DER OPERNFREUND - 51.Jahrgang
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Beczala im Opernfoyer xx

Piotr Beczala in der Staatsoper, fotografiert von Barbara Zeininger

 

PIOTR BECZALA

“Man soll bitte meine Intelligenz nicht beleidigen!”

Piotr Beczala singt in der Neuinszenierung von Pierre Audi erstmals an der Wiener Staatsoper den „Rigoletto“-Herzog. Im Gespräch für den Online Merker erzählt er, warum er nicht an der Scala singen will , warum er den Hoffmann absagte und nicht Bayreuths Lohengrin sein wird – aber wie viel Interessantes er künftig vor hat.

Das Gespräch führte Renate Wagner auf Deutsch mit dem hervorragend Deutsch sprechenden Künstler.

 Beczala und Renate x

Herr Beczala, Sie haben Ihren ersten Herzog 2000 in Zürich gesungen, seither in aller Welt – wie viele Inszenierungen waren es wohl? Und wie vertraut wird man mit einer Figur im Lauf der Jahre?

Da muss ich selbst nachzählen – zwei in Zürich, denn Paris, London, New York, Mailand, Hamburg, Berlin, Warschau, nur in Wien stelle ich mich erstmals in der Rolle vor, in der vorangegangenen Inszenierung habe ich nie gesungen. Der Herzog: Ich mag es nicht, wenn Figuren mit einem Klischee belegt werden, das dann nur heißt: Er ist ein Wüstling. Einen positiven Aspekt gibt es wohl für jeden Menschen, vermutlich auch für Jago, sonst hätte Verdi ihn nicht mit so toller Musik  gestaltet. Der Herzog ist keineswegs durch und durch schlecht, er ist eher eine verlorene Seele, einer, der alles bekommen kann und deshalb auch nicht glücklich ist. Man muss bedenken, dass er schon drei Monate „als Student“ um Gilda wirbt, wo er sie auch mit Gewalt haben könnte,  und dass die Höflinge das Mädchen ja ohne sein Wissen entführen. Selbst wenn Gilda nach der Liebesnacht mit ihm nicht glücklich ist – genau wissen wir das ja nicht -, ist sie doch bereit, für ihn zu sterben. Bei Verdi kann man nie aus einer Szene auf das Ganze schließen, es gibt so viele Facetten.

Und die Arbeit mit Pierre Audi bringt für Ihren Herzog etwas Neues?

O ja. Ich kenne Pierre Audi aus Amsterdam, wir haben dort eine „Bohème“ zusammen gemacht, und er ist ein Regisseur, der an das Publikum denkt, was für mich schon sehr wichtig ist. In dieser Inszenierung, wo der Herzog sich in einer Welt gleichsam ganz „aus Gold“ bewegt, ist er ein komplizierter Charakter, der Unsicherheit mit Draufgängertum überspielt. Ich glaube, in dieser Inszenierung ist Rigoletto ein schlechterer Mensch als der Herzog, und Pierre Audi legt auch viel Wert darauf, die Nebenrollen am Hof wirklich zu profilieren und die einzelnen Handlungselemente, etwa die Entführung, so glaubwürdig wie möglich zu machen. Das Geschehen findet auf einer Drehbühne statt, das macht die Übergänge einfach, und vor allem ist Audi kein Regisseur, dem es darum geht, irgendetwas auf die Bühne zu stellen, von dem die Zuschauer dann keine Ahnung haben, worum es geht.

