Schweinfurt: „Victoria und Ihr Husar“

Premiere in Hof 15.12.2018, Aufführung im Theater der Stadt Schweinfurt 06.02.2019

Paul Abraham begeistert auch heute noch das Publikum

Auch an diesem Nachmittag hat der rührige Theaterdirektor Christian Kreppel wieder einmal Fingerspitzengefühl bewiesen, wie so oft im Theater Schweinfurt, einem Haus, welches davon lebt tolle Produktionen einzukaufen um sein Publikum im Theater in eine verzauberte Welt zu führen. Diesmal in das Reich der Operette. Mit „Viktoria und ihr Husar“ holt er eines der schönsten Werke von Paul Abraham von Hof nach Schweinfurt. Ein gutgelauntes Publikum lässt sich von dem rührseligen Schmachtfetzen sichtlich beeindrucken. Eines der ganz wenigen Operetten, in welcher das Glück und das Leid sehr eng beieinanderliegen.

Die Geschichte ist schnell erzählt. Gräfin Viktoria, die durch falsche Informationen glaubt, dass ihr geliebter Husarenrittmeister Stefan Koltay gefallen ist, heiratet den amerikanischen Gesandten John Cunlight. Koltay konnte jedoch mit seinem treuen Burschen Janczy aus der Gefangenschaft fliehen und sich in die Botschaft flüchten. Hier trifft er auf Viktoria und die alte Liebe entflammt aufs Neue. Der Gesandte will ihm über die Botschaft zur Flucht verhelfen, aber er will nur fliehen, wenn Viktoria ihm folgt. Diese kann sich nicht zwischen Liebe und Pflichterfüllung entscheiden und so liefert sich der Rittmeister selbst an die Russen aus. Ein Jahr später soll in Ungarn beim Weinfest, so wie es Sitte ist, drei Paare verheiratet werden. Graf Ferry, der Bruder Viktoria und seine Braut O Lia San sind eines der Paare, der Bursche Janczy und die Kammerzofe Viktoria Riquette das zweite. Ferry hat heimlich John Cunlight eingeladen, damit er Viktoria glücklich machen soll, denn inzwischen haben er und Viktoria sich getrennt. John Cunlight führt auf dem Weinfest Viktoria den Husarenrittmeister vor, der nicht umgekommen ist und die Liebenden fallen sich in die Arme. Der Gesandte verzichtet auf seine Liebe, ihm ist es wichtiger, dass Viktoria glücklich ist. Dies alles ist eingebettet in die spritzige, abwechslungsreiche Musik Paul Abrahams, deren Uraufführung am 21. Februar 1930 war und die bis heute nichts von ihrem Feuer, ihrer Leidenschaft, aber auch ihrer Tragik verloren hat.

Ballett-Inga Lisa Lehr

Die Inszenierung von dem in Tübingen geborenen Tobias Materna ist eine Ausstattungsoperette mit äußerst geringen Mitteln, die dabei eingesetzt werden. Wenig aufwendiges Bühnenwerk, mehr einfach, spartanisch, aber dennoch, oder gerade deswegen wirkungsvoll. Der erste Akt in der sibirischen Gefangenschaft wird durch einen funkelnden Sternenhimmel dargestellt, der zweite in Japan spielende, wo man auf John Cunlight und Viktoria trifft, durch eine Andeutung einer Kirschblüte, mehr abstrakt als natürlich dargestellt. In der Sowjetunion ein mehr oder weniger deformierter Stern und schließlich im Ungarland ein riesengroßer roter besteigbarer Paprika. Mit wenigen Mitteln viel erreicht und der Regisseur hat das rührselige Märchenstück auch recht klar und einfach inszeniert, vor allem hat er es ernst und sich alles zu Herzen genommen und deswegen auch eine stimmige Inszenierung auf die Bretter gezaubert. Die Kostüme, bunt, farbenfroh, mitunter knallig aber immer passend sind von Lorena Ayleen Diaz Stephens und Jan Hendrik Neidert mit viel Freude am Detail hergestellt und recht schön anzusehen. Der Chor, der etliche beeindruckende Auftritte hat ist völlig stimmig und immer an die jeweilige Situation angepasst von Roman David Rothenaicher einstudiert worden und manchmal hat man ihm auch ein bisschen die Sporen gegeben und entsprechende Freiheiten gelassen. Die Choreographie von Barbara Buser passt sich nahtlos dem gesamten Konzept an und man kann sich an eleganten, aber auch feurigen Tänzen satt sehen. Die Hofer Symphoniker spielen schmissig, leidenschaftlich und bringen all die verschiedenen Musikrichtungen wie zB. Walzerseligkeit, Foxtrottschmissigkeit, zigeunerische Leidenschaft und japanische Zurückhaltung ohne Fehl und Tadel aus dem Orchestergraben zu den gebannt lauschenden Zuhörern. Die musikalische Leitung hat Daniel Spaw, und der in Georgia geborene und in Nashville/Tennessee (USA) aufgewachsene Dirigent kann, trotz seiner Jugend, vollauf begeistern. Gefühlvoll, drängend, sich auch sängerdienlich zurücknehmend zeigt er gemeinsam mit dem ausgezeichnet aufspielenden Orchester eine vollkommen deckende musikalische Gestaltung auf. Ein höchst talentierter Dirigent, von dem man sicher noch viel hören wird. Viel Applaus für diese Leistung am heutigen Nachmittag.

