Schweinfurt: „Ein Walzertraum“

Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 29.10.2018, Tourneebeginn 17.10.2018

Die Operettenbühne Wien unter Heinz Hellberg gastiert mit der wunderschönen, leider selten gespielten Operette „Ein Walzertraum“ in zwei ausverkauften Vorstellungen in Schweinfurt

Es ist einfach schön, mitzuerleben, welch gutes Händchen der immens rührige Theaterleiter Christian Kreppel bei der Auswahl seiner Stücke, aber auch bei der Auswahl seiner Tourneetheater hat. Die Operettenbühne Wien, die wieder einmal wie so oft in Schweinfurt gastiert, ist aus diesem Theater einfach nicht mehr wegzudenken, bringt fast ausschließlich ausverkaufte Vorstellungen und Jubel und Beifall des Publikums hierher. Dieses Publikum erfreut sich immer wieder über „seine Lieblinge“ und geht begeistert mit und lässt sich in die Zauberwelt der Operette entführen. Der überaus erfolgreiche Gründer der Operettenbühne Wien, der ehemalige Wiener Sängerknabe Heinz Hellberg ist nun bereits seit 22 Jahren mit seiner Truppe unterwegs und hat in über 2000 Vorstellungen sein treues Publikum überzeugt und begeistert und wird dies hoffentlich noch viele viele Jahre so weiter machen. Die schon so oft für tot erklärte Operette wird, wenn sie so liebevoll und mit Herzblut dargeboten wird wie von Heinz Hellberg und seiner voller Elan sprühenden Mannschaft, noch sehr lange weiterleben und sein treues und begeistertes Publikum hinter sich wissen. Ein Publikum, welches im Theater keine Problemlösungen für die Schrecknisse der realen Welt sucht und erleben möchte, sondern ein Publikum, welches nichts anders will, als sich wundervoll zu unterhalten, die Alltagssorgen zu vergessen, hineinzutauchen in die etwas unwirkliche Atmosphäre der Operette, bei der es trotz vieler Verwicklungen am Ende doch immer wieder gut ausgeht und bei dem die wunderschönen Melodien zu den Herzen der Zuhörer gelangen und ihnen einige Stunden der Freude und der Entspannung liefern. Was will man denn noch mehr als die Menschen zu erfreuen und sie etwas abzulenken von der Realität „da draußen“ und das tut die Operette und das tut die Wiener Operettenbühne insbesondere auf vorzügliche Art und Weise. Und wie schreibt Heinz Hellberg in seinem Programmheft: „Besser gut entstaubt, als schlecht modernisiert:“ Und das ist ihm auch diesmal wieder vorzüglich gelungen, so soll Operette sein und so wird sie auch noch lange Zeit ihr Publikum finden und weiter ausbauen. Für die Regie und die Bühnenfassung des heutigen „Walzertraums“ zeichnet Heinz Hellberg verantwortlich und so weiß man, dass einem Operette im wahrsten Sinne des Wortes geboten wird und dafür auch einmal ein großes Dankeschön an Heinz Hellberg und seine Wiener Operettenbühne.

Stefan Reichmann, Alexander Helmer

Ein paar Worte erlaube ich mir doch zur Geschichte, denn der Walzertraum ist leider nicht so bekannt wie viele anderen Operetten. Er wäre es mit Sicherheit wert, öfter auf die Bühnen der Theater gebracht zu werden. Der Komponist Oscar Strauss, geboren 1870 in Wien und verstorben und begraben 1954 in Bad Ischl hat mit der Strauss Dynastie um Johann & Co und auch mit Richard Strauß nichts zu tun. Aus diesem Grund änderte er auch seinen Nachnamen und nannte sich Straus, mit nur einem S. Er schrieb eine ganze Reihe von teilweise recht schönen Operetten wie „Die lustigen Nibelungen“, „Der letzte Walzer“ und „Die Perlen der Cleopatra“, so richtig bekannt und berühmt wurde aber eigentlich nur sein 1907 erschienenes Meisterwerk „Ein Walzertraum“. Der Wiener Hallodri Leutnant Niki wird ein bisschen gegen seinen Willen mit der etwas steifen Prinzessin Helene von Flausenthurn verheiratet. Er, der lebenslustige der Wiener Walzerseligkeit zugehörende fesche Wiener kommt mit dem Reichtum und den Lasten eines Prinzgemahls gar nicht zurecht. Die Etikette am Hof seiner Gemahlin schnürt ihm den Hals zu und nimmt ihm die Lust zum Leben. Er klagt seinem Freund Leutnant Montschi sein Leid und büxt mit diesem einfach in der Hochzeitsnacht aus, als er erfährt, dass eine Wiener Damenkapelle zu Ehren der Hochzeit im Lande ist. Er besucht das Gartenrestaurant und verdreht der Chefin der Wiener Damenkapelle Franzi Steingruber so richtig den Kopf, während sich sein Freund zu der Schlagzeugerin Fifi hingezogen fühlt. Er wird vom Hofstaat zurückgeholt, die Kapellenchefin Franzi, die ihrer Liebe zu ihm entsagen muss, gibt Prinzessin Helene Tipps, wie man fescher wird um einen Mann an sich zu binden und am Ende finden sich alle in der Walzermusik zusammen. Das Ganze hat Heinz Hellberg in eine träumerische Geschichte eingebunden. Niki schläft zu Beginn der Operette ein, alles was dann kommt ist sein Traum, den das Publikum miterlebt und am Ende der Operette erwacht er und merkt, dass alles nur in seinem Kopf vorgegangen ist. Diese Einführungs- und Schlussszene ist zwar nicht unbedingt erforderlich, fügt sich aber ohne Probleme in das Stück und unterstreicht etwas den Traumcharakter.