Das bringt mich mühelos zur nächsten Frage: Wenn von „Regietheater“ die Rede ist, drucksen selbst berühmte Kollegen herum und wollen sich nicht äußern, „weil sie sonst nicht mehr engagiert werden“ – Sie sind einer der wenigen, der da ganz geradeaus „Nein“ sagen. Dennoch haben Sie etwa in der Salzburger „Sandler-Bohème“ von Regisseur Daniele Michieletto mitgemacht…

Ich unterscheide absolut zwischen moderner Regie und Regietheater. Ich habe kein Problem damit, ein Werk in die Gegenwart zu holen, und da hat diese „Bohème“ von Michieletto mit der Verlagerung des Milieus durchaus gepasst. Ich habe Probleme mit Regisseuren, die in ihren Hirnen Konzepte wälzen, die eine Geschichte bis zur Unkenntlichkeit umschreiben, und besonders vorsichtig werde ich, wenn ein solcher Regisseur bei Einwänden dann nur sagt: „Vertrau mir!“ Das beleidigt meine Intelligenz, das darf ich sogar als Tenor sagen, wohl wissend, dass viele Leute uns für dumm halten. Ich kann nur sagen, ein „Rheingold“, wie ich es diesen Sommer in Bayreuth gesehen habe, ist eine Beleidigung von Wagner, von Bayreuth, der Sänger, die sich hier abmühen, und des Publikums.

Bevor wir zum Thema Bayreuth kommen, gibt es noch einige Dinge, die einmal geklärt gehören. Wenn Alexander Pereira Sie an die Scala zurückholen will, aus der Sie im Zorn geschieden sind – werden Sie es tun?

Ich hatte in Salzburg mit Herrn Pereira ein interessantes Gespräch, er will unbedingt, dass ich wieder in Mailand singe, aber das liegt im Moment weder bei ihm noch bei mir, sondern an den Umständen im Haus selbst. Ich sage es einmal ganz offen: An den meisten Opernhäusern, natürlich auch in Wien, wirken alle, vom Portier bis zum Direktor, zusammen, damit die Künstler die besten Bedingungen vorfinden, um am Abend eine optimale Vorstellung zu liefern. An der Scala ist es umgekehrt. Wir Künstler müssen  unser Bestes geben, damit alle anderen einen Job haben. Die „Traviata“-Premiere, die ich mit Diana Damrau gesungen habe, war sicher nicht die beste Traviata-Interpretation der Welt, und meine Frau meinte, wenn ich meine Empörung nicht über Facebook bekannt gemacht hätte, hätte vielleicht kaum jemand die paar Buh-Rufer wahrgenommen. Aber wir hatten sechs Wochen schwere Proben hinter uns, haben das Beste gegeben und sind so behandelt worden. Nein, dorthin will ich unten diesen Umständen nicht zurück – ich habe meine Prinzipien. Ich wünsche mir, wo ich arbeite, eine gewissermaßen saubere Atmosphäre.

Das ist sehr traurig für die Mailänder…

Ja, auch für mich, ich bin ein Mensch, dem die Vergangenheit wichtig ist, ich lese viel über die Häuser, an denen ich singe, über die großen Leistungen großer Sänger , Dirigenten, ob das die Scala ist oder die Wiener Staatsoper, es bedeutet mir etwas, dass ich an solchen Häusern singen darf. Aber in der Gegenwart ist es mir wichtig, dass jeder, vom Portier angefangen, freundlich und höflich ist. In Linz, wo ich angefangen habe, kenne ich heute noch jeden Techniker, der noch da ist, mit dem Vornamen, und alle haben sich immer bemüht, zum Besten des Hauses zusammen zu wirken . Ich wünsche mir, dass Alexander Pereira solche Bedingungen schafft, dann wird La Scala zum dem  Opernhaus werden wo alle Sänger gerne wieder kommen! 

Ein anderes für das Publikum nie völlig geklärtes Problem: Warum haben Sie den Wiener „Hoffman“ abgesagt, für den man Ihnen immerhin eine halbe Premiere reserviert hat? Ich bin eigentlich überzeugt, Sie könnten den sehr gut singen.

