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Benedikt Stampa


Intendant Festspielhaus Baden-Baden
16.09.2020


(OPERNMAGAZIN/OM): Herr Stampa, Sie sind nun seit einem Jahr Intendant des Festspielhauses Baden-Baden. Bereits nach ein paar Monaten mussten Sie wegen der aktuellen Lage viele Veranstaltungen absagen und das Haus schließen. Wie sind Sie und Ihr Team mit dieser außergewöhnlichen Situation umgegangen? 


(Benedikt Stampa/BS): In der Tat haben die letzten paar Monate unglaublich viel Energie gekostet. Man ist zum Krisenmanager und gleichzeitig zum Geschäftsmann geworden. Der Intendant musste sich nach hinten zurückziehen und der Manager muss den Posten an der Front übernehmen. Das war besonders schwierig, weil es meine erste Saison war und wir ein fantastisches erstes halbes Jahr hatten, wirtschaftlich wie auch stimmungsmäßig. Wir waren sehr zufrieden. Mit Künstlern wie beispielsweise Teodor Currentzis war das ein guter Neustart. Dann ist alles zusammengebrochen und damit auch die Stimmung. Es ist eine große Herausforderung, sich da wieder herauszuarbeiten und die Zuversicht zu verbreiten, dass wir wieder auf eine einigermaßen wirtschaftlich solide Basis zurückfinden werden. Gleichzeitig darf man in einer solchen Zeit nicht vergessen, den Fokus wieder auf die Kunst zu richten.

Es war 2-3 Wochen vor den Osterfestspielen und die Bühnenproben hatten schon stattgefunden. Die Berliner Philharmoniker wollten gerade anreisen und Kirill Petrenko war schon in der Stadt und hatte die Klavierproben geleitet. Auch Mateja Koleznik war für ihre Inszenierung anwesend. Das Bühnenbild stand und die Erwartungshaltung für die ersten Osterfestspiele mit Petrenko war riesig. Es ist mein erstes Jahr als Intendant.

Die erste Opernproduktion von Frau Koleznik, die Berliner Philharmoniker und Petrenko, alles waren Premieren und mit viel Vorfreude verbunden. Die Erwartungshaltung war bis in alle Ritzen zu spüren und die Vorstellungen waren schon Wochen vorher ausverkauft. Und dann kam die Weisung, dass Großveranstaltungen nicht mehr erlaubt seien, Wir mussten das Konzert der Wiener Philharmoniker mit Andris Nelsons absagen. Es herrschte keine eigentliche Panik, eher eine Art Trance. Dann mussten wir überlegen, was sagen wir ab und wie soll dies alles bewältigt werden. Je mehr uns die Folgen der Umstände bewusst wurden, umso mehr erkannten wir auch das Ausmaß des Kollateralschadens. Es war, wie wenn man eine ganz schwere Krankheit hat: anfangs will man es nicht wahrhaben, dann beginnt man zu kämpfen und geht Schritt für Schritt weiter.

(OM): Das ist ein guter Vergleich. Mit sorgfältiger Planung wähnte man sich ja stets in Sicherheit, dass die Aufführungen stattfinden werden. Nun haben wir eine Situation, welche wir alle noch nie so erlebt haben. Aber gerade in der ersten Saison will man doch besonders gerne zeigen, was alles man vorbereitet hat.

(BS): Gewiss auch deshalb, aber auch, weil die Pfingstfestspiele neu konzipiert und viele neue Impulse gesetzt wurden. So die Zusammenarbeit mit Currentzis oder die Gastspiele des Met-Orchesters, welche geplant waren. In den USA ist die Situation inzwischen besonders prekär und gefährdet in hohem Masse auch die Kulturbranche. Dieses Problem wird uns noch lange beschäftigen.

Festspielhaus Baden-Baden
Festspielhaus Baden-Baden / Foto @ Festspielhaus Baden-Baden

(OM): Die neue Saison beginnt in diesen Tagen unter ganz neuen Bedingungen. Sie müssen ja stets bangen, dass nichts Unerwartetes geschieht.

