CD: „Das Himmelskleid“, Ermanno Wolf-Ferrari (1. Besprechung)

(c) Naxos

Sie war bereits im Jahre 1997 bei dem Label Marco Polo einmal auf CD erschienen: Die Aufnahme von Ermanno Wolf Ferraris Oper Das Himmelskleid. Jetzt ist diese beachtenswerte Einspielung bei dem Label NAXOS erneut auf CD veröffentlicht worden. Dieser liegt eine Aufführung des Theaters Hagen aus dem Jahre 1996 zugrunde. Hierbei handelt es sich indes nicht um einen Live-Mitschnitt. Die Aufnahme erfolgte mit den Solisten des Theaters Hagen unter Studiobedingungen.

Hier haben wir es mit einer echten Rarität zu tun, deren Anschaffung nur wärmstens zu empfehlen ist. Wolf-Ferrari, der einem breiten Publikum mehr durch seine heiteren Werke, wie z. B. Die neugierigen Frauen und Die drei Grobiane  bekannt sein dürfte, ist mit dem am 21.4.1927 an der Bayerischen Staatsoper unter der musikalischen Leitung von Hans Knappertsbusch aus der Taufe gehobenen Himmelskleid ein großer Wurf gelungen. Dabei handelt es sich um ein durchaus ernstes Werk mit großem Tiefgang, das dem Komponisten alle Ehre macht. Es beruht auf dem französischen Märchen Eselshaut von Charles Perrault. Das Libretto verfasste Wolf-Ferrari selbst.

Einige Worte zum Inhalt dieses relativ unbekannten Werkes: Einst herrschte ein guter König über ein kleines Reich. Als Dank für seine Güte schenkte ihm ein Bettler einen goldenen Esel, der dem Land ewigen Wohlstand garantieren sollte. Nach dem Tod des alten Königs ging die Herrschaft an dessen Tochter über. Diese junge Fürstin will der Bettler nun auf die Probe stellen. Reichtum und Glück sollen ihr nur dann beschieden sein, wenn sie in den Besitz der Kleider des Windes, des Mondes und der Sonne gelange. Daraufhin verkündet die ehrgeizige Fürstin, dass sie nur denjenigen zum Mann nehme, der ihr diese drei Kleider verschaffen könne. Das gelingt keinem der um sie werbenden Prinzen, weswegen sie von ihr auch alle abgewiesen werden. Nur in einen der um sie werbenden Prinzen verliebt sich die Fürstin. Und er in sie. Dennoch schickt die Fürstin ihn fort und gebietet ihm, erst dann wiederzukommen, wenn er im Besitz dieser drei Kleider sei. Alleingelassen verflucht die Fürstin ihren Reichtum und den goldenen Esel, dem sie die Schuld für ihr Unglück gibt. Sie zerstört das Standbild des Esels, weiht damit aber auch gleichzeitig ihr Reich dem Untergang. Die Bewohner des zerstörten Landes vertreiben die ehemalige Herrscherin, die nur mit der Eselshaut bekleidet ist. Der Prinz sucht nacheinander die Welt der Lüfte, den Mond und die Sonne auf, vermag aber nicht, die drei Kleider zu erhalten. Als er von dem Unglück der Fürstin erfährt, eilt er zur Erde zurück und findet schließlich die Geliebte, die inzwischen die Eselshaut von sich geworfen hat und nun splitternackt durch den Wald läuft. In ihrer gänzlichen Nacktheit und ihrer Liebe zu dem Prinzen, zu der sie sich jetzt bekennt, wird der Fürstin bewusst, dass sie sich längst im Besitz der drei Kleider befindet. Am Ende beginnt der Zauber des Bettlers erneut zu wirken. Das Königreich der Fürstin erstrahlt im neuen Glanze.

Es ist eine eindringliche, märchenhafte Geschichte, die Wolf-Ferrari hier vertont hat. Bei seiner Uraufführung war der Oper trotz des prominenten Dirigenten und einer Reihe hochkarätiger Sänger dennoch kein Erfolg beschieden. Auch in den folgenden Jahrzehnten fand das Himmelskleid lange nicht den Weg zurück auf die Bühne. Rehabilitiert wurde das Werk erst durch die damals hochgelobte Produktion des Theaters Hagen aus dem Jahre 1996, die – das wurde oben bereits erwähnt – die Grundlage für die vorliegende CD bildet. Hört man sich diese an, so wird in einem der Wunsch wach, diese Oper endlich auch einmal wieder auf der Bühne zu erleben. Ihr musikalischer Gehalt ist enorm. Mit allen ihm zu Gebote stehenden kompositorischen Mitteln entwickelt Wolf-Ferrari hier einen Klangrausch, der den begeisterten Zuhörer total in seinen Bann zieht. Die Partitur ist in einem romantischen Stil gehalten und weist eine enorme Größe und Vielfalt auf. Herrlich mutet bereits das fein gesponnene Vorspiel in der Liebestonart E-Dur an. Daran merkt man: Es geht im Folgenden um Liebe. Vielfältigen lyrischen Momenten korrespondieren Passagen von immenser dramatischer Wucht, wie beispielsweise das Vorspiel zur Winden-Szene des zweiten Aktes. Und der Farbenreichtum, den der Komponist seiner Partitur angedeihen lässt, ist kolossal. Das alles ergibt einen ausgewogenen, reichhaltigen Klangteppich von großer Pracht und Eleganz, der von Gerhard Markson und dem blendend disponierten Philharmonischen Orchester Hagen mit Bravour, geradezu atemberaubend, differenziert und sehr emotional vor den Ohren des begeisterten Zuhörers ausgebreitet wird. Das ist seitens des Dirigent und des Orchester eine ganz große Leistung.

Insgesamt zufrieden sein kann man auch mit den gesanglichen Leistungen. An erster Stelle ist Angelina Ruzzafante zu nennen, die mit bestens fokussiertem, fein und ebenmäßig geführtem und zur Höhe hin schön aufblühendem jugendlich-dramatischem Sopran eine ausgezeichnete Fürstin singt. Ein geradlinig und mit großer lyrischer Eleganz singender Prinz ist Sibrand Basa. Hervorragend italienisch fundiertes, sonores und tiefgründiges Bass-Material bringt Sergio Gomez in die Partien des Bettlers und des Prinzen Gudolin ein. Tadellos singt Stefan Adam den Prinzen Korbinian. Einen tiefgründigen, ebenmäßig dahinfliessenden Mezzosopran nennt die Mond-Fee von Anna-Maria Dur ihr Eigen. Einen variablen Stimmsitz weist Reinhard Leisenheimers Kanzler auf. Relativ dünnstimmig präsentieren sich Peer-Martin Sturm (Prinz Fridolin) und Michael Kurz (Prinz Pippin). Der sich mächtig ins Zeug legende Chor des Theaters Hagen macht seine Sache gut.

Ludwig Steinbach, 28. November 2022


CD   –   ERMANNO WOLF-FERRARI: DAS HIMMELSKLEID

Hagen 1996                                                                       

Dirigent: Gerhard Markson

NAXOS 1997/2022   Best.Nr.: 8.660518-20                       

3 CDs

Erste Besprechung.

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