Stefan Reichmann, Elisabeth Hillinger

Das Orchester der Operettenbühne Wien wird von dem in Miskolc in Ungarn geborenen László Gyükér, geleitet. Viel über ihn zu sagen, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Die Operette liegt ihm im kleinen Finger und er liebt dieses Metier, das spürt man in jedem Moment. Sensibel und einfühlsam geht er auf die Sänger ein, begleitet sie, umschmeichelt sie und lässt ihre Stimmen voll ertönen, um dann, wenn das Orchester keine Zurückhaltung auf die Sänger nehmen muss, dieses voller Temperament und Leidenschaft agieren zu lassen, fast könnte man meinen, dass die Wogen der Musik über den Zuhörern zusammenschlagen. László Gyükér atmet und lebt mit der Musik und diese Leidenschaft springt auf das sehr gute kleine Orchester und auf die Sänger über und schwappt von da auf das Publikum, welches nicht aufhören kann mit tosendem Applaus diese Leistung zu untermauern. Mit dieser Leidenschaft wünsche ich mir mehr Dirigenten, denn damit verhelfen sie der Operette zu ihrem Platz in der Musikwelt, die sie verdient.

Das Bühnenbild ist stimmig, einfach, aber dadurch besonders eindrucksvoll, mit wenigen Umstellungen veränderbar und man muss ja immer bedenken, dass ein Tourneetheater nur begrenzte Möglichkeiten bietet. Dafür eine mehr als gute Arbeit. Ebenso eine eindrucksvolle Arbeit von Lucya Kerschbauer, die zuständig ist für die Kostüme. Farbenprächtig, den Wiener Schmäh auch auf die Kleidung übertragen, für einfach schöne Hingucker gesorgt, farbenprächtig und prachtvoll angepasst. Es macht einfach immer nur wieder Freude sich die herrlichen Roben und Kostüme anzuschauen und zu bewundern. Wie immer bei der Operettenbühne Wien kann auch der Chor und das Ballett mehr als überzeugen und man merkt auch, mit welchem Eifer und Leidenschaft man an diese Aufgabe herangeht. Die Choreographie liegt in den bewährten Händen von Enrico Juriano dessen Arbeit keinerlei Schwachpunkte aufzeigt und dessen recht kleine, aber gerade deswegen sehr feine Tanztruppe sehr viel zum Erfolg dieses operettigen Nachmittags beiträgt. Eine exzellente Leistung vollbringt auch Mioara Dumitrescu, die für die Maske zuständig ist und bei der man die jahrelange Erfahrung richtiggehend sehen kann.

Alexander Helmer, Susanne Hellberg

Den Leutnant Niki verkörpert der junge blondgelockte fesche österreichische Tenor Stefan Reichmann. Er besitzt einen hellen, teilweise strahlenden, weichen und warmen gepflegten Tenor, der sehr gefällig ist und auch in den Duetten gut zum Tragen kommt. Warum, so fragt sich der Rezensent, agiert dieser eigentlich für die Bühne geradezu geschaffene junge elegante Tenor so steif, fast möchte man sagen langweilig, fast ohne Leidenschaft und Feuer. Was könnte für ein toller Tenor mit ihm auf der Bühne stehen, wenn er nur die Handbremse etwas lösen und den frischen lockeren Hallodri auch darstellerisch auf die Bühne bringen würde. Großer Applaus für ihn jedoch vom Publikum, welches meine Einschränkungen nicht ganz so sieht. Seine Prinzessin Helene ist die Wienerin Ella Tyran. Sie hat einen schlanken, schönen, höhensicheren und durchschlagskräftigen Sopran, den sie gekonnt einsetzt und mit dem sie, sowohl in den Soli als auch den Duetten punkten kann. Darstellerisch anfangs etwas zurückhaltend, aber dies ist eindeutig der Rolle geschuldet, die sie als zurückhaltende, ein wenig überhebliche Prinzessin verkörpern muss. Eine sehr gute Leistung und auch im Zusammenspiel mit Stefan Reichmann voll überzeugend.