(BS): Dazu kann ich sagen, dass wir in der Zwischenzeit sowohl hier in Baden-Baden, aber auch anderswo in Europa und überall in der Welt, Erfahrungen mit dem Virus sammeln konnten. Außerdem stehe ich in regem Austausch mit meinen Kollegen. Es fanden etliche Besprechungen unter Intendanten, Agenten und Festivalveranstaltern statt, welche ich angeregt habe. Da wurden auch Fragen betreffend die Verträge für die kommenden Jahre diskutiert.

In dieser außerordentlichen Zeit müssen wir alle zusammenstehen und darüber gab es viele ernsthafte Diskussionen. Hier geht es in erster Linie um die Künstler und im Hintergrund ist ja die Pandemie, deren Entwicklung noch schwer abzuschätzen ist. Wir sind sehr glücklich, mit John Neumeier einen außerordentlichen Künstler zu haben, welcher sich bereit erklärt hat, sein neues Stück „Ghost Light“ der neuen Lage anzupassen. Wir zeigten dieses Ballett zur Saisoneröffnung,. Hier bekommt das Thema Corona im Theater ein Gesicht. Wie er es verstand, dieses Stück den Umständen anzupassen, ist genial und beweist, was für ein Meister seines Fachs John Neumeier ist. Dass wir dieses Werk in Baden-Baden zeigen konnten erfüllt mich wieder mit Hoffnung.

(OM): Man spürt jetzt besonders stark, dass alle wieder arbeiten und für das Publikum da sein wollen. Wie waren die Reaktionen des Publikums als Sie die ersten Vorstellungen publizierten.

(BS): Dazu kann man sagen, dass die klassische Musik, die Oper das Theater, ein sehr treues Publikum hat. Man ist von Innen getrieben, man will die Künstler in intimerem Rahmen erleben und sich auch auf die Handlung konzentrieren. Hier spielt die Nähe zum „Produkt“ eine wichtige Rolle und es entsteht eine Bindung an das Haus. Bei der Popmusik, handelt es sich stets um Großanlässe, wo das Publikum viel weiter vom Geschehen auf der Bühne entfernt ist und wo eine solche Intimität gar nicht gefragt ist. Vielleicht noch in den Clubs – und wir sehen, wie schwer es den Menschen fällt, um diese Orte einen Bogen zu machen.

Wir dürfen uns nicht vormachen, dass alles bald überstanden sei und dann gleich wieder normal gearbeitet werden könne. Wir müssen wieder die tiefe der Werte ausloten. Ich sag es mal provokant: weg von der Eventkultur zurück zum vertieften Verständnis der Kunst. Insofern bietet Corona auch eine Chance, sich wieder auf das Wesentliche zu besinnen. Dazu gehören auch die neuen Bedingungen auf der Bühne und auch im Orchester. Vor kurzen habe ich diesen Moment der Magie des Theaters erlebt, als in einem Schulprojekt bei uns mit einfachsten Mitteln die Bühne zum Leben erweckt wurde. Es war ein Schattentheater. Corona ermöglicht uns, auch neue Sichtweisen zu erkennen.

(OM): Alles soll immer noch grösser und spektakulärer werden und nun werden wir durch die Umstände gezwungen, ein anderes Mass zu finden. Was sagen Sie dazu?

Benedikt Stampa / Foto @ Christian Grund

(BS): Ich habe schon vor Jahren gewarnt, dass sich der Klassikmarkt überhitzt. Dass dieser Starkult keine Grenzen mehr kennt und vom Besucher erwartet wird, dass er sich ein teures Ticket leisten kann. Da erwartet man etwas Bombastisches, aber die Ursprünglichkeit geht dabei leider verloren. Es ist doch gerade der Kontakt zwischen dem Künstler und dem Publikum, welcher den göttlichen Funken der Musik auslöst. Dies gilt in besonderem Maße für die vielen Festivals. Selbst die ganz großen müssen ihre Existenzgrundlage hinterfragen. Auch der Reisetourismus der Orchester wird sich den neuen Umständen anpassen müssen.

Die Festspielhäuser müssen immer kurzfristiger planen, als die Opernhäuser und Theater. Wir als Festspielhaus müssen viel mehr überlegen, in was für einen Zusammenhang wir unsere Veranstaltungen bringen. So beispielsweise, die Frage, was ist Baden-Baden für ein Ort? Findet es nur hier statt, weil es hier ein Festspielhaus gibt? Nein, es findet hier statt, weil Baden-Baden seit jeher einer der bedeutendsten kulturellen Orte Europas ist.

