DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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PAAVO JÄRVI

PAAVO JÄRVI im Gespräch

 

DS:

Wie ist es für Sie, wieder in Frankfurt zu sein? Wie erleben Sie Ihr ehemaliges Orchester heute?

PJ:

Das hr-Sinfonieorchester ist in einem hervorragenden Zustand. Obwohl ich seit einigen Jahren nicht mehr hier war, so gibt es keinerlei Gefühl der Fremde. Im Gegenteil. Wir haben eine gute Zeit.

DS:

Es ist schon ein besonderer Monat für Sie. Mit vier sehr unterschiedlichen Orchestern musizieren Sie die 7. Sinfonie von Sibelius und die 8. Sinfonie von Beethoven. Bei zwei dieser Orchester waren Sie Chef. Zunächst ging es los mit dem Orchestre de Paris, dann das Philharmonia Orchestra, in dieser Woche das hr-Sinfonieorchester und danach die Berliner Philharmoniker. Jedes Orchester hat seine eigene Persönlichkeit und individuellen Klang. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen? Probieren Sie mit jedem Orchester neue Aspekte aus? Oder bleibt die Interpretation ähnlich?

PJ:

Es ist nicht ungewöhnlich für mich, in einem Monat unterschiedliche Orchester zu dirigieren. Aber ich kann mich nicht erinnern, bewusst einmal die Situation herbeigeführt zu haben, die gleichen Stücke mit mehreren Orchestern in kurzer Zeit einzustudieren. Natürlich frage ich mich vorab, welches Repertoire wirklich wichtig für mich ist.

Ich kenne sehr viele Werke und es ist immer spannend, neue Stücke zu lernen und neuen Komponisten zu begegnen, wie z.B. Hans Rott oder Franz Schmidt. Irgendwann bin ich aber auch an einem Punkt angelangt, an welchem ich mich dann wieder reduziere, was das Repertoire betrifft. Und natürlich ist eine zentrale Frage dabei, wie gut ich etwas machen will.

Nun mit diesen beiden Sinfonien und den unterschiedlichen Orchestern ist es so, dass ich in jede Probe mit einer anderen Haltung gehe. Ich lebe immer auf der Basis der letzten Aufführung. Gestern musizierte ich die Werke mit dem Philharmonia Orchestra in London. Manchmal hilft es mir, noch mehr, noch tiefer in die Werke zu gelangen, zumal jedes Orchester seinen eigenen Ausdruck hat.

 

DS:

Jedes Orchester hat seinen eigenen Klang, seine eigene Persönlichkeit. Überlegen Sie vorab, was Sie mit dem jeweiligen Klangkörper ausprobieren?

PJ:

Ja, natürlich. Ich starte nicht sogleich mit der Probenarbeit, sondern höre, was die Orchester anbieten. Jedes Orchester hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Realität. Davon mache ich mir zunächst ein aktuelles Bild. Und dann kommt hinzu, manchmal sind sich die Musiker dessen nicht bewusst, dass ich von ihnen lerne. Sie agieren intuitiv und spontan, so dass sich hier oftmals interessante Lösungen ergeben. Mir gefällt das gut, denn es ist leicht, zu beharren oder sich an Gedanken zu fest zu machen. Ich bevorzuge eine organische Entwicklung aus dem musikalischen Erleben. Zu viel Intellekt ist nicht hilfreich.

Und natürlich ist es eine spannende Aufgabe, diese beiden Sinfonien zu machen, die einerseits bekannt sind und doch eher wenig gespielt werden.

Schauen Sie, die 8. Sinfonie von Beethoven ist jene, die am wenigsten gespielt wird. Und die 7. Sinfonie von Sibelius wird so gut wie nie in Deutschland gespielt.

DS:

Sibelius steht Ihnen sehr nahe. Als ehemaliger Chefdirigent des Orchestre de Paris waren Sie der erste Dirigent, der mit ihnen erstmals alle Sinfonien von Sibelius für die CD einspielte. Es ist somit die einzige Gesamtaufnahme mit einem französischen Orchester. Seine 7. Sinfonie ist außergewöhnlich und war zunächst als „Symphonische Fantasie“ konzipiert, dann wieder viersätzig und schließlich in der finalen einsätzigen Version. Wie erleben Sie seine 7. Sinfonie? Obwohl sie nur etwas über 20 Minuten Spielzeit aufweist, wirkt das Hörerlebnis viel länger, so reich sind die Einfälle.

