Jerewan (Armenien): „Anoush“, Armen Tigranjan

Das Armenische Nationale Opern- und Balletttheater in Jerewan zeigte am 31.5. die Oper Anoush des armenischen Komponisten, Dirigenten und soziokulturellen Aktivisten Armen Tigranjan (1878 – 1950). Das Libretto seiner zwischen 1908 und 1912 komponierten fünfaktigen Oper stammte vom Komponisten und beruht auf dem berühmten Gedicht gleichen Namens von Hovhannes Toumanian (1869-1923). Die erste Aufführung der Oper fand am 4. August 1912 durch eine Amateurgruppe in Alexandropol, jetzt Gjumri, in Armenien statt. Bis 1939 wurde die Oper regelmäßig überarbeitet. Anoush, armenisch: Անուշ, wird allgemein als „Nationaloper des armenischen Volkes“ angesehen.

(c) Der Opernfreund / Harald Lacina

Sie ist eine romantische Tragödie und gleichzeitig ein Sozialdrama, das sich durch seinen nationalen Stil, seiner volkstümlichen Charaktere und seiner musikalischen Sprache auszeichnet. Unter dem Einfluss des Sowjetregimes redigierte Tigranjan seine Oper „Anoush“ gründlich, um den Prinzipien der neuen populistischen Ästhetik gerecht zu werden. Diese „neue“ Version wurde erstmals am 27. März 1935 in Jerewan und dann am 22. Oktober 1939 in Moskau während des zehntägigen Festivals der armenischen Künste aufgeführt. Zu diesem Anlass erfolgte auch eine Neuorchestrierung der Partitur durch den armenischen Komponisten, Musikwissenschaftlers und Dirigenten Anuschawan Ter-Gewondjan (1887-1961). Tigranjan übersetze auch die Libretti von Rigoletto und Carmen ins Armenische. Sein Sohn Vardan Tigranjan (1906-74) war ebenfalls Komponist. Musikalisch zeichnet Tigranjan in seinem musikalischen Meisterwerk ein typisches armenisches Dorfleben im 19. Jhd. mit all seinen Bräuchen, Gewohnheiten und Traditionen, seinen konservativen Sitten und Ansichten über Liebe und Ehre. Vor diesem Hintergrund entrollt sich die tragische Liebesgeschichte zwischen dem Bauernmädchen Anoush und dem Hirten Saro. Bei einer Hochzeitsfeier im Dorf liefern sich Mossy, Anoushs Bruder und Saro einen Freundschaftskampf. Anstatt jedoch wie üblich mit einem Unentschieden zu enden, verstößt Saro gegen den örtlichen Ehrenkodex und will Anoush imponieren, indem er Mossy zu Boden wirft und dadurch demütigt. Wütend schwört dieser, Saro zu vernichten, den er nun als seinen Feind betrachtet. Anoush und Saro fliehen. Mossy aber findet Saro und erschießt ihn. Durch diesen grausamen Verlust verliert Anoush ihren Verstand und stürzt sich von einer Klippe in den Fluss Debet. Die Musik von Tigranjan ist gekennzeichnet durch die beherrschende Verwendung des 6/8 Rhythmus.  

(c) Der Opernfreund / Harald Lacina

Die Titelpartie wurde an diesem Abend von Hasmik Torosyan mit strahlender Höhe ihres glockenhellen Soprans interpretiert, wofür sie auch einige Male verdienten Szenenapplaus erhielt. Ihr geliebter Hirte Saro wurde mit einem Spintotenor von Hayk Tonguryan bestens interpretiert. Gevorg Hakobyan unterlegte Anoushs Bruder Mossy mit sattem gefälligem Bariton. Saros Mutter wurde von Mezzosopran Greta Bagiyan mitfühlend gesungen, während Mezzosopran Kristine Sahakyan die besorgte Mutter von Anoush verkörperte. Bariton Ashot Ghantarjyan war als würdiger Dorfältester zu sehen. Bass Armen Badalyan gab den Trauzeugen, Hovhannes Nersesyan, ein weiterer Bass, den Dorfvorsteher. Als Hausmeister war Bariton Armen Grigoryan zu sehen. Tenor Roman Khnkoyan, die Mezzosoprane Sofia Tumanyan und Inga Karapetyants, sowie die Soprane Roza Hovsepyyan und Lusine Makaryan traten als Passanten solistisch aus dem Chor hervor. Das Orchester der Armenischen Nationaloper wurde an diesem Abend umsichtig von Atanes Arakelyan geleitet, die Regie stammte von Gegham Grigoryan. Die naturalistische historisierende Ausstattung entwarf Grisha Sahakyan. Die Choreografie der Volkstänze besorgte Vilen Galstyan. Die Atmosphäre schaffende Beleuchtung besorgten Samvel Maleryan und Zaruhi Tarkhanyan.

(c) Der Opernfreund / Harald Lacina

Der Chor, der zu Beginn der Oper und gegen Ende von beiden Seiten des Ranges sang, war bestens von Hrach Boryan einstudiert. Großer Applaus für alle Mitwirkenden, besonders für Anoush, Saro und Mossy beendigte diesen vergnüglichen Abend, an dem man wiederum um eine Rarität bereichert worden war. Wen diese Oper interessiert, es gibt eine DVD, produziert von Parseghian Records in den USA (www.armenianmusic.com) aus dem Jahr 2008.

Harald Lacina, 3. Juni 2023


„Anoush“

Armen Tigranjan

Armenisches Nationales Opern- und Balletttheater Jerewan

Besuchte Aufführung: 31. Mai 2023

Inszenierung: Gegham Grigoryan

Ausstattung: Grisha Sahakyan

Musikalische Leitung: Atanes Arakelyan