Schweinfurt: „Hänsel und Gretel“

Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 04.12.2016, (Premiere in Hof 11.03.2016)

Etwas düstere Aufführung dieser Märchenoper

Das Theater Hof bringt zur Vorweihnachtszeit die Kinderoper, die eigentlich gar keine Kinderoper ist, „Hänsel und Gretel“. Weil diese Märchenoper von Engelbert Humperdinck halt gar so gut in die Weihnachtszeit passt, ist das Theater Hof damit in Schweinfurt zu Gast. An diesem Nachmittag fallen viele Kinder im Publikum auf, neben mir sitzt ein kleines vierjähriges Mädchen, welches mit großen Erwartungen auf ihr Märchen wartet. Die teilweise schwere und knallende Musik ist aus meiner Sicht so gar nichts für so kleine Kinder und die verbrannte Hexe trägt auch nicht so sehr zur Erheiterung meiner kleinen Nachbarin bei. Dazu ist das ganze Stück einfach zu dunkel gehalten, zu schwerblütig auf die Bühne gebracht. Nach der Pause ist meine kleine Märchenfreundin jedenfalls geschafft, Konzentration vorbei, es ist ihr schlicht und ergreifend einfach zu langweilig und die Musik zum Teil zu voluminös. Ich habe nie verstanden, warum man diese Märchenoper zu einer Kinderoper machen will, das ist sie – jedenfalls in dieser Inszenierung in keinem Fall. Überraschend, wie brav und ruhig sich die vielen kleinen Gäste verhalten haben, ob diese Aufführung aber dazu geführt hat, dass sie später verstärkt in die Oper gehen, wage ich sehr zu bezweifeln. So kann man sich keinen Publikumsnachwuchs heranziehen. Einige meiner Rezensionskollegen sprachen davon, dass diese Aufführung uneingeschränkt für kleine Kinder geeignet ist, diese Aussage verstehe ich in keinem Fall. Nein, dies ist keine Oper für kleine Kinder und meine kleine Freundin flüsterte mir beim Abschied noch leise ins Ohr, dass sie so große Angst vor der Hexe gehabt habe und sicher nicht gut schlafen könne.

James Tolksdorf – Vater, Patrizia Häusermann – Hänsel, Inga Lisa Lehr – Gretel, Stefanie Rhaue – Mutter

Die Geschichte der Märchenoper zu erzählen, wäre Eulen nach Athen getragen, sie dürfte jedem bekannt sein. Hinrich Horstkotte ist für die Inszenierung, die Bühne und die Kostüme zuständig. Außer dass es mir persönlich alles etwas zu duster und finster ist, hat er eine stimmige Inszenierung auf die Bühne gestellt. Der märchenhafte Charakter kommt gut zum Ausdruck, auch die Kostüme sind märchenhaft und alles passt und ist teilweise sogar sehr gut gelungen. Auf offener Bühne dürfen vier Lebkuchenmännchen die Kulissen schieben, ich hatte am Anfang etwas Probleme sie als Lebkuchenmännchen zu erkennen, weil sie auch ein bisschen bedrohlich wirkten und durch ihren schlurfenden Gang etwas in Untotennähe gerieten. Die jeweiligen Auftritte, zB. von Sand- und Taumännchen werden mit Bühnennebel, der durch die Reihen wabert, angekündigt, die 14 Engel werden hervorragend vom Kinderchor des Jean-Paul-Gymnasiums Hof verkörpert und man merkt ihnen auch an, dass ihnen der Auftritt großen Spaß macht. Auch der Chor trägt seinen Teil zum Gelingen bei, beide sind von Hsin-Chien Chiu einstudiert, beim Kinderchor tritt ihr noch Maniana Füg zur Seite. Richard Wagner ist ständig im Hintergrund auf der Bühne präsent, sei es als Wandbild in der Besenbinderwohnung oder sei es in der Darstellung des Hexenhäuschens, welches bewusst dem Festspielhaus Wagners in Bayreuth zum Verwechseln ähnelt.