Ich weiß, aber die Geschichte gefällt mir nicht und die Rolle eigentlich auch nicht … Das zu sagen, nachdem man zugesagt hat, ist schwer, und ich gebe gerne zu: Ich habe einen  Fehler gemacht. Aber ich dachte, weil ich im französischen Repertoire mit Romeo und Faust, mit Werther und Des Grieux so glücklich bin, würde Hoffmann sozusagen die ultimative Rolle sein, in der alle anderen Figuren vereinigt sind. Ich habe mich getäuscht, habe auch gemerkt, dass dieser Verlierer in den drei Akten, die den drei Damen gehören, eigentlich nichts zu vermelden hat, und dann ist mir schließlich  aufgefallen, dass ich mit der von der Operette kommenden „Couplet“-Form, mit der Offenbach auch in der Oper verfahren ist, nichts anfangen konnte. Ich hatte die Rolle studiert – und bin zu spät drauf gekommen, dass sie sich für mich nicht lohnt. Heutzutage würde man sagen: „Ich habe die  Software nicht gefunden.“ Das war leider verpuffte Energie.

Die Frage, die in Zusammenhang mit Piotr Beczala derzeit am meisten interessiert, lautet „Lohengrin“. Und als bekannt wurde, dass Christian Thielemann diese Oper mit Ihnen und Anna Netrebko 2016 in Dresden machen würde, war man eigentlich überzeugt, dass das auch für Bayreuth 2018 gilt. Dann las man erst kürzlich, dass Roberto Alagna dort in der Inszenierung von Alvis Hermanis die Titelrolle singen wird…

Also, der Reihe nach: Die Idee wurde 2012 beim Silvesterkonzert geboren, da kam Christian auf mich zu und fragte, ob ich mir den Lohengrin vorstellen könnte. Ich sagte: „Mit Dir sofort“, denn ich schätze ihn als ungemein sängerfreundlichen Dirigenten und bewundere sein ungeheures Verständnis für Wagner. Was meine Kollegin Anna Netrebko betrifft, so werden sie und ich leider nicht zu Ostern 2016 in Salzburg dabei sein – es ist eine Co-Produktion Osterfestspiele und Dresden -, aber Dresden steht für uns fest. Ich werde natürlich keine Ratten auf der Bühne dulden, verlange aber auch keinen echten Schwan, ich bin ja kompromissbereit… Was Bayreuth betrifft, so hat Eva Wagner-Pasquier mich angesprochen, die Rolle dort 2018 zu singen, aber offenbar hat man es sich in Bayreuth anders überlegt.

Ist man da verletzt? Und noch eine heikle Frage: Kann Anna Netrebko, Ihre Leib- und Magenpartnerin, wirklich eine Elsa sein?

Nein, es hat mich nicht verletzt, obwohl ich es schön gefunden hätte, wenn der Lohengrin erstmals in der Geschichte Bayreuths von einem polnischen Tenor gesungen worden wäre… Christian Thielemann hat mich und meine Frau übrigens diesen Sommer nach Bayreuth eingeladen, wir haben in einer dreistündigen Klavierprobe das Werk durchgemacht, d.h., ich habe meine Rolle durchgesungen, ich kann und werde sie singen. Ob es danach noch anderen Wagner für mich geben wird, weiß ich nicht. Was Anna betrifft, die ich nun schon an die zehn Jahre als Partnerin kenne und schätze, wir sind einander 2005 bei „Rigoletto“ in London erstmals begegnet:  Wenn  Thielemann sagt, sie wird die beste Elsa, dann kann ich das nur unterschreiben. Wir werden übrigens im Februar in New York wieder in der „Iolantha“-Premiere zusammen singen.

Das bringt mich auf Fragen Ihres Repertoires. Ich fand Sie ja als Prinz in „Rusalka“, zuerst im Kino aus der Met, dann zu Saisonbeginn in Wien, ganz besonders gut und richtig. Leider haben wir Ihren Lenski in Wien noch nicht gehört. Das slawische Repertoire bietet für einen Tenor nicht viel, das sich mit dem italienischen, französischen und auch deutschen vergleichen ließe?

