Das Kölner Kammerorchester sieht seinem hundertjährigen Bestehen in 5 Jahren entgegen…
Bis 2023 gehen zwar noch einige Jahre ins Land, aber beim Kölner Kammerorchester (KKO) ist der Blick schon jetzt fest auf dieses Datum gerichtet, denn dann besteht es – als ältestes Kammerorchester Deutschlands – seit sage und schreibe hundert Jahren. Für die Gründungsidee im Jahre 1923 war die Überlegung ausschlaggebend, Kompositionen der Barockzeit und der Klassik in einer „werkgerechten Interpretation“ zu vermitteln, ein Begriff, welcher seit den endfünfziger Jahren durch die Bezeichnung „historisch informierte Aufführungspraxis“ abgelöst wurde. Auf Hermann Abendroth, von 1914 bis 1934 vor Ort künstlerischer Leiter des Gürzenich-Orchesters, folgte sein Schüler Erich Kraack, welcher die Konzerte des KKO für eine längere Zeit ins nahe gelegene Leverkusen verlegte. 1963 übernahm Helmut Müller-Brühl den Klangkörper rückte ihn nicht zuletzt durch eine Schweiz-Tour mit Wilhelm Kempff nachhaltig ins Licht der Öffentlichkeit. Aufführungen in Deutschland fanden hauptsächlich im prunkvollen Brühler Schloss statt, dessen festliches Ambiente im Verein mit den musikalischen Genüssen für starken Publikumszuspruch sorgte. Ab 1988 etablierte man in der Kölner Philharmonie zusätzlich die Reihe „Das Meisterwerk“, welche bis heute besteht. Im Rahmen dieser Veranstaltungen waren so manche prominente Künstler zu hören bzw. solche, die es einmal werden sollten. Julia Fischer beispielsweise gab hier im Alter von 17 Jahren ihr Debüt.
Für die Breitenwirkung der Arbeit des KKO sorgten nicht wenig die über 200 CD-Aufnahmen, welche in Zusammenarbeit mit dem engagierten und seine Verkaufspreise niedrig haltenden Label Naxos entstanden. Viele von ihnen sind noch heute erhältlich. Im Falle der Edition von Bachs Orchesterwerk gab es in einer Fachzeitschrift folgende bezeichnende Rezension zu lesen: „Helmut Müller-Brühl liefert ein überzeugendes Argument dafür, dass die Wahl zwischen alten und modernen Instrumenten bei Bach zweitrangig sein kann, wenn der Interpretationsansatz stimmt. Mit der richtigen Mischung aus historischen Informationen und gutem Geschmack arbeitet der Dirigent den Basisgehalt der einzelnen Bachischen Sätze klar heraus. Da wird deutlich artikuliert, schwungvoll und federnd musiziert, ohne dass dieser Stil zur bloßen Masche würde.“ Zu den Einspielungen unter Müller-Brühl während seiner letzten Amtsjahre gehören u.a. die fünf Klavierkonzerte Beethovens mit wechselnden Solisten, unter denen sich auch der junge Igor Levit befindet. Diese phonografische „Hoch“zeit ist inzwischen abgeebbt, was angesichts der gegenwärtigen Fülle, ja Überfülle an Spezialorchestern bzw. -ensembles allerdings kaum verwundern kann.
Mit dem Tod des fast achzigjährigen Helmut Müller-Brühl im Jahre 2012 trat ohnehin einer markante Zäsur ein. Als Nachfolger des den Stil des Orchester so maßgeblich prägenden Dirigenten wurde Christian Ludwig auf Zeit berufen. Es gelang dann, mit Christoph Poppen einen Principal Guest Conductor zu gewinnen, welcher sich nicht zuletzt durch seine Vielseitigkeit empfahl. Bis 1997 war der ausgebildete Geiger Primarius des Cherubini-Quartetts, eine Tätigkeit, welche er dann zugunsten einer Karriere als Dirigent aufgab. Es würde zu weit führen, alle seine Positionen (viele auch im Ausland) aufzuzählen, wobei neben dem Konzert auch die Oper eine gewichtige Rolle spielt. Die besonders prägenden Jahre beim Münchner Kammerorchester und bei der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken/Kaiserslautern sollten allerdings erwähnt werden.
Beim KKO hat Christoph Poppen einem dezidierten Publikumsgeschmack Tribut zu zollen. Barock und Klassik (mit leichter Ausweitung ins frühe 19. Jahrhundert) sind vornehmlich gefragt; daran hat sich seit den Jahren Helmut Müller-Brühls zunächst einmal wenig geändert. Mit den Entwicklungen nachfolgender Epochen vertraut zu machen und Lust auf Neues zu erwecken ist aber Poppens erklärte Absicht und wird eine spannende, aber sicher auch anstrengende Aufgabe in Zukunft sein. Am weitesten wagt sich in der kommenden Saison ein Konzert am 17. Februar vor, in welchem der Tenor Christoph Prégardien u.a. Gustav Mahlers Gesellenlieder vortragen wird. In seinem gestalterischen Mut weiß sich Christoph Poppen eines mit dem Orchester, wo die Zusammenarbeit gemäß vielen Bekundungen als beflügelnd und harmonisch bezeichnet wird. Oft fällt in Bezug auf den Dirigenten das Wort „Charisma“, welches auch das Publikum bei den Konzerten spüren dürfte
Die Höhenflüge der künstlerischen Zusammenarbeit wirken sich hoffentlich auch günstig auf die finanzielle Situation aus. Bis heute verdankt das KKO seine Existenz alleine privater Unterstützung, die man aber auszuweiten hofft. Dem Vorsitzenden des Vorstandes Kölner Kammerorchester e.V., Franz Xaver Ohnesorg, ehemals Intendant der Kölner Philharmonie und heute Leiter des Klavier-Festivals Ruhr, gelang es mit seinem von künstlerischen Idealen getragenem Geschäftssinn, neben dem Kuratorium Kölner Kammerorchester nun auch noch einen „Förderkreis 100 Jahre KKO“ und einen „Freundeskreis KKO“ (unterschiedliche Mitgliedsbeiträge) zu etablieren. Einen finanziellen Zugewinn bedeutete auch das Benefizkonzert am 11. März, bei welchem Juliane Banse (Gattin von Christoph Poppen), Dietrich Henschel, Michael Barenboim (Sohn von Daniel B.), Frank Peter Zimmermann mit Sohn Serge und Elisabeth Leonskaja unentgeltlich mitwirkten.
Dank Christoph Poppens internationalen Kontakten bestreitet das KKO inzwischen auch eine Vielzahl von Auslandsgastspielen. Hervorzuheben ist für den kommenden Juli die erneute Mitwirkung beim Festival Internacional de Musica do Marvao, von Poppen ins Leben gerufen und inzwischen längst führende Kulturadresse in Portugal. Für 2019 sind Reisen nach Korea, Taiwan und (!) China geplant. In jüngster Zeit fanden diverse Auftritte in den Niederlanden statt. Aber auch in deutschen Städten ist man ständig präsent, für welche stellvertretend Heimbach mit seinem Festival „Spannungen“ genannt sei (nächstes Konzert am 16. Juni).
Weiterführende Informationen unter www.koelner-kammerorchester.de
Christoph Zimmermann 21.3.2018
Bilder (c) Koelner-kammerorchester.de