CD: „Má Vlast“, Semyon Bychkov / Tschechischen Philharmonie

Das renommierte Label Pentatone setzt seine eindrucksvolle Zusammenarbeit mit der Tschechischen Philharmonie und dem herausragenden Dirigenten Semyon Bychkov fort und präsentiert mit großer Spannung die lang erwartete Veröffentlichung von Bedřich Smetanas „Má Vlast“. Diese Sammlung von sechs Tongedichten, die als die orchestrale DNA eines jeden tschechischen Orchesters betrachtet wird, entfaltet sich auf dieser Aufnahme zu einem wahrhaftigen Ereignis von außergewöhnlicher Klangschönheit und interpretatorischer Raffinesse. Schon zu Beginn wird deutlich, dass hier das Gegenteil von Schlamperei vorliegt. Die intensive Auseinandersetzung von Dirigent Semyon Bychkov mit dem nationalen Schatz Smetanas, des „Má Vlast“, überzeugt durch absolute Strenge und gleichzeitig tiefes Verständnis. Die Tschechische Philharmonie unter seiner Leitung zeigt ihre Bereitschaft, sich selbst und ihre Spielweise zu hinterfragen, was zu einer Interpretation führt, die den Hörer in den Bann zieht. Die Geschichte von „Má Vlast“, basierend auf Geschichte, Mythos und Naturlandschaften, wird durch die musikalische Gestaltung dieser Aufnahme zu einem fesselnden Erlebnis.

Viele Dirigenten haben seither dieses Werk geprägt, vor allem die gliebten Heroen am Pult, wie Karel Ancerl, Vaclav Neumann oder Rafael Kubelik. Die vorliegende Interpretation von „Má Vlast“ erscheint transparenter und sanfter als frühere Aufnahmen. Das beeindruckende Ergebnis durch das prächtige Zusammenspiel von Pentatone, Semyon Bychkov und der Tschechischen Philharmonie führt den Hörer durch eine Vielfalt von Emotionen und landschaftlichen Darstellungen. „Vyšehrad“ eröffnet das Werk mit der majestätischen Aura der gleichnamigen Burg südlich von Prag. Durch die kunstvollen weit gefächterten Harfenklänge und die strahlenden Bläser schafft Bychkov eine klangliche Veredelung, die die historische Erhabenheit dieses Ortes widerspiegelt. Die Streicher weben geschickt ihre Melodielinie, die den Hörer auf eine Reise durch die Zeit und die Geschichte entführt. Die zweite Episode, „Die Moldau“, entfaltet sich im poetischen Fluss der Klänge, der die Reise entlang des Flusses Moldau darstellt. Auch hier faszinieren erneut die Streicher, die in fortwährender Bewegung das Spiel der Moldau lebendig einfängt. Das Flötenspiel verleiht dem Wasser eine bezaubernde Qualität, während die Nymphen-Szene mit verführerischem Glanz aufwartet. Die nahtlose Rückkehr zu den fließenden Melodien des Flusses erzeugt eine eindringliche Atmosphäre, die die Naturschönheit der Moldau in ihrer ganzen Pracht einfängt. „Šárka“, der dritte Teil, stürzt den Hörer in die dramatische Handlung der Kriegerin Šárka, die Rache an einer männlichen Armee nimmt. Die wilden Hiebe zu Beginn des letzten Angriffs verleihen diesem Teil eine rohe Intensität, die von Bychkov meisterhaft gelenkt wird. Die explosive Spannung in den letzten Takten bildet den Höhepunkt dieser dramatischen Erzählung. Der vierte Teil, „Z českých luhů a hájů (Aus Böhmens Hain und Flur)“, markiert eine Wendung in der musikalischen Reise. Düsternis trifft auf Naturstimmungen und Folkloristik. In unendliche Weiten tauchen die Klarinetten ein und entführen den Zuhörer in ihr lyrisches Klangbild. „Tábor“, der fünfte Teil, nimmt uns mit auf eine Reise in die Stadt Tábor und betont die raue Schönheit sowie den heroischen Charakter dieser Region. Die sorgfältige Balance zwischen den orchestralen Sektionen ermöglicht es, jede Melodie und jedes Motiv in seiner klaren Pracht zu verfolgen. Bychkov schafft es, die musikalische Erzählung durch die liebevolle Darstellung der Stadtgeschichte lebendig werden zu lassen und geizt dabei nicht mit Kontrasten. Das abschließende Stück, „Blaník“, führt auf den Blaník-Hügel und in die Legende der übernatürlichen Armee. Hier zeigt sich die Meisterschaft von Bychkov, der geschickt zwischen den wilden Schönheiten der Natur und den patriotischen Melodien balanciert. Die Fuge und die triumphale Schlussmarsch führen das Werk zu einem pompösen Abschluss. Pentatone verwöhnt den Zuhörer mit einer vorbildlichen Aufnahmetechnik, die jedes Detail in einem weiten Klangpanorama eingefangen hat. Semyon Bychkov und die Tschechische Philharmonie zeigen nicht nur ihre technische Brillanz, sondern auch ihre tief empfundene Liebe und Hingabe zu dieser musikalischen Schöpfung. Das herrliche Orchesterspiel, ob in den zahlreichen Soli oder im vollen Tutti, verwöhnt mit authentischer orchestraler Gestalt. Eine schöne Aufnahme.

Dirk Schauß 3. März 2024