Ja, außer Richard Strauss, der muss Tenöre nicht besonders lieb gehabt haben… Der Prinz in „Rusalka“ ist schön, aber als Rolle nicht groß, man kann nicht so viel zeigen bzw. hören lassen. Auffallend ist nur, wie ähnlich die Arie des Prinzen im 1. Akt der Gralserzählung ist – da liegen Wagner und Dvorak schon auf einer Wellenlänge. Lenski habe in 12 Inszenierungen und mehr als 100mal gesungen, dann kommt noch Hans in „Verkaufte Braut“ und nicht zuletzt „Krol Roger” von Szymanowski …  Slawisches Repertoire: Ich bin ein sehr überzeugte Pole und  versuche wenigstens bei verschiedenen  Konzerten , Liederabenden polnische Arien und Lieder zu singen – zuletzt, eine Moniuszko Arie im Teatro Real in Madrid zu einem Gedenkkonzert anlässlich des 15. Todestages von Alfredo Kraus. All das lässt sich sehr gut mit meinem italienischen und französischen Repertoire kombinieren, mit gesunden Proportionen , dass man nicht als „slawischer“, sondern als im internationalen Fach anerkannte Tenor eingestuft wird. 

Es gibt einige Rollen, die wir von Ihnen in Wien noch nicht gehört haben, den Werther zum Beispiel oder den Riccardo…

Der „Werther“ kommt konzertant bei den nächsten Salzburger Festspielen mit Elina Garanca, dann mache ich noch je eine Serie in Paris und Barcelona, aber der Riccardo im „Maskenball“ kommt 2016 und auch 2017 in der Staatsoper, und Direktor Meyer und ich führen Gespräche, was ich noch an für Wien Neuem singen könnte, also beispielsweise Des Grieux, den ich mit Anna Netrebko an der Met-Premiere  gemacht habe und sehr gerne sang, oder Lenski.

Haben Sie außer dem Lohengrin noch andere neue Rollen vor?

Sogar sehr viele… „Luisa Miller“ kommt für mich 2018,   auch „Adriana Lecouvreur“ in der sehr schönen Inszenierung, die Sie auch in Wien gehabt haben. Das wird mein Einstieg in den Verismo, und da gibt es noch einiges, ganz sicher den Cavaradossi oder den  Don José, der schon als Videoclip mein neues CD Album bei DG promotet: „French Connection“ mit Arien in französischer Sprache. Und bei Verdi weiß ich zwar nicht, ob ich je ein Othello werden kann, aber sicher möchte in einmal den Manrico und den Radames singen. Für den Manrico hat mich Alexander Pereira schon für letzten Sommer, den „Troubadour“ mit Anna Netrebko gefragt, aber ein solches Rollendebut im Großen Festspielhaus ist mir nicht richtig erschienen. Dabei halte ich den Manrico nicht für eine so hochdramatische Rolle, der hat viel Lyrisches zu singen, da ist dann halt bloß die Stretta…

Ein hohes C macht Ihnen keine Angst? Abgesehen davon, dass Riccardo Muti darauf besteht, dass Verdi es gar nicht vorgeschrieben hat…

Ich singe auch ein hohes D, wenn es gebraucht wird, und ich singe Arien auch immer in der originalen Tonart, während es heute üblich ist, sie oft  hinunter zu transponieren – Gounod selbst hat das beispielsweise mit der Romeo-Arie, die ursprünglich in H-Dur war, getan und sie auf B-Dur, einen halben Ton tiefer, umgeschrieben, weil so wenige Tenöre es original singen können. Was das hohe C des Manrico betrifft, so ist es einfach unsinnig, das „Di quella pira“ nicht mit einem C zu krönen, auf das das Publikum wartet. Ein Tenor lebt natürlich auch von seinen hohen Tönen, ich will ja auch meinen sängerischen Spaß haben, und krönende Spitzentöne bringen das.

