Wiesbaden, Konzert: „Kölner Kammerorchester“ mit Beethoven

Beethovens Klavierkonzerte im feurigen Schwung und nervigem Gebimmel. Nach einem umjubelten Gastspiel mit Beethovens Klavierkonzerten eins und fünf kam es zu einem Wiedersehen in Wiesbaden mit dem Pianisten Fabian Müller und dem Kölner Kammerorchester. Auf dem Programm standen nun die übrigen Klavierkonzerte zwei bis vier mit Müller als Pianist und Dirigent des Kölner Kammerorchesters. Der Bonner Fabian Müller, international gepriesen und intensiv nachgefragt, ist mit dem Werk Beethovens eng verbunden. Immer wieder führt er dessen genialische Meisterwerke auf, zuweilen wie an diesem Abend in Wiesbaden, auch in Doppelfunktion als Dirigent und Pianist. Inzwischen gibt der junge Fabian Müller bereits sein Wissen an die nächste Generation weiter. Er ist Professor an der Musikhochschule Köln. Fabian Müller jetzt also in Doppelfunktion und gleich mit drei Klavierkonzerten. Mit unermüdlicher Ausdauer und größter Begeisterung bescherte Müller mit dem hingebungsvollen Kölner Kammerorchester ein musikalisches Fest.

(c) Ansgar Klostermann

Erste Entwürfe zum zweiten Klavierkonzert B-Dur op. 19 reichen bis ins Jahr 1787, als Mozart noch lebte, zurück. Erst1798 erfolgte die Uraufführung der neuesten Fassung mit Beethoven am Klavier. Mit punktierten Orchesterakkorden beginnt das Eröffnungsmotiv, welches mit verschiedenen lyrischen Themen kontrastiert wird. Der Mittelsatz des Konzerts, ein Adagio, wirkt durch die Streicher choralartig. Weitgespannte kantable Melodiebögen werden vom Klavier formuliert und kunstvoll ausgeschmückt. Im Finale dominiert musikalischer Witz im tänzerischen Rondo. Mozart und Haydn zeigen ihren Einfluss. Aber Beethoven bleibt hier nicht im geschönten Klang stecken, sondern konterkariert diesen mit rhythmischer Verve und folkloristisch anmutenden Einsprengseln.

Fabian Müller begann dieses betont lyrische Konzert mit außergewöhnlich energischem Zugriff. Die Musik stürmte und drängte. Es war eine der vielen Überraschungen dieses viel umjubelten Abends, wie gut und klar hier vor allem auch der Dirigent Fabian Müller zu erleben war. Mustergültig in der Gestaltung, permanent im Feuer stehend, trieb er sein hinreißend mitgehendes Kölner Kammerorchester an, es ihm gleichzutun. Zu erleben war eine Lehrstunde des musikalischen Dialoges. Stilistisch musizierte Müller betont kantabel und licht. Die Dynamik war bestens ausbalanciert. Hier und da wurde mit verstecktem Witz musiziert. Frei in der Agogik und stets hingerissen von der musikalischen Kraft des Genies Beethovens, war Fabian Müller sein perfekter musikalischer Treuhänder.

(c) Ansgar Klostermann

Am 5. April 1803 war es so weit, Beethovens drittes Klavierkonzert begegnete der Öffentlichkeit. Die Uraufführung war ein rauschender Erfolg. So viel Pauke im Wechselspiel mit dem Klavier wie im finalen Satz, nun, das wirkte ungemein kühn. Die Begeisterung war groß. In c-moll beginnt dieses Werk und lässt im ersten Satz dem Klavier virtuosen Raum durch über drei Oktaven zu präludieren. Welch ein Kontrast dann dazu im so einfühlsamen langsamen Satz, in welchem das Klavier so deutlich im Zentrum steht. Dann beginnt ein Dialog mit den Holzbläsern. Flöte und Fagott sind hier intensive Spielpartner. Mitreißend im Schwung und den schroffen Elementen ist das finale Rondo mit einer pointierten Coda, die das Konzert dann mit einem flotten Prestoteil beendet.

