Berlin: „Gala der Staatlichen Ballettschule Berlin“

Ein Höhepunkt in der Berliner Tanzszene ist stets die Gala der Staatlichen Ballettschule in einem der Berliner Opernhäuser. Am 27. März 2023 wollte der Beifall in der Staatsoper kein Ende nehmen nach einem Abend voller Vielfalt und Bravour. Der 2. Akt aus Adolphe Adams Giselle in der Choreografie von Patrice Bart sorgte für einen beglückenden ersten Teil des Programms mit staunenswerten künstlerischen Leistungen. Ané Bierman zelebrierte die Myrtha in der Eingangsszene mit phänomenaler Technik und hoheitsvoller Attitüde. Von bezaubernder Anmut agierten die Solo-Willis Saaya Iwata und Anita Scaravaggi.Sensationell war die Leistung von Daniella Venter in der Titelrolle. Schon im horrend schwierigen Auftritt kündigte sich ihr Ausnahmekönnen an, das sich danach in den perfekten Balancen, den fliehenden Arabesquen und dem ergreifenden Abschied von Albrecht bestätigte. In Patrik Benák hatte sie einen sehr lyrischen Partner, der aber auch mit brillanten Sprüngen und kraftvollen, sicheren Hebungen überzeugte. Im Kontrast zu ihm war Noah Amann ein viriler Hilarion, der seine Todesszene ungemein spannend gestaltete. Die 18 Willis des 5. bis 9. Ausbildungsjahres absolvierten ihre Auftritte mit stupender Synchronität und faszinierender romantischer Aura.

(c) Olaf Kollmannsberger

Nach der Pause gab es vor allem Beispiele aus dem zeitgenössischen Schaffen, aber auch noch eine Szene aus der Giselle – den Pas de Six mit Musik von Friedrich Burgmüller, der zumeist durch den Bauern-Pas de deux ersetzt wird. Bezaubernd tanzten Maria Carolina Ferreira Gaspar, Hana Ise, Helena Nietzold, Maria Clara Oliveira Rioli und Joana Willems Goncalves. Glänzend absolvierte Junta Noda seine beiden Variationen.

Ein fulminanter Einstieg in die Moderne war Christoph Böhms Opus 43 auf die Ouvertüre von Beethovens Die Geschöpfe des Prometheus. In ihrer neoklassischen Anlage ist diese Arbeit ohne Zweifel eine Hommage an Uwe Scholz, dessen Erster Solotänzer Böhm beim Leipziger Ballett war. 43 Tänzer in weißen Trikots entfachen ein vitales, optimistisches Tanzfeuerwerk mit witzigen Episoden, das vom Publikum euphorisch bejubelt wurde.

(c) Olaf Kollmannsberger

Auch zwei Arbeiten von Giorgio Madia wurden gefeiert – Dance, Dance, Dance! auf Louis Primas „Sing, Sing, Sing“ in der Version von Benny Goodman, wo Schüler und Schülerinnen des 2. bis 5. Ausbildungsjahres in schwarz/weißen Kostümen auf die flotten Rhythmen einen rasanten Wirbel entfachten, und Better Faster Stronger auf Klänge von Daft Punk mit Angehörigen des 6. bis 9. Jahres. Sie brachten mit einer hinreißenden Performance voller Tempo und Drive, mit sportiven und akrobatischen Elementen den Saal zum Kochen, was es der abschließenden Uraufführung von Arshak Ghalumyan schwer machte. Der Solotänzer des Berliner Staatsballetts versucht in seinem Stück Encounter auf die rauschende, raunende, klopfende, tröpfelnde Musik seines Freundes Frederico Coderoni menschliche Konflikte und Spannungszustände  zu schildern. Leider spielen sich diese zu oft in diffusem Halbdunkel statt (Licht: Nikolai Korypaev), auch gibt es ermüdende Passagen. Gegen Ende aber überzeugt ein starkes Duo und  eine furiose Steigerung des Tanzgeschehens sichert der neuen Arbeit dann doch den Erfolg. Das traditionelle Defilee am Ende präsentierte noch einmal alle Mitwirkenden unter dem nicht enden wollenden Beifall des Publikums.

Bernd Hoppe, 28. März 2023


Gala der Staatlichen Ballettschule Berlin

diverse Komponisten

Staatsoper Berlin

27. März 2023