(OM): Wenn ich nach Baden-Baden fahre, werde ich oft gefragt, was es denn dort außer dem Festspielhaus gibt. Dann mache ich immer auf die reiche Geschichte aufmerksam und die vielfältige Architektur dieser Stadt. Was finden Sie hier besonders eindrücklich?

(BS): Ich bin ein Architekturliebhaber und habe mir die alten Pläne der Stadt zeigen lassen. Baden-Baden war als demokratischer Kurort geplant. Man wollte nicht einen Kurort um einen Heilbrunnen herum bauen, sondern um die große Wiese, wo sich die Menschen treffen. Es wurde gebaut, um sich zu unterhalten, sich zu erholen und zu genießen. Deshalb wurde diese Stadt auch von so vielen bedeutenden Künstlern besucht und als Wohnort ausgewählt. Man trifft sich nicht nur zum Kuren, sondern auch um die Sinne und die Seele generell zu stärken. Darum ist Baden-Baden einer der kulturell führendsten und ruhmreichsten Orte in Deutschland geworden. Gerade hier ist der Ansatzpunkt für die Planung der kommenden Zeit. Wir müssen ja das ganze Programm nochmals neu überarbeiten. Im Bewusstsein der Bedeutung der Stadt können wir wieder eine ganz andere Geschichte erzählen. Deshalb hat Baden-Baden für mich auch so eine Magie. Die Geschichte reicht bis ganz weit zurück und sie ist kaum erzählt.

Wenn ich dann meine Dirigentenfreunde und Künstler durch die Stadt begleite und die vielen historischen Plätze besuche, dann spüren auch sie den hier vorhandenen Geist, der über allem schwebt. Man muss die einzelnen Geschichten und Ereignisse nur aus dem Dornröschenschlaf aufwecken und wieder ins Bewusstsein zurückführen. Hier fand in den Salons ein europäisch bedeutender politischer und kultureller Austausch statt. Im 20. Jahrhundert verlor dies allerdings an Bedeutung. Aber man kann es immer noch an den Villen, den Straßenschildern und vielen Gedenktafeln erkennen. All das wollen wir in den kommenden Spielplänen wiederaufleben lassen und in speziellen Projekten verwirklichen. Corona wird uns alle weiter beschäftigen. Es geht darum, Kunst und Publikum miteinander zu verbinden. Wir müssen unser langjähriges Publikum bedienen, aber auch für die kommenden Generationen planen. Was heißt das? Wie kombinieren wir Konzert, Information und Bildung. Es gibt ja viele Festivals und die haben alle Ihren fixen Ablauf und da kommt selten etwas Neues.

(OM): Man muss die nächste Generation abholen und sie mit besonderen Anreizen zu den Werken hinführen. Wie wollen Sie dies schaffen?

(BS): Klassische Werke sind ja mehr, als nur Musik und dies muss neu definiert werden. Es wird gerade in der jetzigen Zeit einen großen Wandel geben. Es wird ein Fokussierungseffekt eintreten, sei es auf der politischen Seite oder bei den Privatunterstützern. Wir stehen unter einem erheblichen Rechtfertigungsdruck.

(OM): Wie gehen Sie mit der Situation um, dass alles sehr unsicher ist und man kurzfristig seine Pläne ändern muss. Haben Sie ein Notfallszenario oder muss dann einfach abgesagt werden?

(BS): Bei uns ist es so: Wir haben einen Spielplan bis Ende Dezember veröffentlicht und jetzt folgt der nächste Schritt. Wir haben da auch volatile Stellen im Spielplan, die zwar bis heute zugesagt sind, aber sich immer wieder ändern könnten. Das wichtigste ist die klare Kommunikation mit dem Publikum. Die kommenden Veranstaltungen sollten eigentlich nach jetzigem Stand durchführbar sein. Einzig bei Solisten aus Ländern mit erschwerten Reisebedingungen könnte es noch Änderungen geben. Man muss lernen, damit zu leben. Es gibt aber auch immer wieder spontane Anlässe.