Sie haben sehr viel Publicity mit Ihrer Richard-Tauber-CD bekommen, aber es scheint, dass Lieder Ihnen immer wichtiger werden, zuletzt haben Sie bei den Salzburger Festspielen einen Abend mit Schumanns „Dichterliebe“ und slawischen Liedern von Karlowicz, Dvorak und Rachmaninow im zweiten Teil gegeben, und 2015 werden Sie mit Helmut Deutsch bei der Schubertiade  die „Schöne Müllerin“ singen. Ist das nicht sehr gefährlich, stolpert man da nicht dauernd über „unerreichbare“ Vorbilder, so genannte „ideale Interpreten“?

Ich hoffe, ich werde an dem Größten, an Fritz Wunderlich, gemessen, und ich wünschte mir, es gäbe mehr von dieser Art ehrlichen Liedgesangs mit schöner, runder Stimme, das ist irgendwie verloren gegangen. Natürlich ist das Konzertpodium für einen Sänger als Bühne noch schwieriger als die Opernbretter, weil man sich nicht hinter der Figur, die man singt, „verstecken“ kann, man steht als man selbst da. Und doch – wenn ich „Dichterliebe“ singe, versetze ich mich so tief in die Lieder, dass ich darum herum gar nichts wahrnehme und nur damit beschäftigt bin, diese Stücke gewissermaßen zu „erklären“…  Ja, und was ideale Interpreten betrifft, so höre ich sehr viele Kollegen von einst und heute, aber auf dem Gebiet der Oper habe ich nur wenige gefunden – Wunderlich als Tamino, Corelli als Kalaf, Björling als Romeo , Pavarotti als Herzog…

Sie haben einen unendlich anstrengenden Beruf, wie bewältigt man diese Anforderungen, wenn man wie Sie rund 70 Abende pro Jahr singt, was sehr viel ist 

Wie sehr ich das körperliche Training brauche, das ich bei jeder Gelegenheit wahrnehme, merke ich etwa jetzt bei dieser „Rigoletto“-Inszenierung, wo ich 20 Stufen hinauflaufen und meine Arie singen muss – da darf ich nicht schon vom Laufen außer Atem sein. Ich habe auch vor Jahren für den Romeo einmal fünfzehn Kilo abgenommen, weil ich es sonst nicht geschafft hätte. Aber ich bin fit, genieße mein Sängerleben, ich bin 48 Jahre alt, habe also als Tenor noch viele Jahre vor mir. Und wenn ich größere Fehler vermeide, was die Rollenwahl betrifft, so erwarte ich keine großen Probleme.

Wo leben Sie eigentlich?

Meine Frau und ich wohnen in Zürich, wir besitzen inzwischen auch neben der polnischen noch die Schweizer Staatsbürgerschaft, außerdem haben wir Wohnungen in New York – da ist ein Fitness-Studio und Schwimmbad im Haus, das ist sehr praktisch – und in  Wien, im 4. Bezirk, das sind 14 Minuten zu Fuß zur Staatsoper. Das Wichtigste für mich ist, dass meine Frau immer bei mir ist – wir sind seit 22 Jahren verheiratet, das wird man in der Welt der Opernsänger nicht so leicht finden. Ich sage immer: Wenn mich jemand um etwas beneiden will, dann um meine tolle Frau, die meine Augen und meine Ohren ist, und wenn ich dazu neige, mit irgendeiner Leistung zufrieden zu sein, dann hat sie sicher etwas zu meckern und bringt mich dazu, noch besser sein zu wollen.   

 Beczala u nd Frau 1 xx
Die beste Ehefrau von allen hat nach Weihnachtseinkäufen Piotr Beczala vom Interview in der Staatsoper abgeholt und sich für Barbara Zeininger für ein Ehepaar-Foto zur Verfügung gestellt

 

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