Halberstadt: „Ein Sommernachtstraum“, Benjamin Britten

Benjamin Brittens äußerst vielschichtiger „Sommernachtstraum“ besticht neben der hoch artifiziellen Musik, die die drei Ebenen des Stückes durch farbenreiche Sphärenmusik miteinander verwebt, auch durch den originalen Shakespeare-Text. Vor diesem hatten Britten und sein Lebensgefährte Peter Pears hohen Respekt, als sie ihn für das Libretto stark verkürzten, aber sonst nahezu unangetastet ließen. So geht es sprachlich durchaus drastisch und teilweise derb zu. Diesem Ansatz, die Auseinandersetzungen des Elfenpaars, die Liebeswirren der jungen Leute und die deftigen Sprüche der Handwerker niemals durch irgendwelche kitschige Märchenromantik zu übertünchen, folgte Oliver Klöter in seiner Inszenierung durchaus konsequent. Allerdings war ein wesentliches Manko der Aufführung, dass der Text der Schlegelschen Übersetzung weitgehend schlecht zu verstehen war, was nicht nur an der Internationalität des Ensembles lag; Obertitel hätten dem Verständnis gut getan. Dennoch war es ein im Ganzen gelungener, gut unterhaltender Opernabend, der mit seinen wechselnden Stimmungen Spaß machte.

© Ray Behringer

Das lag natürlich auch an der lebendigen Regie, die nur an den passenden Stellen (Elfenchöre) Besinnlichkeit zuließ, und der großen Spielfreude des teilweise choreografisch geführten Ensembles (Julia Morawietz). Für die durch bewegliche Wald-Bilder leicht bespielbare Bühne und die farbprächtigen, fantasievollen Kostüme hatte Andrea Kaempf gesorgt. So konnte das in jeder Beziehung muntere Spiel mit seinen Zauber-Überraschungen ablaufen. Mit charaktervollem Countertenor gab der Brite Nicholas Hariades, der kurzfristig für Denis Lakey eingesprungen war, den Oberon. Seine Titania war Bénédicte Hilbert mit blitzsauberen, höhensicheren Koloraturen. Chorsolistin Thea Rein wirbelte in der Sprechrolle des Puck über die Bühne, der die Anweisungen seines Herrn Oberon nicht immer richtig verstand. Die Liebespaare agierten typgerecht und sangen prächtig, Regina Pätzer (Hermia) mit abgerundetem Mezzo und Max An (Lysander) mit starkem Tenor. Helena war teilweise allzu forciert Jessey-Joy Spronk, Gast aus den Niederlanden; als ihr Demetrius gefiel das bewährte Ensemble-Mitglied Juha Koskela.

© Ray Behringer

Die braven Handwerker waren jeder für sich eine echte Type: So charakterisierte Samuel Lawrence Berlad, neu im Ensemble, mit weichem Bariton Squenz; der Flaut von Tobias Amadeus Schöner war als Thisbe im Schauspiel urkomisch; Youngwon Yoo und  Thomas Kiunke gaben als Schnauz und Schlucker jeweils witzig die „Wand“ und den „Mond“ im Schauspiel, während Gijs Nijkamp (Schnock) sicher für die Bassgrundlage des Handwerker-Ensembles sorgte. Als „erster Darsteller“ und mit Eselskopf bot Michael Rapke (Zettel) mit seinem überaus flexiblen Bariton eine gestalterisch und sängerisch glänzende Leistung. Das Ensemble wurde vervollständigt durch Sönke Morbach als würdiger Theseus und Bettina Pierags als klarstimmige Hippolyta.

Eine besondere Qualität erreichten die Elfenchöre, die hier nicht einem Kinderchor, sondern sechs Choristinnen anvertraut waren, die mit durchgehend sauberem, homogenem Klang die wunderbare Stimmung der Elfenszenen erzeugten (Einstudierung:  Jan Rozehnal). Die Harzer Sinfoniker zeichneten sich in der Premiere durch gute Beherrschung der durchweg anspruchsvollen Musik mit ihren aparten Instrumentenmischungen und der vielen ausgezeichneten Soli in allen Gruppen aus. Am Pult hielt Musikdirektor Johannes Rieger Bühne und Graben sicher zusammen und sorgte für durchweg differenziertes Musizieren.

Das Halberstädter Publikum war von den Leistungen „seines“ Theaters sehr angetan und bedankte sich bei allen Mitwirkenden und dem Regieteam mit begeistertem, lang anhaltendem Applaus.

Gerhard Eckels, 26. März 2023

Nachtrag:

Infolge widriger Umstände haben wir leider erst nachträglich erfahren, dass in der Rolle des Oberon für Denis Lakey ganz kurzfristig der britische Countertenor Nicholas Hariades eingesprungen ist. Die unzutreffende Angabe in der zunächst veröffentlichten Kritik wurde inzwischen korrigiert.

Nicholas Hariades als Oberon / © Ray Behringer

Benjamin Britten

Ein Sommernachtstraum

Nordharzer Städtebundtheater Halberstadt

Besuchte Premiere am 25. März 2023

Inszenierung: Oliver Klöter

Musikalische Leitung: Johannes Rieger

Harzer Sinfoniker

Weitere Vorstellungen: Halberstadt: 9.,21. April + 11. Juni 2023

Quedlinburg: 1.+29. April 2023