DVD: „Un ballo in maschera“, Gran Teatre del Liceu

Bei dem Label c-major ist ein bereits im Jahre 2017 am Gran Teatre del Liceu in Barcelona entstandener Live-Mitschnitt von Verdis Un ballo in maschera auf DVD erschienen. Hierbei handelt es sich um eine beachtliche Angelegenheit. Der Kauf der DVD ist, um das Fazit einmal vorwegzunehmen, durchaus zu empfehlen. Regisseur Vincennt Boussard ist in Zusammenarbeit mit Bühnenbildner Vincent Lemaire und Christian Lacroix  (Kostüme) eine eindrucksvolle Gratwanderung gelungen. Was sie auf die Bühne bringen, stellt ein gelungenes Gemisch aus modernen und konventionellen Elementen dar, das für jeden Geschmack etwas bereit hält. Das Regieteam lässt die Handlung in einem karg, nur spärlich eingerichteten Einheitsraum spielen, in denen die Gefühlswelten der Handlungsträger viel Platz erhalten, um sich zu entfalten. Das Bühnenbild stellt eine Art Bilderrahmen dar. Die unterschiedlichen emotionalen Regungen der beteiligten Personen werden vom Regisseur gekonnt mit Licht und Schatten versinnbildlicht. Der Mond gibt dem Ganzen ein romantisches Flair. Dabei wird immer wieder eine Projektion des historischen Königs Gustav von Schweden sichtbar, das Vorbild des Riccardo in der Oper, der auf einem Maskenball ermordet wurde.

Riccardo ist zuerst allein auf der Bühne. Mit dem Rücken sitzt er zum Publikum und wartet, was auf ihn zukommt. Die sich zu ihm gesellenden Frauen Amelia und Ulrica bemerkt er gar nicht. Er ist zunächst konventionell gewandet und legt erst in der von einem Gehängten dominierten Friedhofsszene einen zeitgenössischen dunklen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte an. Amelia ist modern und schwarz, Ulrica ausgesprochen traditionell eingekleidet. Altmodisch gekleidet kommt auch der Page Oscar daher. Die Verschwörer, Renato und der Chor tragen Anzüge aus unserer Zeit. Die im zweiten Bild um Ulrica versammelten Frauen sind ein bunt gemischter, zeitgenössisch gedeuteter Haufen. Einige Mädchen tragen nur Pyjamas. Männer bemerkt man hier nicht, nur einige Knaben werden sichtbar. Insgesamt ist Boussard eine von einer eindringlichen Personenregie geprägte, atmosphärisch dichte Inszenierung gelungen, die durch ihren minimalistischen Charakter nur noch stärker wirkt. Dazu gesellt sich eine eindringliche Zeichnung der Figuren. Um gute Symbolik ist der Regisseur ebenfalls nicht verlegen. So steht im dritten Akt ein Spielzeugauto für den kleinen Sohn von Renato und Amelia, der hier gar nicht in Erscheinung tritt. Am Ende erscheinen die Ballgäste in opulenten konventionellen Kostümen in dem nun von einem Kronleuchter dominierten und jetzt zudem hell verhängten Ballsaal. Ulrica wird von einer Seitenloge aus zur Zeugin des Mordes an Riccardo. Außerhalb des Bilderrahmens, aus dem er am Ende heraustritt, bricht der Herrscher schließlich tot zusammen. Das ist alles recht überzeugend.

Dirigent Renato Palumbo und das trefflich disponierte Symphonie-Orchester des Gran Teatre del Liceu erzeugen einen von vortrefflicher Italianita geprägten Klangteppich, der sich zudem durch große Emotionen und vielfältige schöne Nuancierungen auszeichnet.

Auf hohem Niveau bewegen sich die sängerischen Leistungen. Mit ungeheurem Elan stürzt sich Piotr Beczala in die Rolle des Riccardo, die er nicht nur überzeugend spielt, sondern mit einem Höchstmaß an Intensität und italienischem Schmelz auch hervorragend singt. Die anfängliche Treue zu Riccardo sowie später den großen Hass auf ihn kann Carlos Alvarez äußerlich ausgezeichnet vermitteln. Auch gesanglich vermag er mit seinem robusten, bestens italienisch geschulten und klangschönen Bariton für sich einzunehmen. Voll und rund singt Keri Alkema die Amelia, der sie auch darstellerisch gut gerecht wird. Einen voll klingenden pastosen Mezzosopran bringt Dolora Zajick in die Partie der Ulrica ein. Eine vorbildlich fundierte Sopranstimme sowie eine leichte, flexible Stimmführung zeichnen den Oscar von Katerina Tretyakova aus. Als Samuel und Tom steuern Roman Ialcic und Antonio Di Matteo tadellose, sonore Bassstimmen bei. Mit lyrischem Bariton singt Damián Del Castillo einen ansprechenden Silvano. Nicht zu gefallen vermögen die dünnen und jeglicher soliden Körperstütze abholden Stimmen von Joan Prados (Richter) und Josep Lluis Moreno (Amelias Diener). Eine ansprechende Leistung erbringt der von Conxita Garcia einstudierte Chor des Gran Teatre del Liceu.

Ludwig Steinbach, 4. Mai 2025


DVD: Un ballo in maschera
Giuseppe Verdi

Gran Teatre del Liceu, Barcelona
Inszenierung: Vincent Boussard
Musikalische Leitung: Renato Palumbo