Frankfurt: „La Gazetta“, Gioachino Rossini

Nachbericht von der Vorstellung am 4. Februar 2020

Eine glänzend servierte Petitesse

Gleich drei Rossini-Opern finden sich auf der Premierenliste der Oper Frankfurt in der laufenden Spielzeit. Nach dem fulminanten Saisonauftakt mit dem unterschätzten Otello und vor der Premiere von Bianca e Falliero im April im Großen Haus präsentierte man im Bockenheimer Depot als heiteres Intermezzo La gazetta, ein in Vergessenheit geratenes Lustspiel, welches Rossini zwischen den Erfolgen von Il Barbiere di Siviglia und La Cenerentola mit leichter Hand aus größtenteils bereits anderswo verwendetem Material zusammengestellt hatte. Die Handlung ist kaum der Rede wert: Ein neureicher Neapolitaner will seine Tochter per Heiratsannonce unter die Haube bringen. Diese ist aber bereits in festen Händen, was der Vater nicht weiß. Ein Interessent stellt sich ein. Nach einigen genretypischen Verwechslungen und Mißverständnissen löst sich alles im heiteren Finale auf.

Danylo Matviienko (Monsù Traversen), Statistin der Oper Frankfurt, Nina Tarandek (Madama La Rose) und Matthew Swensen (Alberto)

In Frankfurt präsentiert man diese Petitesse als schwungvolle Boulevard-Komödie. Dabei zeigt sich die außerordentliche Leistungsfähigkeit des Hauses am Main, denn man bestreitet die Produktion ausschließlich mit Bordmitteln. Die Besetzung kommt ohne Gastsänger aus, das Orchester wird vom hauseigenen Kapellmeister Simone Di Felice geleitet, die Inszenierung hat Caterina Panti Liberovici übernommen, die an der Oper Frankfurt seit vielen Jahren als Regieassistentin tätig ist. Und die Dame versteht ihr Handwerk. Die Szene hat sie in die 1920er Jahre verlegt. Kostümbildnerin Raphaela Rose hat hier aus dem Vollen schöpfen dürfen und beschwört gekonnt eine Atmosphäre von Great Gatsby bis Babylon Berlin herauf. Das Bühnenbild von Sergio Mariotti zaubert mit wenigen flexibel verschiebbaren Kulissen die verschiedenen Spielorte herbei. Dabei nimmt er Bauelemente des Bockenheimer Depots wie die typisch geformten Eisenpfeiler und Beleuchtungskörper als charmante Liebeserklärung an den Aufführungsort in das Bühnenbild auf. Die gelungene 20er-Jahre-Atmosphäre nutzt die Regisseurin zu Reminiszenzen an berühmte Filmvorbilder. Wenn etwa Mitglieder des Chores als Mafiosi auftreten, die in Instrumentenkoffern ganz sicher keine Geigen und Celli transportieren, dann läßt Billy Wilder von Ferne grüßen (Some like it hot). Und in der Manier des Regie-Altmeisters gelingt es Caterina Panti Liberovici, mit einem sicheren Gespür für Timing eine temporeiche Komödie zu servieren, deren Humor nie in Plattheiten abrutscht.

Martin Georgi (Passepartout; links mit Flasche) und Sebastian Geyer (Don Pomponio Storione)

Ein besonders gelungenes Detail ist der Einsatz von Martin Georgi als Passepartout. Dem Frankfurter Publikum ist Georgi als Statist aus unzähligen Produktionen wohl vertraut. Hier taucht er in jeder Szene in neuer Verkleidung auf: Mal als Nonne, dann als Kellner, besonders komisch als Stubenmädchen. Immer präsentiert er ein würdevoll-ernstes Buster-Keaton-Gesicht und gibt mit seinen stummen Auftritten als lebendiger Running-Gag den Szenen eine besondere Würze.

Mit liebevoller Hingabe präsentieren auch die Musiker dieses Nebenwerk und lassen es im besten Licht erstrahlen. Dadurch, daß das Bockenheimer Depot über keinen Orchestergraben verfügt, hat man einen direkten Blick auf die Instrumentalisten. Dabei kann man sehen, welches Vergnügen ihnen diese Musik bereitet. Oft umspielt die Mienen ein sanftes Lächeln. Aufmerksam hören sie einander zu. Es bereitet Freude, zu sehen, daß auch die Kollegen die gelungenen Instrumentalsoli etwa der Klarinettistin sichtlich genießen. Insgesamt besticht der Orchesterklang zugleich durch Wärme und Lebendigkeit.

Elizabeth Sutphen (Lisetta) und das Vokalensemble

Bei der Sängerbesetzung prunkt die Oper Frankfurt einmal mehr mit der außerordentlichen Qualität des hauseigenen Ensembles. Sebastian Geyer genießt den großen Auftritt in der Buffo-Rolle des Don Pomponio, den er mit seinem kernigen Bariton markant zeichnet. Elisabeth Sutphen, bis vor kurzem noch Mitglied des Opernstudios, brilliert mit glockenhellem Sopran in der weiblichen Hauptrolle seiner Tochter Lisetta. Für ihren Liebhaber Filippo bringt Mikołaj Trąbka einen derart saftigen Bariton ein, daß er damit locker weitaus größere Räume füllen könnte. Die Intimität des Aufführungsorts kommt dagegen Matthew Swensen als Alberto zugute. Sein feiner, heller Tenor bewältigt technisch tadellos auch vertracktere Koloraturanforderungen und kann sich, anders als auf der Bühne des Großen Hauses, stets gut gegen das kammermusikalisch begleitende Orchester durchsetzen. In der ihm zugeordneten Sopranpartie der Doralice steht Angela Vallone der Primadonna Sutphen in nichts nach.

Nina Tarandek (Madama La Rose), Danylo Matviienko (Monsù Traversen), Martin Georgi (Passepartout) und Franz Mayer (Anselmo)

Nina Tarandek hat als Madame La Rose zwar im Wesentlichen nur eine größere Arie zu singen. Diese aber präsentiert sie mit ihrem attraktiven, samtigen und höhensicheren Mezzo als Delikatesse. Für die kleine Rolle des Anselmo hat die Oper Frankfurt Franz Mayer reaktiviert, dem man seinen Ruhestand zwar gönnt, dessen volltönender Baßbariton aber immer noch manch jüngeren Kollegen blaß aussehen läßt. In der Partie des Monsu Traversen schließlich gewinnt man einen kurzen Eindruck vom jugendlich-kernigen Baritonmaterial des Opernstudio-Mitglieds Danylo Matviienko, der neugierig auf größere Rollen macht.

So fügt sich die vorzügliche musikalische Qualität zu der gelungenen Inszenierung und bringt ein Stück aus dem Randrepertoire zum Glänzen.

Michael Demel, 1. März 2020

Bilder: Barbara Aumüller