Patrizia Häusermann und Inga Lisa Lehr zusammen mit dem Ensemble

Die musikalische Leitung hat an diesem Nachmittag im ausverkauften Theater in Schweinfurt Roland Vieweg und er hat sein Orchester gut im Griff. Schwungvoll und mit Elan und musikalischem Gespür lässt er das Orchester regelrecht aufblühen, auch die immer wieder angesprochenen Parallelen zu Richards Wagners Musik wird hörbar. Leider auch darin, dass er die musikalischen Wogen bisweilen etwas zu lautstark agieren lässt und damit leider auch die Sänger teilweise einfach etwas zudeckt. In Teilen sind die Stimmen der überwiegend ausgezeichneten Sänger fast nicht zu hören und daran tragen die Solisten die wenigste Schuld. Etwas mehr Rücksichtnahme auf die Sänger und etwas mehr Zurückhaltung hätten der musikalischen Umsetzung mit Sicherheit gut getan. Vor allem hatten Hänsel und Gretel mit den Wogen des Orchesters zu kämpfen. In einzelnen Bereichen, wie zum Beispiel dem Abendsegen zeigte der Dirigent und sein Orchester jedoch, dass sie auch zu feinem differenziertem Spiel fähig sind, plastisch und klangvoll im stimmlichen Bereich ging dies über die Bühne, eindrucksvoll und zurückhaltend und damit auch entsprechend beeindruckend.

Patrizia Häusermann, Stefanie Rhaue als Knusperhexe und Inga Lisa Lehr

Den Solisten merkt man an, dass dieser Ausflug in eine Märchenoper, der ja sicher nicht so oft auf dem Programm steht, ihnen Freude macht und sie sind auch leidenschaftlich mit dabei. Der Hänsel wird an diesem Nachmittag von Frauke Willimczik gesungen, die für Patrizia Häusermann (die auch auf den Fotos zu sehen ist) eingesprungen ist und sie macht dies vorzüglich. Die junge Mezzosopranistin verfügt über ein gutes Stimmvolumen und trumpft auch entsprechend auf, stellt einen frischen vollblütigen Hänsel auf die Bühne und kann sich auch durchaus gegen das Orchester behaupten, obwohl man es ihr leichter hätte machen können. Dies gilt auch für den aufblühenden, anmutigen Sopran von Inga Lisa Lehr, die die Rolle charmant und bezaubernd auf die Bretter legt, so wie es sich bei einer Märchenoper gehört. Mitunter leidet ein bisschen die akustische Verständlichkeit, gerade die vielen Kinder dürften da kaum etwas mitbekommen. Den Besenbindervater Peter sang und spielte James Tolksdorf, und er tat dies souverän mit wuchtigem, kräftigem durchschlagendem Bariton. Er brauchte keine Angst vor den Orchesterfluten zu haben und gab auch darstellerisch einen überzeugenden Part. Als seine Frau agierte die Mezzosopranistin Stefanie Rhaue, die gleichzeitig auch die böse Knusperhexe gab. Und beides voll überzeugend und vor allem auch mit einer stimmlichen aber auch darstellerischen Präzision, die mehr als überzeugte. Wie sagte meine kleine Nachbarin: Heute Abend werde ich wegen der Hexe aber schlecht einschlafen. Als Sand- und Taumännchen in schöner Maskerade konnte Dong-Joo Kim sich präsentieren. Die Sopranistin bot eine rollendeckende Leistung, mit hohem leuchtendem Sopran konnte sie die beiden gegensätzlichen Gestalten gut darstellen. Insgesamt gesehen ein Nachmittag, der viele Hochs bot, aber auch einige kleine Einschränkungen. Die größte war für mich, dass die vielen anwesenden Kinder sicherlich weniger Spaß an der Aufführung hatten wie die Erwachsenen. Man ging mit dem Gefühl nach Hause keinen vergeudeten Nachmittag gehabt zu haben. Und das ist heutzutage doch schon eine ganze Menge.

Manfred Drescher, 14.12.2016

Fotos Harald Dietz Fotografie, Hof