Bücherecke: „Johann Strauss – Amerikanische Reise“, Bernhard Ecker / Peter Hosek

Privat war Johann Strauss ein zurück gezogener Mensch, der keinesfalls das Bad in der Menge suchte. Er wusste allerdings auch, dass er eine „Marke“ war und sich seinem Publikum zu „verkaufen“ hatte. Und das tat er, wo immer es nötig war. Außer seinem Wiener Ruhm war solcher in reichem Maße für sein Werk, aber vor allem für seine Person auch im Ausland zu ernten (abgesehen von beachtlichen Gagen).

Johann Strauss bereiste immer wieder mit größtem Erfolg Rußland (wo er bereits das „große Geld“ verdiente), er hatte Berlin, Paris, London, also die europäischen Großstädte, erobert. Aber seine „Super-Tournee“ machte er 1872 nach Amerika, nach Boston und New York. Das Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ überschlug sich damals in Superlativen, als es darum ging, einen „Weltfriedenstag“ zu begehen, der in Erinnerung an die Unabhängigkeit Amerikas veranstaltet wurde.

Nun, 2025 ist ein besonderes Strauss-Jahr (man muss sich daran gewöhnen, die Mitglieder der Familie nicht mehr mit „ß“, sondern „ss“ zu schreiben – früher eine angenehme Unterscheidung zu Richard Strauss). Hunderter-Jubiläen sind selten, und vor 200 Jahren, am 25. Oktober 1825, wurde Johann Strauss (später in Abgrenzung von dem berühmten Vater als „Sohn“ apostrophiert) in Wien geboren. Das letzte Strauss-Jahr ist mehr als ein Vierteljahrhundert her, als man 1999 seines 100. Todestages am 3. Juni 1899 gedachte.

Bei solchen Gelegenheiten blüht traditionell der Büchermarkt, und da die Biografien im allgemeinen lange auserzählt sind, wendet man sich Sonderthemen zu,

Der Journalist Bernhard Ecker hat bisher vor allem Politiker beschrieben (Androsch, Fischer, Van der Bellen) und ist nun bei Johann Strauss gelandet, Peter Hosek, Musiker, Veranstalter der bei Touristen populären Konzerte des Schloss Schönbrunn Orchesters, hat sich zu ihm gesellt. Gemeinsam haben sie, wie der Anhang des Buches zeigt, auch (digital) reichlich in amerikanischen Zeitungen gewühlt und gemeinsam erzählen  in lockerem Stil und mit vielen recherchierten Details von jener Reise, die Johann Strauss zum ersten und einzigen Mal über den Atlantik führte.

Gleich von Anfang an wirbeln die Superlative: Florenz Ziegfeld, der als Agent unterwegs war, um in Europa das Beste vom Besten für das Ereignis einzukaufen, konnte sensationelle Gagen anbieten. Johann Strauss (der ohne sein Orchester anreiste) bekam 20.000 US-Dollar geboten, das waren 40.000 österreichischen Gulden, nach heutiger Kaufkraft eine halbe Million Euro. Dafür machte man sich schon auf den Weg – und war bereit, schwer dafür zu arbeiten.

Allerdings bereitete schon die Hinreise dem empfindlichen, von vielen Ängsten geplagten Johann Strauss wenig Freude. Per Zug nach Bremerhaven, per Schiff „Rhein“ in der Luxusklasse in 15 Tagen nach Hoboken, New Jersey. Wobei die Autoren Privates nicht vergessen – was die Frage aufwirft, wer neben Gattin Jetty die Dame war, die Strauss zusätzlich nach Amerika begleitet hat. Die Autoren haben recherchiert, aber Genaues weiß man letztlich nicht. Dass er den „Donauwalzer“ im Gepäck hat, ist hingegen bekannt.

