Graz: „Amor & Psyche“, Johann Joseph Fux

Styriarte-Eröffnung am 25.06.2021

So sollte es bei der Eröffnungspremiere aussehen – allerdings machte das Wetter die Freiluftaufführung unmöglich und man musste vom Barockhof des Schlosses Eggenberg in die nüchtern-abstrakte Helmut-List-Halle ausweichen. Da sah es so aus:

Und es sei gleich vorweg gesagt: Das szenische Konzept war offensichtlich auf den prachtvollen Schlosshof mit seinen Arkaden ausgerichtet und kam nun in der Blackbox der Listhalle überhaupt nicht zur Geltung. Man wurde den ganzen Abend den Eindruck einer konzertanten Aufführung in Kostümen auf einer Probebühne nicht los. Es gab kaum theatralische Aktion und es erschloss sich leider überhaupt das nicht, was die Ankündigung versprochen hatte: „Es ist die bislang dramatischste Partitur der Grazer Opernfeste: Liebe und Lust, Verlangen und Verzweiflung, Eifersucht und Vergebung verbinden sich im Märchen von der schönen Psyche. Der Liebesgott Amor hat sie zur Braut erwählt, doch seine Mutter Venus will sie vernichten.“ Die Inszenierung stammt von Adrian Schvarzstein, dem Straßentheater- und Zirkus-Allrounder, der schon wiederholt mit der Styriarte zusammenarbeitete und dessen temperamentvolle Regiearbeit des Jahres 2017 in der spanischen Barockoper Los Elementos ich in allerbester Erinnerung habe. Im vorigen Jahr war allerdings sein Don-Giovanni-Verschnitt für mich von platt-vordergründiger Komik geprägt. Diesmal erlebte man nur ein statisches Arrangieren der Auf- und Abgänge – sprühendes Barocktheater vermisste man, obwohl die Ausstatterin Lilli Hartmann geistvoll-bunte Kostüme geschaffen hatte, die zu mehr Aktion angeregt hätten.

Aber musikalisch gab es sehr Erfeuliches! Auch diesmal war Alfredo Bernardini mit seinem seit über 30 Jahren bestehenden Zefiro Barockorchester das großartige musikalische Kraftzentrum der Wiederbelebung einer Oper, die der habsburgische Kaiser Karl VI zum Namenstag seiner Ehefrau Elisabeth Christine im Jahre 1720 bei seinem Hofkapellmeister Johann Joseph Fux in Auftrag gegeben hatte. Aus dem ausgezeichneten, wie immer auch online verfügbaren Programmheft sei dazu zitiert: „Schon seit 25 Jahren behauptete sich der Steirer in der Phalanx der italienischen Hofkomponisten durch seine originellen Einfälle, seine sanften Melodien und die Kunst seines Kontrapunkts. Auch seine „Psiche“ ist in dieser Hinsicht ein Meisterstück – von der majestätischen Ouvertüre im französischen Stil über die Chöre der Zephire und Amoretten bis hin zu den bewegenden Arien der Protagonisten.“ Fux hatte sein Werk Serenata di Camera bezeichnet – das 20-köpfige italienische Barockensemble spielte die kontrastreiche Fux-Musik großartig in bester Kammermusiktradition mit vielen wunderbaren Soli – etwa in dem nur von Fagott und Cembalo begleiteten heftig-emotionalen Duett Venus/Amor Madre,errai,perdon,pietà.

Das fünfköpfige Solistenteam führte souverän der in Graz schon bekannte und geschätzte Countertenor Raffaele Pe an. Er gestaltete die Kastratenpartie des Amor überaus eindrucksvoll und facettenreich mit seiner großen Stimme. Da gibt es kein Falsettieren – die hohen Tönen werden kräftig produziert und sogar effektvolle Schwelltöne sind ihm möglich – wirklich eine voce naturale, wie man sie in der Barockzeit für dieses Fach gepriesen hatte. Seine Psyche war die ebenso schon in Graz geschätzte und sehr erfahrene Sopranistin Monica Piccinini. Ihre zarte, technisch sauber geführte Stimme passt ideal in dieses kammermusikalisch angelegte Werk – großartig ihre lyrisch-melancholische Gestaltung der Arie Si: ch’egli è amor, auf die als Kontrast die heldische und rhythmisch akzentuierte Arie des Amor Se mi perdi folgt.

Carlotta Colombo war die gekränkte Venus. Ihre Auftrittsarie sang sie noch recht flach-verhalten. Ab der Arie Mirti, e rose erklang dann die schmale Sopranstimme deutlich gefestigter und überzeugte dann als tobende Mutter mit dem agressiven Figlio audace vollends. Den intriganten Gott Merkur verkörperte der zweite Countertenor Christopher Ainslie mit weicher, leicht guttural gefärbter Stimme. Als Jupiter und Deus ex machina legte der erst 25 Jahre alte römische Bassbariton Giacomo Nanni eine Talentprobe ab – seine Arie samt Rezitativ gestaltete er mit prägnanter Artikulation. Differenziert und plastisch – wie man es von ihm seit Jahrzehnten gewohnt ist – sang der Arnold-Schoenberg-Chor (Einstudierung: Erwin Ortner/Micahl Kucharko) den Chorpart. Dank seiner vielfältigen Opernerfahrung war das klein besetzte Ensemble – mit sehr schönen Soli! – auch pantomimisch ambitioniert.

Für die Freiluftaufführung waren als Einleitung im Schlosspark das musikantisch-überzeugende Volksmusikensemble Spafudla und die Uraufführung einer Styriarte-Fanfare von Flora Geißelbrecht vom Balkon des Schlosses vorgesehen. Beides wurde auch im Saal aufgeführt und fügte sich da nicht so recht ins Geschehen. Auch da fehlte schmerzlich das Ambiente von Schloss und Schlosspark. Das Publikum spendete reichen Beifall – wie erfreulich, dass die Aufführungen am nächsten Tag im und um das Schloss Eggenberg stattfinden konnten. Auch für die weiteren Aufführungen am 28.Juni gibt es eine gute Wetterprognose – ich bin überzeugt, dass die Freiluftaufführungen in der prächtigen Schloss- und Parkszenerie wesentlich stimmungsvoller gelingen als in der kargen Helmut-Listhalle.

Hermann Becke, 26.6.2021

Probenfotos: styriarte, © Nikola Milatovic

Hinweis:

Zum Gesamtkonzept der styriarte ist jüngst ein lesenswertes Interview mit dem Intendanten Mathis Huber unter dem Titel Das klassische Bildungsbürgertum ist ausgestorben erschienen