Klagenfurt: „Das schlaue Füchslein“

4. Aufführung am 2.11.2012, (Premiere am 25.10.2012)

Österreichs Theater- und Kulturmagazin „Die Bühne“ schreibt in seiner November-Ausgabe über die neue Intendanz in Klagenfurt: „Dieser Einstand kann wohl nicht als gelungen bezeichnet werden: Gleich zwei szenische Flops zu Beginn einer neuen Intendanz und zwar sowohl mit der ersten Opern- als auch der ersten Schauspielproduktion. Denn die Idee des neuen Intendanten Florian Scholz, gleich zum Start jungen Regisseurinnen die Inszenierung von äußerst heiklen Stücken anzuvertrauen, ging ordentlich in die Hose.“ Bei den beiden Premieren handelte es sich um Webers „Frei-schütz“ (der OF berichtete) und Shakespeares „Der Sturm“.

Wie sieht es nun mit der dritten Premiere aus? Hier kooperiert Klagenfurt mit der Bayrischen Staatsoper München, die im Juni dieses Jahres das „Schlaue Füchslein“ mit ihrem Opernstudio im Cuvilliés-Theater in der Sichtweise des Bochumer Schauspielchefs David Bösch herausgebracht hatte. Allerdings spielte man in München eine kammermusikalische Adap- tierung für fünfzehn Instrumentalisten von Jonathan Dove. In Klagen- furt kann man nun die großartige Musik von Leo Janaceks Spätwerk in der vollen Orchesterbesetzung erleben, allerdings mit einer Einschränkung: Die Standardbesetzung des Kärntner Sinfonieorchesters hat offenbar ganz einfach zu wenige Streicher in ihrem Stellenplan und das stört das klangliche Gleichgewicht leider schmerzlich. So sehr sich auch der Klagenfurter Chefdirigent Peter Marschik merklich um Transparenz bemüht und so sehr auch das Orchester engagiert mitgeht: der vollbesetzte Bläser- und Schlagwerksatz dominiert zu sehr – die hohen Streicher können nicht den schwirrenden Janacek-Klang vermitteln.

Die sängerischen Leistungen werden eindeutig von den beiden Füchsen dominiert. Die große Szene zwischen Eva Liebau (Füchsin Schlaukopf) und Jurgita Adamonyté (Fuchs Goldrücken) am Ende des 2.Akts war der eindeutige Höhepunkt des Abends. Beide sangen nicht nur großartig, sie waren auch exzellente Darstellerinnen, die glaubhaft und in gekonnter Körpersprache ihre Rollen verkörpern. Das waren zweifellos Leistungen von überregionalem Rang! Um sie herum präsentiert sich das sehr junge Hausensemble mit lebhaftem Einsatz in Mehrfachbesetzungen: der Baß David Steffens und der Tenor Patrick Vogel sind schon im Freischütz positiv aufgefallen und haben diesmal diesen Eindruck bestärkt. Holger Ohlmann und vor allem Peter Mazalán (der übrigens den Förster schon in München sang) werden ihr großes Stimmmaterial noch zu „zügeln“ und zu kultivieren haben. Positiv die Leistungen von Chor (auch mit sehr ordentlichen Solostimmen) und Kinderchor.

Und nun kann ich mich nicht länger darum herumdrücken und muss doch auch auf die szenischen Umsetzung eingehen: Die Münchner Inszenierung (Regie: David Bösch,Bühne: Patrick Bannwart, Kostüme: Falco Herold, Licht: Michael Bauer, Dramaturgie: Rainer Karlitschek, der auch die wesentlichen Teile des Klagenfurter Programmheftes verantwortet) wurde durch die Spielleiterin der Bayrischen Staatsoper Anna Brunnlechner in Klagenfurt neu einstudiert. Wie man aus Berichten über die Münchner Aufführung entnehmen kann, hat sie das ursprüngliche Konzept offenbar „entschärft“ , drastische Sex-und Gewaltszenen weggelassen – und für eine gut durchdachte Personenführung mit dem neuen Team gesorgt, wie man dankbar registrieren kann. Kurzzusammenfassung der Szene: Alles ist herabgekommen und schäbig, das Försterhaus ein Bretterverschlag, links und rechts des Bühnenportals angenagelte Stofftiere, vom Schnürboden hängen unidentifizierbare Wesen, die vielfältigen Tiergestalten sind überwiegend skurrile Monster (die Mücke mit Blutplasmasäcken ??), ein offenbar abgebrannter Wald, der Landstreicher Haraschta mit vollbepacktem Kaufhaus-Einkaufwagen (statt mit „leerem Rückenkorb“, wie es im Orignal steht), der Dachsbau eine Badewanne mit der Aufschrift „Dax“, insgesamt pessimistische Endzeitstimmung – einzig die Fuchsgestalten sind in Kostüm und Spiel großartige und berührende Figuren aus einer Welt zwischen Menschen und Tieren.

Mein grundsätzlicher Einwand zu diesem Konzept: Janaceks Märchen ist in Text und Musik wunderbar vieldeutig. Eine zeitgemäße Inszenierung sollte diese Vieldeutigkeit vermitteln, die Fantasie des Publikums anregen und nicht durch eindimensionale Interpretationen einschränken. Dazu ein einziges konkretes Beispiel: Am Ende des 1.Akts wiegelt das Füchslein die Hennen gegen den Hahn und die bestehende Ordnung auf „Genossinnen, Schwestern! Das wird nicht länger geduldet, wenn der Umsturz kommt! Schafft eine bessere Welt ohne Mensch und ohne Hähne!“ (Text in der Max-Brod-Fassung meines Klavierauszugs und nicht in der neuen, mir an so mancher Stelle unnötig zeitgeistig erscheinenden Fassung dieser Inszenierung). Dazu tragen die – übrigens sehr inspiriert kostümierten – Hühner Tafeln mit der Aufschrift „Arbeit“ bzw.“Streik“. Ein interessiertes Publikum braucht solche Holzhammer-Hinweise nicht, sondern kann selbst denken. Aber eines gelingt der Inszenierung wirklich gut – im Programmheft schreibt der Dramaturg: „Allein zwei menschlichen Tieren ist es vorbehalten, eine eigene idealistische Dynamik zu entwickeln, nur Füchsin und Fuchs finden zum Moment der innigen und befriedeten Zweisamkeit.“

Und das vermittelt sich tatsächlich berührend – hier vertraut die Inszenierung der Musik und der künstlerischen Kraft der beiden schon eingangs gelobten Interpretinnen Eva Liebau und Jurgita Adamonyté. Hier erlebt man modernes Musiktheater – und für diese Momente lohnt es sich, die Klagenfurter Aufführung zu besuchen.

Um am Ende zur Einleitung diese Berichts zurückzukommen: Die dritte Premiere der Klagenfurter Intendanz von Florian Scholz war kein szenischer Flop, sondern – trotz mancher Einwände – eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Freischütz!

Hermann Becke

Alle Fotos: Stadttheater Klagenfurt, (c) Arnold Pöschl

Auf die beiden „Füchsinnen“ sei ausdrücklich hingewiesen – ihr weiterer Weg wird hoffnungsvoll zu verfolgen sein:

http://www.stadttheater-klagenfurt.at/de/personen/jurgita-adamonyte/

http://www.stadttheater-klagenfurt.at/de/personen/eva-liebau/

OF-CD-Tipp: