Premiere am 28.November 2014
..immer wieder Särge
Im Februar hat Dietrich Hilsdorf in Bonn Verdis Verona-Oper inszeniert, mit bombastischen Haupt- und Staatsaktionen, vielfach ironisch gebrochen, aber auch mit einer Szene, wo der König von einem Revolutionär durch einen Gewehrschuss massakriert wird. „Große Politik“ reklamiert auch PHILIPP HIMMELMANN für seine Düsseldorfer „Aida“. Immer wieder werden Särge mit Kriegerleichen zeremoniell hereingetragen, auch im Triumph-Akt, wo euphorische Trauerrituale und ungebrochene Kampfbegeisterung miteinander wetteifern. Selbst im Nil-Akt ist die jetzt stark geschrägte Spielfläche mit Särgen vollgestellt. In die Chormassen (GERHARD MICHALSKI hat sie vokal perfekt vorbereitet) sind viele kirchliche Würdenträger integriert (die Handlung spielt jetzt in der Gründerzeit, als die Oper entstand, wird aber nicht exakt lokalisiert). „Chef“ dieser Mitra-Träger ist Ramphis, nachgerade ein zweiter Großinquisitor (so will es Himmelmann offenbar interpretieren): wenig echte Frömmigkeit, dafür ehrgeiziger Herrscherwillen. Er ist praktisch überall lauernd präsent, so auch bei der Auseinandersetzung von Amneris und Aida, lässt sich bei dieser Gelegenheit die Dienerinnen der Prinzessin gerne erotisch auf den Leib rücken.
Der erste Satz von Himmelmanns konzeptionellen Erläuterungen im Programmheft lautet: „Im Mittelpunkt des Stückes steht Aida“. Mio Dio, das haben wir bislang nicht gewusst. Aber gut, die Anmerkungen gehen dann doch tiefer und führen auch zu inszenatorischen Konsequenzen. Immer wieder senkt sich der Vorhang vor den Tableaus und lässt die Titelheldin auf der Vorderbühne mit ihren zerrissenen Gedanken und dem Publikum allein. Freilich wird dieses Gestaltungsmittel nach der Pause, vom 3. Akt an, nicht weitergeführt. Auch die wie schon erwähnt geschrägte, bis zum Schluss praktisch leere Bühne stellt einen bildästhetischen Bruch zum vorherigen Ausstattungspomp von JOHANNES LEIACKER und GESINE VÖLLM (Kostüme) dar. Zudem wirken die vielen frontalen Sängeraufstellungen, die häufige Massenstarre weniger konzeptionell bedingt als einfach nur inszenatorisch hilflos.
Dass Ramphis der heimliche Lenker des politischen Geschehen ist, wird auch dank ADRIAN SAMPETREANs machtvollem Bass zwar prinzipiell klar, bleibt dennoch ein nicht genügend ausgereizter Akzent. Wenn sich im Finalbild ein salonhaftes Plüschzimmer mit ihm, dem König und Amneris auf das Grab hernieder senkt, hätte bereits eine minimale Geste des Priesters ein signifikantes Signal abgeben können. Auch durch die Entscheidung, sich in der Gerichtsszene Ramphis und seine Mannen ausschließlich aus dem Off vernehmen zu lassen, werden Deutungschancen vertan. Und es gibt ganz einfach zu viel biederes Verismo-Theater zu sehen, dem freilich MORENIKE FADAYOMI (Aida) und SERGEJ KHOMOV (Radames) darstellerisch einiges Paroli zu bieten imstande sind.
Die beiden Sänger haben, wie auch SUSAN MACLEAN (Amneris) und
BORIS STATSENKO (Amonasro), mit Fünfzig, z.T. darüber hinaus, ein Alter erreicht, wo über das bislang verwaltete Repertoire zwangsläufig nachzudenken ist. Morenike Fadayomis Sopran besitzt inzwischen einige Vibrato-Trübungen, auch leicht klirrige Farben, das Nil-C brach ihr bei der Premiere weg (Erwähnung nur der Korrektheit halber). Noch immer vermag sie freilich belcantesk schimmernd zu artikulieren, subtile Piano-Passagen zu formulieren, auch in extremer Höhe; zudem ist und bleibt die Sängerin wie schon angedeutet eine faszinierende Bühnenpersönlichkeit. Das gilt auch für Sergej Khomov, welcher den Radames sicher in der Kehle hat (trotz einiger problematischer Extremtöne). Aber sein Organ ist im französischen Repertoire (in dieser Saison noch Werther und Don José) insgesamt besser aufgehoben, obwohl vor einiger Zeit sein Don Carlo überzeugte.
Susan Macleans Amneris besitzt Würde, weibliche Verve; die Toptöne in der Gerichtsszene führen sie allerdings an Grenzen. Dafür vermag Boris Statsenko nach wie vor aus dem Vollen zu schöpfen. Die Regie lässt ihn leider etwas im Stich. Dafür muss EVA BODOROVÁ als Priesterin mit wild geschleuderter Haarmähne immer wieder hysterisch über die Särge robben, soll damit vermutlich die Menschenmassen aufstacheln. THORSTEN GRÜMBEL verharrt als König hingegen in gelassener Attitüde, hätte aber als ein von Ramphis deklassierter Herrscher doch mehr Profil aninszeniert bekommen dürfen.
Theatralisches erklingt aus dem Orchestergraben, wo AXEL KOBER die DÜSSELDORFER SYMPHONIKER zu heißblütigem Italianità-Klang anstachelt, ohne die filigrane Lyrik der Oper zu vernachlässigen. Und so wird namentlich das Final-Duett neuerlich zu einem hochemotionalem Ereignis. Musikalisch steht an der DeutschenOper am Rhein somit fast alles zum Besten. Das Regiekonzept stieß beim Premierenpublikum aber erkennbar auf wenig Gegenliebe.
Christoph Zimmermann 29.11.14
Bilder: Rheinoper / Matthias Jung