CD: „Nachhall“, Orchesterlieder von Othmar Schoeck

Abseits des üblichen Liedrepertoires schenk die Firma Schweizer Fonogramm dem aufmerksamen Hörer mit diesen Orchesterliedern von Othmar Schoeck (1886 bis 1957) eine wahre Trouvaille. Der zu Beginn stehende Liedzyklus „Nachhall“, in den Jahren 1954 bis 1956 entstanden, stellt noch einmal ein klingendes, beredtes Zeugnis von Schoecks kompositorischer Meisterschaft dar. Er fühlte sich musikalisch und als Mensch nicht mehr verstanden und wahrgenommen, gesundheitlich war er durch einen Herzanfall geschwächt.Diese Umstände fließen in die Komposition des Zyklus ein und lassen die tiefe Traurigkeit und Resignation spüren. Teilweise mit sparsamsten Mitteln entstehen so ganz individuelle Klangsphären, die den Hörer sofort in den Bann ziehen. Die Düsternis und Einsamkeit in den vertonten Gedichten von Nikolaus Lenau und mit einem Epilog von Matthias Claudius ist tief empfunden und spiegelt Schoecks Denken und Fühlen auf höchstem künstlerischem Niveau wider.

Die Dirigentin Graziella Contratto leitet das Berner Symphonieorchester mit sehr viel Einfühlungsvermögen und Raffinesse. Faszinierend, wie sie die unterschiedlichen Stimmungen herausarbeitet. Man spürt ihre große Kennerschaft und Begeisterung für den Komponisten. Das Orchester folgt aufmerksam und spielt mit luzidem Klang und höchster Eindringlichkeit. Diese ist besonders beim Zyklus „Nachhall“ zu bewundern, wo die Dirigentin und das Orchester für den Interpreten einen ergreifenden musikalischen Klangraum entstehen lassen.

Der Bariton Stephan Genz verfügt über eine wunderbar samtene, ausdrucksstarke, sofort gefangennehmende Stimme, so dass man ihm mit Begeisterung folgt. Seine klare Diktion, die nie manieriert oder aufgesetzt wirkt, lässt eine zeitweise geradezu intime Atmosphäre entstehen, der man sich nicht entziehen kann. Eine großartige Darbietung. Vor allem auch, weil er es versteht, immer, auch bei den großen Ausbrüchen, beim Leidgesang zu bleiben und nicht ins opernhafte abzudriften.

Die nachfolgenden, aus der frühen Schaffenszeit des Komponisten entstandenen Klavier-Lieder, wurden von der Dirigentin äußerst feinfühlig und mit viel Kenntnis orchestriert und bilden einen starken Kontrast zum Zyklus „Nachhall“.

Die Sopranistin Olena Tokar verfügt über eine jugendlich-lyrische Stimme, klare Diktion und nimmt sich sehr engagiert der Lieder an. Größte Intensität erreicht sie beim Lied „Peregrina II“ von Eduard Mörike. Dieses Lied ist eine Verarbeitung von Schoecks unerwiderter Liebe zur ungarischen Geigerin Stefi Geyer, und wird von Olena Tokar wunderbar gestaltet und in Töne gefasst.

Die CD ist mit einem sehr umfangreichen, mehrsprachigen und liebevoll gestalteten Bocklet ausgestattet. So kann man sich, bestens informiert, auf die Erlebnisreise in das Liedschaffen von Othmar Schoeck begeben.

Axel Wuttke, 27. Januar 2025


Othmar Schoeck: „Nachhall“. Orchesterlieder

Olena Tokar, Sopran
Stephan Genz, Bariton
Graziella Contratto, Dirigentin
Berner Symphonieorchester

Erschienen bei Schweizer Fonogramm 11705726
Dreisprachiges Bocklet mit ausführlichen Werkinformationen und Lied-Texten.
Die CD ist erhältlich über Schweizer Fonogramm und jpc.