(OM): Die Ausfälle schlagen sich natürlich im Budget eines nicht subventionierten Hauses besonders hart nieder. Man ist also auf die treuen Gönner, Sponsoren und den Freundeskreis angewiesen. Was bedeutet diese Situation für das Festspielhaus Baden-Baden?

(BS): Anfänglich war es ein Schock, als noch keine Hilfe der öffentlichen Hand durch den Bund in Aussicht stand. Unsere Privat-Förderer sind das Rückgrat des Projekts – aber diese Ausfälle können sie nicht auch noch allein schultern. Uns war klar, dass wir ohne Unterstützung dieses Haus nicht öffnen können. Weil aber das Land Baden-Württemberg so schnell und unkompliziert reagiert hat und uns einen einmaligen Zuschuss gewährt hat, der uns das Jahr rettet, war diese Gefahr vorerst einmal gebannt. Selbstverständlich verbunden mit der Auflage, dass gespart und trotzdem gespielt wird. Wir haben einen Spielplan erarbeitet, mit welchem wir glänzen und trotzdem die Sparvorgaben erfüllen können. Das Jahr 2021 wird das entscheidende Jahr sein, weil dann die Landesmittel in dieser Form nicht mehr fließen werden. Die Botschaft lautet: Wir müssen uns sehr gut überlegen, in welcher Größenordnung wir wieder aufbauen werden. Die großen Projekte laufen immer, aber man muss sich grundsätzlich fragen, was ist eigentlich ein Festival? Da glaube ich schon, dass wir in Baden-Baden eine sehr gute Chance haben; denn da haben wir einen ganz tollen Förderkreis und ein sehr treues Publikum und eine Stiftung im Hintergrund, welche alle zusammen unsere Pläne mittragen. Wir haben aber auch den unbedingten Willen, unseren Gründungsvätern dieses Haus zu erhalten. Auch haben wir die Verpflichtung, mit den Mitteln sparsam und effizient umzugehen. Hier liegt ein großer Teil der Herausforderung.

Festspielhaus Baden-Baden / Foto @ Christian Grund

Als privat unterhaltenes Haus sind wir die ersten, die von dieser Situation betroffen sind. Häuser mit regelmäßigen Subventionen werden das erst etwas später spüren und viele dürften wohl erst im Laufe der Zeit die großen Auswirkungen zu spüren bekommen. Wir in Baden-Baden reagierten sehr schnell, um einen guten Schutzschild aufzubauen. Wir müssen uns dieser Situation stellen. Es ist klar: Corona verändert uns alle. Corona ist eine Metapher, es ist eine Weltwirtschaftskrise. Eines der größten Festivals mit einem der größten Etats in einer der kleinsten Städte Europas muss sich neu aufstellen. Vielleicht können wir ein Vorbild werden, denn wenn wir es nicht schaffen, werden es gewiss viele andere auch nicht.

(OM): Jetzt wurde ja die Immobilie Festspielhaus von der Stadt übernommen, was bringt dies für Veränderungen?

(BS): Die Immobilie gehört jetzt der Stadt Baden-Baden, aber der Betrieb ist nach wie vor privat und gemeinnützig organisiert. Diese Entscheidung hat nichts mit Corona zu tun, sondern war schon bei der Eröffnung vor über 20 Jahren so festgelegt. Es war schon immer so, dass die Stadt und das Land Geld für die Immobilie gegeben haben und es ist sehr wichtig, dass diese Zusammenarbeit weiterhin optimal klappt. Ohne dieses Modell könnten wir gar nicht weiter existieren. Dieses Zusammenwirken ist wichtig für uns und die Stadt. Wir sind in der Grenzregion. Wir üben eine Brückenfunktion aus. Wichtig ist auch, wir sind nicht einfach Kunstversorger, sondern ein Festspielhaus und definieren uns vor allem über die diversen Festspielwochen, welche wir anbieten. Dies muss noch mehr in den Vordergrund treten. Wir sind ja nicht nur regional, sondern international ausgerichtet, da wir dieses Haus nur mit der lokalen Kundschaft nicht füllen könnten.

