Klagenfurt: „Die Liebe zu den drei Orangen“

Premiere: 20. 3. 2014

Gediegene Ensembleleistung

Gespannt durfte man die nächste Opernpremiere in Klagenfurt erwarten – waren doch die ersten drei Produktionen dieser Spielzeit unumstrittene Erfolge. Klagenfurt kooperiert diesmal mit dem Staatstheater am Gärtnerplatz in München. Dort ist heute der frühere Klagenfurter Intendant Josef E. Köpplinger Intendant. Allerdings stammt diese Münchner Produktion noch aus der Zeit davor – sie hatte schon im Mai 2011 am Gärtnerplatz Premiere. Natürlich gibt es – mit einer Ausnahme – in Klagenfurt eine völlig neue Besetzung.

Noch bevor die Musik einsetzt, öffnet sich der Vorhang – das Publikum sieht Chor und Solisten in einem Bilderrahmen als tableau vivant und reagiert mit spontanem Beifall.

Lebende Bilder waren im 19. Jahrhundert ein beliebtes szenisches Gestaltungsmittel – man denke nur daran, dass Sibelius seine Tondichtung Finlandia (1900) für eine Folge lebender Bilder komponiert hatte. Es ist also aus dem damaligen Zeitgeist heraus durchaus berechtigt, dieses Stilmittel für Sergej Prokofjews 1921 in Chicago uraufgeführte Oper zu verwenden. Das Inszenierungsteam (Regie – Immo Karaman, Bühne & Kostüme – Timo Dentler, Okarina Peter, Choreographie – Fabian Posca, Lichtdesign – Immo Karaman, Helmut Stultschnig) stellt dieses Tableau vivant dem berühmten Triptychon Großstadt (1927/28) von Otto Dix nach, wie man dem Text und den Illustrationen des Programmheftes entnehmen kann.

Die Grundidee der Inszenierung passt überzeugend zur Entstehungszeit des Werkes und sorgt für eine optisch sehr reizvolle Lösung. Im Programmheft ist zu lesen: „Uns war wichtig die Oper aus dem Dunkeln heraus zu erzählen. Keine bunt schillernde, dekorierte Märchenausstattung, sondern eine möglichst morbide, melancholische Grundstimmung.“ Das ist unzweifelhaft gelungen – allerdings sind dagegen zwei gewichtige Einwände zu erheben: den einzelnen Figuren fehlt durch die streng-choreographische Führung nicht nur die menschlich anrührende Individualität, durch die einheitliche Kostümierung fällt es außerdem dem Betrachter immer wieder schwer, die handelnden Personen innerhalb des üppig-bunten Bildes zu identifizieren, ja am Beispiel der ganz ähnlich gekleideten Damen Clarisse und Fata Morgana gewinnt gar man den Eindruck, es sei geradezu gewünscht, dem Publikum das Verfolgen der ohnedies skurril-schwierigen Handlung bewusst zu erschweren.

So bleibt vieles in einer distanziert-starren Kunstfertigkeit stecken und überdeckt die brillante Musik Prokofjews, die eigentlich genau das Gegenteil anstrebt, weist doch jede Szene eine höchstpersönliche Klangfarbe auf. Es geht durch die angestrebte „morbide, melancholische Grundstimmung“ die heitere Fröhlichkeit und Buntheit des Werks ein wenig verloren. Diese Einwände schmälern aber nicht die bewundernswerte Geschlossenheit der Inszenierung, die auch der respektablen Besetzung zu danken ist. 16 Gesangs- und 7 Tanzsolisten sowie Chor und Extrachor (Leitung: Günter Wallner) leisten Erstaunliches. Viele der kleinen, aber dennoch sehr wichtigen Figuren sind mit Chormitgliedern besetzt, die weder stimmlich noch darstellerisch gegenüber den Darstellern der größeren Partien abfallen.

Stephan Klemm war schon bei der Münchner Premiere der König Treff – mit sonorem, in allen Lagen ausgeglichenem Bass war er ein überzeugendes Zentrum. Der Königssohn ist der türkische Tenor Ilker Arcayürek , den man in dieser Saison in Klagenfurt schon als Sänger im Rosenkavalier und als Macduff hören konnte. Er vermittelte den melancholischen Prinzen darstellerisch sehr überzeugend – an den zwar sicheren, aber recht engen Höhen seines durchaus ansprechenden Tenors wird er noch weiter zu arbeiten haben, wie schon mehrmals angemerkt

Als Zauberer Tschelio fällt der kräftige junge Bass von David Steffens positiv auf (wie in allen Klagenfurter Produktionen der letzten Zeit). Das gleiche gilt für den markanten Charaktertenor von Patrick Vogel als Truffaldino. Bei den Damen sei besonders die Prinzessin Clarisse von Bea Robein hervorgehoben, die mit voller Brangänenstimme ihre Rolle charaktervoll gestaltete – und dann natürlich die lyrisch-zarte Sopranstimme der Orangenprinzessin Ninetta von Golda Schultz, die sich zum Klagenfurter Publikumsliebling entwickelt hat, aber wohl bald an München „verloren“ gehen wird, wo sie in der nächsten Saison wesentliche Rollen singen wird. Alle anderen Solisten müssen sich mit einem generellen Pauschallob genügen. Es ist ein Ensemblestück – und da gelang Klagenfurt auf hohem Niveau eine gediegene Leistung.

Das Kärntner Sinfonieorchester spielte unter der Leitung seines Chefdirigenten Alexander

Soddy ambitioniert – diesmal wäre mehr heiter-ironische Durchsichtigkeit wünschenswert gewesen. Die Prokofjew-Partitur braucht doch mehr brillante Schärfe, als an diesem Abend zu hören war – die differenzierte Prokofjew-Instrumentation kam einfach zu wenig zur Geltung. Aber diesbezügliche Verbesserungen sind in den kommenden Aufführungen möglich und jedenfalls zu wünschen. Am Ende gab es einhelligen Beifall für alle Ausführenden.

Hermann Becke, 21.3.2014,

Szenenfotos: Stadttheater Klagenfurt, © Karlheinz Fessl

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