanterweise genau den Leistungen entsprechend fein abgestuft!

Man muss den sympathischen Festspielen und den überwiegend regionalen Mitarbeitern und Helfern alles Gute für die neu anbrechenden Zeiten wünschen, und am Besten gleich zur Wintersaison im Dezember zu „Elisir“ und „Rusalka“ fahren. Es ist schön unterhalb des beeindruckenden Kaisergebirges…

Michael Tanzler 28.7.2019

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