CD: „Mahler, 3. Symphonie“ unter Yutako Sado

Gustav Mahler schrieb mit seiner dritten Sinfonie seine längste Sinfonie. Sie dauert in der Regel mindestens neunzig Minuten.Die gesamte Welt wollte er darin abgebildet sehen. Dafür überwand er Form und Umfang, unterteilte das Werk in zwei Abteilungen in insgesamt sechs Sätze.
Diese Sinfonie beschreibt das Leben, die Natur und das Göttliche. So war der letzte Satz zunächst schlicht damit betitelt „Was mir der liebe Gott erzählt“. Doch Mahler änderte diese Aussage in „Was mir die Liebe erzählt“.

Es bedarf also vor allem einer Interpretation, die weit über die reine Notenproduktion hinaus geht. Gerade hierin liegt die Stärke des Dirigenten Yutako Sado, der als Chef des Tonkünstler-Orchesters mit seinem Klangkörper seinen wachsenden Mahler-Zyklus überzeugend erweitert hat. Sado wurde intensiv von Leonard Bernstein gefördert und so verwundert es nicht, dass viel vom Einfluss seines Mentors in Sados Interpretation eingeflossen ist.
Sados Live-Aufnahme überzeugt vor allem durch ihre erzählerische Tiefe. Mit hoher suggestiver Kraft geleitet er den Zuhörer durch den klanglichen Wunderraum der Mahlerschen Sinfonik, ohne sich darin zu verlieren.
Und doch nimmt sich Sado hinreichend Zeit, die Musik sprechen und atmen zu lassen. Dankenswerterweise ist hier eine Mahler Interpretation gelungen, die mit großer Ruhe und Weite alle Details und Farbnuancen trefflich beleuchtet. Sado vertraut dabei der ungeheuren Ausdruckstiefe dieser so besonderen Sinfonie. Wie ein Erzähler entwickelt er den Strom der Musik. Dies alles gelingt so überzeugend, weil Sado sich für gemäßigte Tempi entschieden hat. Davon profitieren vor allem die Sätze drei und sechs, die von einer staunenswerten Schönheit sind. Höhepunkte ergeben sich auf diese Weise ganz von selbst, ohne das eines forcierten Nachdrucks bedarf. Jedes Detail wird erfahrbar.
Mit hörbarer Beteiligung und körperreichem Mezzosopran erzeugt Kate Lindsey einen besonderen Wonnemoment in dieser Aufnahme.
Die Damen des Wiener Singvereins und die hoch engagierten Wiener Sängerknaben treffen dazu perfekt den Duktus des fünften Satzes.
Das Tonkünstler-Orchester und Yutaka Sado sind hörbar gut aufeinander eingespielt. Die komplexen Herausforderungen der Partitur und deren exponierte Soli werden ausgezeichnet von den hoch engagierten Musikern dargeboten. Somit ist dann das himmliche Finale mit dem lang ausgehaltenen D-Dur Akkord wirklich ein krönender Abschluss, mit welchem alles gesagt ist.
Gelungen ist hier eine besondere Mahler Aufnahme mit hoher Intensität und großer Natürlichkeit. Auch die Aufnahmetechnik weiß mit ihrer Dynamik und dem Detailreichtum zu überzeugen.
Eine Einspielung, die berührt und Neues zu erzählen weiß. Ein Erlebnis.

Dirk Schauß, 26. Januar 2023


Gustav Mahler: Symphonie Nr. 3 d-moll
Kate Lindsey, Mezzosopran
Wiener Singverein
Wiener Sängerknaben
Tonkünstler-Orchester
Yutaka Sado, Leitung
Label: TON2013