im Konzerthaus am 20.02.2016
César Franck: Sinfonie in d-Moll / Richard Wagner: Ballade der Senta aus DER FLIEGENDE HOLLÄNDER (Urfassung) / Richard Wagner: Ouvertüre und Bacchanal aus TANNHÄUSER / Richard Wagner: Schlussszene der Brünnhilde aus GÖTTERDÄMMERUNG
In den Farben der Tricolore erstrahlen die Fenster des Konzerthauses am Gendarmenmarkt zwischen dem Französischen und dem Deutschen Dom, wunderschön anzusehen! Der Anlass für diese Beleuchtung ist das zehntägige „Festival Frankreich: Oh là là, la France“, welches vom 19. – 28.2. 2016 das reichhaltige Musikleben des (in der Vergangenheit nicht immer befreundeten) Nachbarlandes in die deutsche Hauptstadt bringt. Neben den Konzerten im großen Saal gibt es Kinderkonzerte im ganzen Haus, Espresso-Konzerte am Nachmittag, Orgelstunden, Kammermusik, Filme und (Achtung deutsche Schnäppchenjäger!) Petits déjeuners musicales mit Musik, Croissant und Café au lait und freiem Eintritt! Die Angestellten tragen rote Berets, versprühen Charme statt Berliner Schnauze und in den Foyers sind neben informativen Tafeln über die wechselhaften (musikalischen) Beziehungen zwischen den beiden Kulturnationen Stände aufgebaut, an denen man sich an exzellentem Wein, Champagner und assiettes de fromage et de charcuterie delektieren kann.
Für das Eröffnungskonzert des hauseigenen Konzerthausorchesters Berlin wurde mit dem französischen Dirigenten Marc Minkowski einer der interessantesten Pultstars (ohne jegliche Allüren!) eingeladen. Für sein Programm wählte er Werke eines Franzosen, César Franck, der in seiner Heimat nach dem deutsch-französischen Krieg für zu „deutsch“ gehalten wurde und eines Deutschen, Richard Wagner, der immer wieder versucht hatte, an der Opéra Fuß zu fassen, dessen Musik der Mehrheit des damaligen Publikums aber zu wenig den französischen Gepflogenheiten entsprach – bei einer Minderheit allerdings zu beinahe ikonischer Verehrung führte, zum sogenannten „Wagnérisme“.
Minkowski und das Konzerthausorchester eröffneten also mit Francks genialer Sinfonie in d-Moll. Wunderschön spielten die tiefen Streicher das die Sinfonie prägende tragische Thema, sanft setzten die Violinen ein. Dem Dirigenten gelang es hervorragend, den Stimmungs- und Spannungsaufbau zu gestalten, zupackend steuerte er auf die Kulminationspunkte zu, wechselte gekonnt zwischen Spannung und Entspannung. Die Hörner intonierten mit fantastischer Reinheit das pastorale Seitenthema, welches sich dann durch die Bläsergruppen fortentwickelte. Mit bewegender Ekstase schwenkte das Orchester ins Finale des Kopfsatzes ein. Sehr schöne herausgearbeitet dann die Kontrastwirkung dazu im Lento: Die Harfenistin wurde von den feinen Pizzicati der Streicher im liedhaften Thema begleitet, bevor das Englischhorn mit der zauberhaft melancholischen Kantilene einsetzte. Mit mystischer Spannung wurde das Wechselspiel zwischen ersten und zweiten Geigen und der Flöte angegangen. Con attaca schwenkte man dann in den Jubelcharakter des Finalsatzes ein, gelangte vom Dunkel der fahlen Tiefen ins Licht. Das triste Thema des Kopfsatzes schimmerte nochmals kurz auf, hatte jedoch gegen den feurig lodernden Überschwang, welcher diesen Satz hauptsächlich prägt, keine Chance mehr. Eine kunstvoll gearbeitete Sinfonie in einer begeisternden Interpretation!
Nach der Pause dann Musik von Richard Wagner: Marc Minkowski gab zuerst eine launige Einführung in die verzweifelten Versuche Wagners an der Opéra zu reüssieren. (Sein Szenario für LE VAISSEAU FANTÔME verkaufte er nach der Ablehnung dann an einen anderen Komponisten und brachte die revidierte eigene Fassung in Dresden heraus.) Im Konzert des Konzerthausorchesters nun erklang die Urfassung der Ballade der Senta (welche da noch Anna hieß). In der Originaltonart a-Moll, also einen Ton höher als in der gängigen Fassung. Doch damit hatte die Solistin Ingela Brimberg keinerlei Mühe: Welch eine Stimme! Klar, durchdringend, rein, ohne jegliches hochdramatisches Wabern, sauber geführt, ungemein ausdrucksstark, direkt unter die Haut gehend, bruchlos in die Tiefe sinkend (sie kommt wie einige der führenden hochdramatischen Sopranistinnen ursprünglich aus dem Mezzofach!) und zu lupenreinen Höhen aufsteigend in der an Weber erinnernden Jubel-Stretta. Mit leuchtenden Glockenklängen und von Trauer umflorter, aber fordernder Stimme, expressiver Tiefe und überaus sicheren Intervallsprüngen gestaltete sie dann auch die das Konzert beschließende Schlussszene der Brünnhilde aus der GÖTTERDÄMMERUNG, Starke Scheite schichtet mir dort. Marc Minkowski und das riesige Konzerthausorchester Berlin (vier Harfen!) erweckten dieses finale Feuerwerk an Ring-Motiven mit hervorragender Plastizität zum Leben, besonders schön herausgearbeitet natürlich das immer wieder aufs Neue Gänsehaut erregende „Wundermotiv“. Vor diesem Höhepunkt erklangen noch Ouvertüre und Bacchanal aus TANNHÄUSER: Wunderbar in Balance gehalten der Beginn mit dem Pilgermotiv der Bläser und den bewegenden Wogen der Streicher, einfach himmlisch schön. Genau akzentuiert, ohne jegliches Verwischen dann die chromatisch einsetzende Venusbergmusik, rauschend, orgiastisch, erotisch. Ein überaus beglückendes Konzerterlebnis in einem der weltweit schönsten Konzertsäle!
Kaspar Sannemann 25.2.16
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