Susanne Hellberg, Alexander Helmer, Ella Tyran, Stefan Reichmann, Elisabeth Hillinger, Viktor Schilowsky, Elfie Gubitzer, Jan Reimitz

Elisabeth Hillinger weiß als Franzi Steingruber, Chefin der Wiener Damenkapelle, Akzente zu setzen. Die österreichische Sopranistin hat einen schönen warmen Sopran, den sie gefällig einzusetzen weiß und kann auch mit einprägsamem natürlichem Spiel voll überzeugen. Fast muss man sich ja wundern, dass der Leutnant Niki nicht bei ihr bleibt, sondern zu seiner Prinzessin zurückkehrt. Elisabeth Hillinger weiß nicht nur den Staub aus den verkrusteten Räumen des Schlosses heraus zu fegen, sondern auch in ihrer Darstellung in keinem Moment verstaubte Ansätze erkennen zu lassen. Immer wieder freue ich mich, wenn ich den Wiener Bariton Viktor Schilowsky erlebe. Diesmal fügt er seinen beeindruckenden Rollenporträts den regierenden Fürsten von Flausenthurn, Joachim XIII hinzu. Es ist schade, dass sein schönstimmiger, weicher, einschmeichelnder aber dennoch kräftiger und durchschlagender Bariton nicht mehr zu singen hat. Für mich ist es immer eine Freude ihn zu erleben, ihn, der auch darstellerisch keinerlei Probleme hat und alles, was er auf der Bühne zeigt, vollkommen beeindruckend herüberbringt.

Als Freund von Niki weiß Alexander M. Helmer als Leutnant Montschi sich ins rechte Licht zu setzen. Der Wiener Kavaliersbariton kann mit kräftigem, bisweilen etwas rauem, aber dennoch auch sehr schönen warmen und weichen Bariton für den entsprechenden Eindruck sorgen, darstellerisch hat er keinerlei Probleme, ihm kauft man auch den Wiener Hallodri ohne weiteres ab. Angetan hat es ihm die Schlagzeugerin der Wiener Damenkapelle und hier kann Susanne Hellberg als Fifi, alle Register ihres Könnens und auch ihrer Erfahrung ziehen. Es ist beeindruckend, wie sie sowohl darstellerisch als leicht verfressene und immer Hunger habende Freundin von Franzi über die Bühne schleicht und dann auch wieder über die gleiche Bühne hinwegfegt und es ist beeindruckend, welche stimmlichen Fähigkeiten in der zarten Person stecken, die der Rolle gebührend etwas mit Kissen ausgestopft worden ist um dicker zu wirken. Susanne Hellberg ist die gute Seele der Truppe, bei der man den Eindruck hat, dass sie alles kann und alles im Griff hat. Gesanglich besticht sie mit Leidenschaft und wienerischem Feuer und kann mit stimmschönem leichtem klangschönem Sopran diese Soubrettenpartie mit allen Facetten gestalten. Man kann nur bewundern, dass diese einmalige Künstlerin, die seit vielen Jahren die Stütze der Wiener Operettenbühne ist, von Jahr zu Jahr agiler wird und scheinbar nicht altert. Als Graf Lothar setzt der in Wetzlar geborene Jan Reimitz vor allem darstellerische und komödiantische Akzente. Mit seiner großen schlaksigen Gestalt und einem Humor, der direkt bei den Zuschauern landet, weiß er das Publikum für sich einzunehmen und bietet eine ganz tolle Leistung. Wollen wir zuletzt nicht Elfie Gubitzer vergessen, die eine Paradeleistung als Oberhofmeisterin Friederike abliefert. Sie liebt den Likör, den sie ständig aus dem Geheimversteck holt, sie liebt auch das Bier, wo sie beeindruckend unter dem prasselnden Applaus des Publikums einen Liter in Rekordzeit vertilgt und sie ist eine Vollblutkomödiantin, die sich mit dem Fürst und Graf Lothar einen Wettkampf liefert, bei dem es Gleichstand gibt, wer wohl der bessere Komödiant ist.

Schlussapplaus mit László Gyükér im Vordergrund

Langanhaltender äußerst herzlicher und begeisterter Beifall für die Wiener Operettenbühne, die voraussichtlich mit „Das Schwarzwaldmädel“ im nächsten Jahr sein treues Publikum wieder verzaubern wird. Die Wiener Operettenbühne hat ihr Publikum erneut überzeugt, begeistert, mitgerissen und ihm viel Spaß auf das nächste Mal gemacht. So muss Operette sein und so wird sie noch viele Jahrzehnte ihre Daseinsberechtigung haben.

Manfred Drescher, 03.11.2018

Fotos (c) Der Opernfreund / Drescher