Als John Cunlight, den amerikanischen Gesandten, bekommt man ein Urgestein des Theater Hofs zu sehen und zu hören. Der in Homberg/Elze, einem kleinen Städtchen in Hessen geborene Sänger und Schauspieler Karsten Jesgarz, ist seit 24 Jahren in Hof engagiert. Er gibt den Gesandten ruhig, vornehm und zurückhaltend, immer Gentleman, auch in den Momenten des größten Schmerzes, wenn seine Liebe mit Viktoria zerbricht. Das Walzerduett „Pardon, Madame, ich bin verliebt“ gestaltet er zart, zurückhaltend, beeindruckend. Seine Partnerin als Viktoria ist die in Heilbronn geborene Sopranistin Inga Lis Lehr, die ebenfalls schon fast 10 Jahre in Hof engagiert ist. Intonationssicher, mit klarem, weichem, vollem und durchschlagskräftigem Sopran gestaltet sie die Rolle, die sie nicht nur musikalisch voll ausfüllt, sondern sie beeindruckt auch mit einer darstellerisch charmanten und sehr ausdrucksstarken Bühnenpräsenz. Dies umso mehr, als sie gerade erst nach einer einjährigen Babypause auf die Bretter, die die Welt bedeuten, zurückgekehrt ist.

Als ihr Bruder Graf Ferry steht ein weiteres Urgestein aus Hof auf der Bühne. Seit über 18 Jahren ist der aus Frankfurt am Main stammende Buffotenor Thilo Andersson ein Aushängeschild der Bühne. Stimmlich äußerst beweglich, ausdrucksstark und spielfreudig ist er immer auf der Höhe des Geschehens. Immer wieder ist es schön ihn zu sehen und zu hören. Als seine Braut steht die junge deutsche Sopranistin Laura Louisa Lietzmann auf der Bühne. Mit klarem, reinem stimmlich sehr schönem rundem und ausdrucksstarkem Sopran weiß sie nicht nur das Herz von Ferry zu erobern. Erfrischend ist ihr Spiel, gefühlvoll und leidenschaftlich. Die zwei bringen das notwendige Feuer auf die Bühne. Ein Feuer, welches ich anfangs bei dem in Südkorea geborenen Minseok Kim ein bisschen vermisst habe. Etwas sehr zurückhaltend, leicht gebremst vor allem am Anfang. Mit zunehmender Dauer steigert er sich aber auch zu einer guten Leistung mit einem hellen und geschmeidigen Tenor, der weich, warm und stimmschön klingt. Mit seinen 29 Jahren hat er ja noch einiges vor sich und ich bin mir sicher, dass mit der Zeit auch die etwas zu starke Zurückhaltung weichen wird.

Als Bursche Janczy erlebt man den aus Coburg stammenden Spieltenor Markus Gruber. Frisch, stimmkräftig, mit klarem weichem und vielseitigem Tenor kann er ebenso punkten wie mit seinem lebendigen fröhlichen und quirligen Spiel. Der Humor kommt bei seiner Gestaltung auch nicht zu kurz und so ist das Ganze eine äußerst erfreuliche Stellenbesetzung. Ebenso wie die im russischen Krasnodav geborene und erstmals beim Theater Hof auftretende Marina Medvedeva als seine Geliebte Riquette, die Kammerzofe der Gräfin. Sie ist musikalisch wie optisch ein richtiger Hingucker. Mit einer geläufigen Gurgel, ohne jede Höhenangst, einfühlsam, mit weichem silbrigem Organ und mit einem quirligen, ausgelassenen Spiel weiß sie vollstens zu überzeugen. Der Auftritt der beiden, nämlich Janczy und Riquette gehören sicherlich mit zu den Höhepunkten des heutigen Nachmittags. Zu erwähnen ist auch noch der aus dem brandenburgischen Prenzlau stammende Rainer Mesecke. Er macht mit viel körperlichem Einsatz, vor allem beim mehrmaligen Besteigen des Riesenpaprikas, auf welchem er es sich dann genüsslich gut gehen lässt, Furore als Béla Pörkelty, dem Bürgermeister von Doroszman. Eine gute Figur, ebenso wie der auch von ihm gespielte japanische Bonze. Ohne Probleme fügen sich auch in das Ensemble Daniel Milos als russischer Offizier und als Kosak sowie Dong-Joo Kim als O Kiki San ein. Eine besondere Nebenrolle hat Christian Seidel als James. James ist über die gesamte Spielzeit im Bild, als stiller Butler, Diener überall Beteiligter und so weiter. Gut, ein netter Einfall, mich hat er jedoch nicht vom Hocker gerissen, von Christian Seidel aber viel durchgehender toller Einsatz.

Ein sehr unterhaltsamer Nachmittag, der dem Publikum, und dies konnte man am starken herzlichen Applaus abgelesen, sehr gut gefallen hat und wieder einmal für einige Stunden die Alltagssorgen vergessen ließ. Das ist das, was für mich Operette ausmacht, das Loslassen vom Alltag und das Hineintauchen in eine spielerische und musikalisch wundervolle Welt. Ich freue mich auf noch viele solche Erlebnisse.

Manfred Drescher, 17.02.2019

Fotos H. Dietz Fotografie, Hof