DVD: „Macbeth“, Giuseppe Verdi

Live vom Gran Teatre de Liceu in Barcelona kommt ein bereits im Jahre 2016 entstandener Mitschnitt von Verdis Macbeth, den das Label C-major jetzt auf DVD herausgebracht hat. Bemerkenswert ist zuerst einmal, dass hier endlich einmal das Ballett im dritten Akt nicht dem Rotstift zum Opfer fiel. Dafür ist den Verantwortlichen sehr zu danken.

Regisseur Christof Loy hat in Zusammenarbeit mit seinem Bühnenbildner Jonas Dahlberg und der für die Kostüme zuständigen Ursula Renzenbrink hervorragende Arbeit geleistet. Seine Inszenierung ist gut durchdacht, spannend umgesetzt und weist zudem einen hohen innovativen Gehalt auf. Loy ist kein Freund von konventionellen Deutungen. Vielmehr siedelt er die Handlung um den grausamen Despoten in einem durchgängig von Grautönen dominierten modernen Ambiente an. Das Ganze ist augenscheinlich dem Film Noir und seiner Schwarz-Weiß-Ästhetik nachempfunden. Das Einheitsbühnenbild gemahnt ein wenig an das Herrenhaus Manderley aus Hitchcocks Film Rebecca. Die Bühne wird von mehreren Zwischenvorhängen eingenommen. Hier wartet der Regisseur gekonnt mit dem von Bertolt Brecht kreierten Prinzip des Theaters auf dem Theater auf. Auch um Tschechow‘ sche Elemente ist er nicht verlegen und gönnt den beteiligten Personen hier und da auch mal einen Auftritt an Stellen, an denen Verdi für sie einen solchen eigentlich gar nicht vorgesehen hat. So steht während der ersten Arie der Lady Macbeth neben ihr. Den Brief, den sie dabei liest, hat er kurz zuvor, für das Publikum sichtbar, verfasst. Nachdem im vierten Akt Lady Macbeth ihr Una macchia gesungen hat, verweilt sie weiter auf der Bühne und haucht am Ende von Macbeths Pietá, rispetto, amore ihr Leben aus. Diese Arie wird zum Klagegesang des grausamen Despoten auf seine sterbende Frau. Hier offenbart sich nachhaltig, dass Macbeth auch zu tiefen Gefühlen fähig ist und seine Gattin wirklich geliebt hat.

Das Bild, in dem diese sterbend zusammenbricht, hat man bereits zu Beginn gesehen. Loy erzählt das tragische Geschehen nämlich als Rückblende aus der Perspektive des am Ende seiner Schreckensherrschaft angelangten Macbeth. Ab hier spult die Geschichte zurück zu den Hexen, die Loy als mit Bärten ausgestattete männliche Dienstboten deutet. Auf diese Weise verbindet er geschickt das Übernatürliche mit der Alltagswelt des Hofes (vgl. Booklet). Insgesamt ist Loys Inszenierung sehr psychologisch angehaucht. Mit großem Können stellt er eine tiefschürfende Innenschau der Titelfigur auf die Bühne, bei der das Thema Psychoanalyse ganz groß geschrieben wird. Sigmund Freud lässt grüßen! Dieser hoch geistige Ansatz des Regisseurs offenbart sich hier immer wieder. Er wird insbesondere in der Bankett-Szene des zweiten Aktes deutlich, wenn Macbeth von entsetzlichen Halluzinationen geplagt wird. Sein schlechtes Gewissen wird übermächtig. Der Geist Bancos bleibt in diesem Bild unsichtbar. Dessen bedarf es in dieser Deutung auch nicht. Alles entspringt dem Inneren der Titelfigur. Die Produktion weist viele derartige starke visuelle Impressionen auf. So wenn sich ein nackter Statist unter die Hexen mischt. Nicht minder eindrucksvoll mutet die Szene an, in der Macbeth die in Glaskästen aus dem Boden aufsteigenden, als künftige Könige gezeichneten Söhne des ermordeten Banco imaginiert. Das ist alles sehr überzeugend und wird von Loy mit Hilfe einer stringenten Personenregie äußerst kurzweilig auf die Bühne gebracht.

Am Pult überzeugt Giampaolo Bisanti mit einer von wunderbarer Italianita versehenen, kompakten und von großen Bögen geprägten Interpretation von Verdis Partitur. Das bestens disponierte Orchester des Gran Teatre del Liceu setzt seine Intentionen routiniert und mit großer Verve um.

Auf hohem Niveau bewegen sich die sängerischen Leistungen. In der Partie des Macbeth zieht Ludovic Tézier sämtliche Register seines großen Könnens und zeichnet ein eindringliches Rollenportrait des verbrecherischen Despoten, den er mit vorbildlich italienisch fokussiertem, robustem und klangvollem Bariton auch hervorragend singt. Neben ihm bewährt sich als Lady Macbeth die ebenfalls trefflich fundiert und ausdrucksstark singende sowie eine angenehme Höhe aufweisende Martina Serafin. Sonores, farbenreiches Bass-Material bringt Vitalij Kowaljow in die Rolle des Banco ein. Ein angenehmer, hell timbrierter, dabei solide gestützter Tenor zeichnet den Macduff von Saimir Pirgu aus. Albert Casals ist ein kraftvoll singender Malcolm. David Sánchez (Doktor) und Anna Puche (Kammerfrau) machen ihre Sachen tadellos. Lediglich mittelmäßig mutet Marc Centurri an, der in den drei kleinen Rollen des Dieners, des Herolds und des Mörders stimmlich nicht viel zu bieten hat. Ansprechend entledigt sich der Chor des Gran Teatre del Liceu seiner Aufgabe.

Fazit: Eine sehr zu empfehlende DVD, deren Kauf durchaus lohnt. Das Geld ist gut angelegt.

Ludwig Steinbach, 29. März 2025


DVD: Macbeth
Giuseppe Verdi

Gran Teatre del Liceu, Barcelona

Inszenierung: Christof Loy
Musikalische Leitung: Giampaolo Bisanti

C-Major
Best.Nr.: 768908
2 DVDs