PJ:

Absolut richtig. Sie fühlt sich niemals zu kurz an. Sie haben vollkommen recht. Es ist eine perfekte Essenz, ohne jegliche unnötige Beigaben. Dabei ist es eine sehr komplizierte Sinfonie, vor allem für ein Orchester. Jederzeit kann etwas schief gehen, die Komposition ist äußerst diffizil. Egal, wie kurz oder lang eine Sinfonie von Sibelius auch sein mag, sie fühlt sie niemals leer an. Es ist stets ein hoch konzentrierter Extrakt an tiefer Aussage enthalten. Bei diesem Werk ist es wie ein letztes Bekenntnis eines großen Meisters.

DS:

Diese 7. Sinfonie hat so ein besonderes Finale. Pure Magie in Klängen, aufgelöst in ein befreiendes C-Dur. Für mich klingt das wie ein musikalisches „Amen“.

PJ:

Oh ja, es ist ein „Amen“, da wurde es etwas vollbracht, ein großes, letztes Ausatmen. Und so lässt sich für mich auch begreifen, warum es für Sibelius kaum möglich war, danach noch weiter zu komponieren.

Sie ist und bleibt eine meiner allerliebsten Sinfonien. Es ist manchmal schwierig, in verschiedenen Ländern die Akzeptanz für die Bedeutung dieses Werkes zu erfahren, leider auch in Deutschland. Adorno war bedauerlicherweise kein Freund von Sibelius. Auch Liebermann in Frankreich hatte eine schlechte Meinung von ihm. Daher haben viele Generationen von Musikern einen Bogen um diesen Komponisten gemacht.

Große Dirigenten hingegen haben viel für Sibelius getan. Herbert von Karajan war ein hervorragender Interpret seiner Werke, ebenso Kurt Sanderling, der fantastisch war. Und natürlich auch Leonard Bernstein, Ormandy, Stokowski, Beecham, sie alle waren große Interpreten!

DS:

Ebenso Paavo Berglund!

PJ:

Er war mein Pate! Mein Vorname ist eine Referenz an ihn. Er stand unserer Familie sehr nahe.

DS:

Berglund hat sich sein ganzes Leben mit Sibelius beschäftigt und drei Mal alle Sinfonien aufgenommen.

PJ:

Er war absolut hingegeben an diesen Komponisten. Ich erinnere mich an eine Begegnung auf einem Flughafen mit ihm. Da zog er aus seiner Aktentasche eine Partitur von Sibelius heraus und las darin. Da war er bereits über 70 Jahre alt. Sein ganzes Leben studierte er diesen Komponisten. Ganz erstaunlich!

DS:

In Frankfurt spielen Sie dann eine Komposition Ihres Landsmannes Jüri Reinvere. Was hat es damit auf sich?

PJ:

Er ist ein wundervoller Komponist. Er lebt in Frankfurt. Bei ihm handelt es sich um eine andere Stimme der zeitgenössischen Musik aus Estland. Normalerweise ist diese Musik sehr stark beeinflusst von Paert oder Tubin. Gerade Paert hat viele junge estnische Komponisten maßgeblich inspiriert. Reinveres Musik ist opernhafter, nicht so spirituell, eher visuell im Klang. Dazu ist er ein hervorragender Orchestrator, der sehr gut mit den Instrumentalfarben umzugehen weiß. Es wurde für mich und mein Estonian Festival Orchestra geschrieben. Es ist für ein sehr großes Orchester mit sehr viel Schlagzeug. Reinvere schafft damit eine beeindruckende, kraftvolle Klangquelle.

DS:

Ist es einfach, Reinveres Musik zu folgen?

PJ:

Oh ja. Es ist keine „Kopfmusik“, sie ist und erklingt ganz unmittelbar.

DS:

Und schließlich die 8. Sinfonie von Beethoven. Wie hat sich Ihr Interpretationsansatz weiterentwickelt?

PJ:

Ich habe das große Glück, mich sehr intensiv mit verschiedenen Komponisten zu beschäftigen. Und als Leiter der Kammerphilharmonie Bremen kommt hinzu, dass es ein reines Projektorchester ist. So können wir uns besonders ausführlich einzelnen Komponisten widmen. Und wir haben immer wieder die Beethoven Sinfonien erarbeitet, viele Zyklen gespielt, bevor wir alle Sinfonien aufnahmen. Wir konnten in viel engeren Zeiträumen alle Sinfonien befragen. Und das war und ist besonders. Mit einem üblichen Sinfonieorchester verteilt sich ein Beethoven Zyklus oftmals über mehrere Spielzeiten.

Hinzu kommt im Falle der 8. Sinfonie, dass diese immer ein wenig am Rande steht. Diese Sinfonie erfordert viel Zeit in der Erarbeitung. Und natürlich hat sich mein Blick darauf permanent weiterentwickelt. Auch hier schätze ich die unterschiedlichen Herangehensweisen der jeweiligen Orchester. Manchmal ändert sich meine Meinung auf der Grundlage dessen, was ein Orchester anbietet. Bei der Kammerphilharmonie in Bremen handelt es sich um ein großes Kammerorchester mit der Mentalität von Kammermusikern, gleichzeitig stets darauf achtend, die jeweilige Musik aus dem Blickwinkel der Entstehungszeit zu interpretieren.