Per Raddampfer »Bristol« geht es von New York nach Boston, und dort ist Johann Strauss längst ein Begriff, die Strahlkraft seines Namens (und seiner Musik) eilte ihm voraus. Die Medien platzen vor Geschichten, die für jede Vorpropaganda sorgen, Reklameplakate zeigen ihn auf einer Weltkugel als Weltherrscher.

Mit enormen Zahlen wird jongliert: 100.000 Besucherinnen und Besucher im neu erbauten Coliseum, 20.000 Mitglieder im Chor, 2.000 Musizierende im Orchester. Auch wenn die Zahlen übertrieben waren – immerhin werden es an die tausend Musiker sein, die Johann Strauss dann dirigiert, als es ernst wird. Es sind heimische Musiker, die von der Arbeit mit Strauss begeistert sind. Verehrerinnen scharen sich schon bei den Proben… sie sind nur ein Teil des Dauerrummels, der um ihn veranstaltet wird.

Das Coliseum, in dem die Konzerte stattfinden, ist tatsächlich ein Neubau der Superlative ,168 Meter lang, 107 Meter breit, die Wände sind über zwölf Meter hoch. Es war die größte Konzerthalle der Welt, 60.000 Menschen passten hinein. (Das römische Kolosseum fasste 50.000 Besucher…) Strauss probt am Vormittag, am Nachmittag finden die Konzerte statt – das erste am 17. Juni 1872. Der „Donauwalzer“ ist auch in Amerika ein Schlager. Die Presse preist das Auftreten von Strauss als „musikalisches Erdbeben“. Dass er nicht nur mit dem Taktstock, sondern auch mit großer Geste mit dem Bogen seiner Geige dirigierte, reißt das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin. Das Flackernde, Elektrisierende, das von ihm ausgeht, trifft  auch den Nerv der Zeit.

Es gab zwar, das war unvermeidlich, auch ein Anti-Strauss-Lager, aber das war klein. Interessanterweise bezeichnete man ihn der hohen Honorare wegen, die er verlangte, als „kleinen nervösen Juden“, obwohl die jüdischen Vorfahren von Strauss so lange zurück lagen, dass man das in Amerika gar nicht wissen konnte… Dass er etwas von Geld verstand, steht jedenfalls außer Zweifel, wenn man bedenkt, dass er nach seinem Tod ein Vermögen von nach heutigem Wert etwas zehn Millionen Euro hinterließ.

Und klar war in Amerika: Wer sich in den Klauen der Presse fand, war Freiwild. Zu den vielen Geschichten, die erzählt wurden, gehörte, dass ein schwarzer Pudel geschoren wurde, damit Jetty die Fans mit Locken des Stars versorgen konnte…

Strauss, der – wie die Autoren es formulieren – in Boston seinen künstlerischen Marktwert austestete, bestritt den großen Ball des Weltfriedensfestes (wofür der den „Jubilee Waltz“ komponierte) und gab (ebenfalls für exorbitante Gagen) Konzerte in New York und schmeichelte die Amerikanerin in einem Interview mit den Worten, das Bostoner Ereignis sei ein „überwältigend beeindruckendes Unterfangen“ gewesen. Das war es wohl auch, und für Johann Strauss hat sich der einmonatige Amerika-Aufenthalt in jeder Hinsicht gelohnt.

Über die Fakten der farbig geschilderten Amerika-Tournee hinaus schweifen die Autoren immer wieder zur Psychologie dieses Johann Strauss, seinen Neurosen, seinen Frauengeschichten, seinen Familienbindungen, so dass über den konkreten Anlass des Buchs hinaus auch noch ein Psychogramm dieses Mannes entsteht, der als einer der wenigen den zu oft mißbräuchlich benützten Begriff „Ausnahmekünstler“ verdient wie wenige andere.

Renate Wagner, 1. Dezember 2024


JOHANN STRAUSS – AMERIKANISCHE REISE
Für Ruhm und Geld über den Atlantik

160 Seiten, Molden Verlag in Verlagsgruppe Styria, 2024