(OM): Viele Künstler sind freischaffend und müssen nun um ihre Existenz bangen. Wie wurde bei Ihnen im Festspielhaus Baden-Baden diese Situation gelöst, als die vielen Absagen kamen? Es gab ja für diesen Fall keine Klauseln im Vertrag.

(BS):  Am Anfang haben wir uns alle schwergetan mit dieser Frage. Mit einigen Orchestern und Künstlern konnten wir relativ schnell und unkompliziert eine Vereinbarung treffen. Für die Osterfestspiele wurde schon sehr viel Geld investiert. Da mussten wir etliche Abschreiber für Bühnenbildner, Kostüme etc. machen. Für die Künstler, welche bereits gearbeitet haben, wurden Teilhonorare entrichtet. Da war viel Detailarbeit zu leisten und es hatten viele Gespräche stattgefunden. Wir wussten, dass wir als privates Haus nicht alle Honorare auszahlen können. Aber es gibt eben auch eine moralische Verpflichtung und wir dürfen heute sagen, dass wir mit allen freien Künstlern eine Lösung gefunden haben. Es war und ist mir ein besonderes Anliegen, den freien Mitarbeitern des Ensembles zu helfen, welche jetzt eine schwere Zeit mit vielen Ungewissheiten durchleben müssen. Für diese Künstler ist es sehr schwierig, an Hilfe heranzukommen. Man muss einen fast 60-seitigen Antrag ausfüllen. Diese Situation widerspiegelt aber auch den in unserer Gesellschaft herrschenden Stellenwert der Musiksparte.

In unserer Gesellschaft verbreitet sich leider mehr und mehr ein kollektives Vergessen der Breite der Musik. Da gibt es auf der einen Seite die Superstars, die auch jetzt nicht sonderlich leiden und die gewiss keine finanzielle Unterstützung brauchen. Aber es gibt auch die andere, weniger glamouröse Seite wie der Musikunterricht, oder die Kammermusik und alles, was nicht medial wirksam ist und diskutiert wird. Dazu gehören auch die vielen Berufsleute, ohne die Aufführungen gar nicht möglich wären. Durch die Anbetung und den überhöhten Stellenwert der Stars wurde vergessen, sich mit dem Kern stärker auseinanderzusetzen und so wurde dieser nicht mehr als gesellschaftlich relevant angesehen und vernachlässigt. Das spiegelt sich jetzt in den dringend notwendigen Unterstützungen für diese Leute wieder. Wenn wir nicht aufpassen, dass der wichtige Mittelbau des Gefüges genügend gestützt wird, werden wir diese Zeit nicht unbeschadet überstehen.

Es ist auch wichtig, dass wir die Jugend mehr einbinden können. Dies fängt mit dem Musikunterricht an, welcher früher angeregt werden sollte, aber heute leider vielfach durch die Eltern nicht genügend gefördert wird. Also wie kann ich dem Menschen auf der Straße, ohne überheblich zu wirken, klarmachen, dass ein Schostakowitsch oder ein Monteverdi-Zyklus wichtig ist?

Ich mache jetzt diese Arbeit schon seit 30 Jahren und seit dieser Zeit rede ich mit den Kollegen über Repertoireerweiterung. Das Repertoire endet meistens bei Bartok. Es liegt wie eine Glasglocke darüber, welche verhindert, dass auch der nachfolgenden Musik mehr Beachtung geschenkt wird. Mit Corona dürfte dieser Trend noch zunehmen. Entweder schaffen wir es, wieder die Beziehung zu den Werken herzustellen, oder wir werden nicht erfolgreich sein. Wir stehen vor einem rasanten Veränderungsprozess und ich bin bereit, mich dieser Herausforderung zu stellen. Somit sehe ich den Dingen zwar respektvoll, aber auch mit einem Lächeln entgegen. Das bedeutet, offen und gegenwartsbezogen zu arbeiten und nach neuen Wegen zu suchen, um diese Kunstform auch den jungen Menschen zugänglich zu machen. Das darf durchaus auch mal mit etwas ganz Ausgefallenem geschehen.

Marco Stücklin, 13.11.2020

Besonderer Dank an unsere Freunde und kooperationspartner bom OPERNMAGAZIN

 

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