Die 8. Sinfonie ist ein großer Witz, bereits von der ersten Note. Beethoven spielt hier permanent mit Überraschungen und hat daran große Freude, ebenso an der Übertreibung. All das sollte herausgearbeitet werden, damit der Witz erlebt und verstanden werden kann. Es ist ein geniales Werk mit seinem absurden Humor und zum Teil abenteuerlichen Harmonieverläufen. Ein Zeitgenosse Beethovens meinte einmal sinngemäß, dass diese 8. Sinfonie eine Art musikalisches Selbstportrait von Beethoven sei. Lustig, manchmal grausam, ungehobelt.

DS:

Und dabei ist sie voller Lebensfreude!

PJ:

Genau! Voller Charme und Begeisterung, dabei niemals flach in der musikalischen Aussage. Ich liebe dieses Werk, wenn es auch schwer zu interpretieren ist, vor allem wenn ein Orchester keinen Humor hat. Es ist ein großes Glück, dass dies beim hr-Sinfonieorchester nicht der Fall ist! Sie können und verstehen es sehr gut.

DS:

Dieses Jahr ist ein besonderes Jahr für Sie. So endet in diesem Jahr Ihre Zusammenarbeit mit dem NHK Sinfonieorchester als Chefdirigent. Es muss schwierig gewesen sein, denn in der Zeit der Pandemie konnten Sie nicht nach Japan reisen.

PJ:

Es war schwierig, weil wir verschiedene Projekte nicht realisieren konnten. Ich liebe dieses Orchester sehr und ich bin stolz darauf, dass wir doch schöne Ergebnisse erzielen konnten. Wir haben einige Aufnahmen, die noch vor der Veröffentlichung stehen, z.B. Messians Turangalila Sinfonie, die Alpensinfonie von Strauss, Bartoks Wunderbarer Mandarin.

Natürlich muss man seine Kräfte besonders gut einteilen, denn ein Körper kann nicht permanent dem Jetlag ausgesetzt werden.

 

DS:

Wenn ich mir Ihre bisherige Karriere anschaue, dann war Ihr zweites Zuhause das Flugzeug. Chef diverser Orchester zu sein: Bremen, Tokio und jetzt Zürich verlangt immense Kräfte. Dann kam die Pandemie und plötzlich müssen Sie runterfahren. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

PJ:

Das ist eine gute Frage. Als ich im Lockdown war, hatte ich nichts zu tun, und ich mochte das. Ich mochte es, keine Pläne zu haben, ebenso, dass ich keine Pläne machen musste, weil keiner sagen konnte, wie es weitergeht.

Natürlich fehlten mir meine Orchester. Ich war immer für zwei bis drei Orchester als Chef verantwortlich. Es ist leicht möglich, hier zu einer falschen Einschätzung zu gelangen. In meinem Fall ging es darum, dass ich nicht gerne Gastdirigent bin, der für wenige Tage kommt und dann wieder geht. Daher ist der Einfluss auf das musikalische Ergebnis eher begrenzt.

Als Musikdirektor eines Orchesters haben Sie viel größere Möglichkeiten, eine bessere Qualität zu erzielen. Ich benötige auch eine gute emotionale Verbindung mit den Orchestermitgliedern.

DS:

Hat die Lockdown Zeit bei Ihnen dazu geführt, dass Sie Musikwerke neu studiert haben?

PJ:

Nein. Ich bin nie zufrieden. Bei mir hört die Suche nach Verbesserung nie auf. Ich denke, es kann immer mehr sein. Je älter ich werde, desto weniger zufrieden bin ich. Ich habe viel darüber nachgedacht, welche Werke ich nicht mehr machen möchte.

DS:

Was kommt für Sie in Zürich?

PJ:

Wir erarbeiten Bruckner und haben gerade seine 7. Sinfonie aufgenommen. Ebenso Sinfonien von Mendelssohn und auch Werke von John Adams.

DS:

Paavo Järvi und Oper. Wie sieht es damit aus?

PJ:

Als junger Dirigent habe ich viele Opern in Skandinavien dirigiert, z.B. in Oslo und Stockholm. An der Scala habe ich „Don Giovanni“ geleitet. In Zürich werde ich „Fidelio“ dirigieren. Darüber hinaus denke ich auch über Wagner Opern nach. Die größte Herausforderung bei allem, ist die notwendige Zeit zu finden.

DS:

Vielen Dank für das wunderbare Gespräch.

 

Das Interview wurde am 16. Mai 2022 in englischer Sprache von unserem Redakteur Dirk Schauß geführt.

 

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