CD: „Parsifal“, Knappertsbusch, Bayreuth 1955

Lange hat man auf diese CD gewartet. Jetzt ist es soweit: Die Aufnahme des Bayreuther Parsifal von den Bayreuther Festspielen 1955 unter der musikalischen Leitung von Hans Knappertsbusch ist endlich im Handel erschienen. Mit dieser Einspielung sind Knappertsbusch’ s Bayreuther Parsifal-Dirigate – er dirigierte Wagners Bühnenweihfestspiel in Bayreuth außer 1953 von 1951 bis 1964 – nun sämtlich auf CD verewigt. Ein herzliches Dankeschön geht hiermit an das Label Hänssler für diese sensationelle Veröffentlichung. Mitgeschnitten wurde eine Aufführung vom 16.8.1955.

Knappertsbuschs phänomenales Dirigat bereitet dem begeisterten Zuhörer ungetrübtes musikalisches Glück. Wieder einmal wird der Ausnahmerang dieses begnadeten Dirigenten offenkundig. Seinem unerhörten musikalischen Duktus kann man sich nicht entziehen. Obwohl er ausgesprochen breite Tempi anschlägt, wirken diese an keiner Stelle zu langsam, sondern stehen stets im Dienst einer sehr stimmigen, weihevoll-erhabenen Gesamtschau des Dirigenten auf Wagners Partitur. Die Tempi sind stets sehr erfüllt, ausgewogen und absolut richtig. Dabei leisten sie einer hervorragenden Transparenz Vorschub. Unter Knappertsbuschs bewährter Leitung werden enorm viele Kleinigkeiten hörbar, die bei anderen Dirigenten oft untergehen. Der musikalische Gehalt des Ganzen wird von ihm auf höchst beeindruckende Weise ausgelotet. Wie er die Musik mit größter Spannung in Atem zu halten versteht, ist absolut einzigartig. Sehr beeindruckend sind nicht zuletzt die phänomenalen Steigerungen, die der Dirigent weniger durch Modifikationen des Tempos als vielmehr durch atemberaubende Crescendi und eine markante Diktion der Orchesterstimmen erzeugt. Aus allen diesen Aspekten resultiert ein enorm ausgeprägter, durchgehender Bogen, der sich mit größter Eleganz über das Werk legt und dessen einzelne Segmente nahtlos miteinander verbindet. Leerläufe stellen sich an keiner Stelle ein. Hier haben wir es wahrlich mit einer beispiellosen Interpretation zu tun. Eines wird mehr als deutlich: Knappertsbusch war der beste Parsifal-Dirigent, den es je gab. Allein er wäre die Anschaffung der CD wert.

Aber auch mit den gesanglichen Leistungen kann man zum größten Teil zufrieden sein. Ramón Vinay singt den Parsifal mit wunderbarem, äußerst kraftvollem, bestens italienisch geschultem und ausgesprochen baritonal klingendem Heldentenor, dem er zahlreiche interessante Facetten abgewinnt. Die Dramatik, die er in seine Stimme zu legen versteht, ist sehr bemerkenswert. Ihm kommt schon ein Ausnahmerang unter den alten Wagner-Tenören zu. Neben ihm glänzt insbesondere noch Gustav Neidlinger, der mit ebenfalls prachtvollem, vorbildlich italienisch fundiertem, sehr sonorem und ausdrucksstarkem schwarzem Heldenbariton ein Klingsor allererster Güte ist. Als Kundry geht Martha Mödl in der Höhe leider ständig vom Körper weg. Was sie im oberen Stimmbereich nicht hat, macht sie indes durch eine herrliche, volltönende und gefühlvolle Mittellage wieder wett. Sie singt auch die Stimme aus der Höhe. Ludwig Weber leiht dem Gurnemanz seinen profunden, prägnanten Bass, schmiert die Töne jedoch des Öfteren unschön hoch. Mit saft- und kraftvollem Bass-Bariton wertet Hermann Uhde die kleine Rolle des Titurel auf. Nicht zu überzeugen vermag Dietrich Fischer-Dieskau in der Partie des Amfortas. Sein ungemein kopfig, maniriert und gekünstelt klingender, hochgeschraubter Bariton kann in keinster Weise gefallen. Was er bietet, ist mehr Sprechen auf den Tönen als Singen. Josef Traxel und Alfons Herwig sind zwei tadellos intonierende Gralsritter. Als erster, zweiter und dritter Knappe sind solide Paula Lenchner, Elisabeth Schärtel und Gerhard Stolze zu hören. Dagegen fällt der recht dünn klingende vierte Knappe von Alfred Pfeifle ab. Die Damen Lenchner und Schärtel gehören auch zum Ensemble der Blumenmädchen, dem außerdem noch Ilse Hollweg, Friedl Pöltinger, Dorothea Siebert und Jutta Vulpius angehören. Hier vernimmt man insgesamt ordentliche  Stimmen. Nur Frau Siebert muss besser im Körper singen. Hochkarätig entledigt sich der von Wilhelm Pitz einstudierte Chor der Bayreuther Festspiele seiner Aufgabe. In erster Linie die Gralsritterchöre klingen äußerst fulminant.

Fazit: Eine ungemein gut dirigierte und zum großen Teil auch toll gesungene Aufnahme, deren Anschaffung sehr zu empfehlen ist.

Ludwig Steinbach, 2. Juni 2023


CD: „Parsifal“

Richard Wagner

Bayreuther Festspiele 1955

Edition Günter Hänssler

Best.Nr.: PH23002

4 CDs