Im größten Kontrast erklang jetzt dieses dritte Klavierkonzert: schroff, vital und unwiderstehlich zupackend. Mit immenser Kraft und stupender Virtuosität gab Fabian Müller diesem so ungewöhnlichen Konzert eine ganz eigene Note. Wunderbar dann seine Innerlichkeit im Spiel, das feine Schattieren im Anschlag, ein immenser Genuss. Mitreißend im tänzerischen Duktus, mit herrlich herausgestellten Sforzati, mit den dominanten Einwürfen der Trompeten und der knalligen Pauke. Dass dieser Vortrag so stark in der Wirkung geriet, war ein kleines Wunder. Denn im ersten Satz bimmelte ohne Unterlass der Wecker eines Smartphones, gefühlt zehn Minuten lang. Das Publikum war irritiert, dennoch erstaunlich gefasst. Der Saboteur war nicht feststellbar und oh Wunder, mit dem Schlussakkord des ersten Satzes endete dieses Stör Malheur.

Auch hier wieder ein Hinweis an den Veranstalter: das Benehmen des heutigen Publikums wird zunehmend rüpelhaft. Der oft ausgekotzt klingende Hustenanfall ist heute kaum mehr wegzudenken, ebenso temporäres Telefon-Geklingel. Eine Ansage vor dem Konzertbeginn kann hier deutlicher wirken als der nett gemeinte Hinweis im Programmheft!

Am 22. Dezember 1808 erlebten die Zuhörer der Uraufführung des vierten Klavierkonzertes, dessen einzigartigen Beginn. Ein lyrisches und ungemein zartes Solo des Klaviers mit dem Hauptthema eröffnet das Werk. Was dann folgt, ist eine immense Spielfläche für pianistische Virtuosität und einer mächtigen Kadenz. Beethoven sah hierfür sogar zwei Varianten vor. Im Mittelpunkt dieses so besonderen Konzertes steht sicherlich dessen mittlerer Satz. Ein intensiver Dialog, durchaus mit theatralischen Elementen versehen. Es braucht etwas Zeit, bis das Klavier sich gegen die spröden Streicher behauptet. Am Ende zieht sich das Orchester schweigend zurück. Es bleiben sinnierende Klänge des Tasteninstrumentes im Raum. Wurde hier das Orchester zurückhaltend eingesetzt, so kehrt es nun in voller Besetzung zurück. Pracht und edle klangliche Ausgestaltung lassen dieses Konzert festlich ausklingen.

Das vierte Klavierkonzert ist Müllers erklärtes Lieblingskonzert und so spielte er es auch. Lange wartete er, bis er die zauberhaften Eingangsakkorde zum Erklingen brachte. Und sofort entstand eine unendliche Magie dieses Meisterwerks, welches an diesem Abend unvergesslich vorgetragen wurde. Unglaublich weich flossen die vielen Arpeggios dahin. Feinst abgestuft erklangen die vielfältig zum Einsatz kommenden Triller. Natürlich war auch hier und gerade in diesem Konzert der langsame Satz Poesie in klanglicher Reinkultur. Ein Dialog zwischen Herz und Seele in allen Facetten. Überschwang und pure Lebensfreude wurde von Fabian Müller und dem Kölner Kammerorchester kongenial getroffen und mitreißend musiziert. Das Wunder des Giganten Beethoven war einmal mehr ergreifend zu bestaunen. Fabian Müller versteht wie wenige Musiker seiner Zunft sehr genau, wie der Charakter der Musik Beethovens vorgetragen werden muss. Genauso wie an diesem Abend in Wiesbaden.

Großen Anteil an dem musikalischen Gelingen hatte das Kölner Kammerorchester. Herrlich transparent in der Tongebung, hochdifferenziert in der aufmerksamen Begleitung und sehr charakteristisch in den Kontrasten, war es der perfekte Partner, um die Intentionen von Fabian Müller umzusetzen. Dankbarer, langanhaltender Jubel. Jubel

Dirk Schauß, 27. März 2023


Wiesbaden

Kurhaus

Klavierkonzerte zwei bis vier

Fabian Müller

Kölner Kammerorchester.