Kontrapunkt: „Neue Oper für Düsseldorf – Fragwürdiger Paukenschlag“

Was ist der Beschluss eines Stadtrats wert? Wer die Ereignisse zum Neubau der Düsseldorfer Oper verfolgt, kommt schnell zu dem Schluss: Eigentlich nichts. Im vergangenen Jahr beschlossen die Stadtoberen, den Neubau an derselben Stelle zu errichten wie die alte Oper. Am 24. Juni dieses Jahres verkündete der Oberbürgermeister den „Beschluss“, die Oper werde nun doch an einen anderen Standort verlegt. Es gibt dazu keinen Beschluss. Ob es überhaupt eine neue Oper geben wird, steht derweil in den Sternen.

Das Opernhaus der Landeshauptstadt Düsseldorf ist baufällig. Gutachten zeigen, dass eine Sanierung nicht in Frage kommt. Bis hierhin besteht Einigkeit. Und eigentlich gibt es einen Ratsbeschluss vom Juni vergangenen Jahres, der besagt, dass das Haus abgerissen und am Standort des alten Opernhauses neu gebaut wird. Es gehört ja zum Trend der „neuen Zeit“, Fakten zu ignorieren und lieber etwas zu unternehmen, was einem mehr Spaß bereitet. Nach dem gefassten Beschluss fiel den „Grünen“ ein, dass die Stadt Düsseldorf dringend Geld für Klimaschutz und Radwege brauche, also eigentlich kein Geld für eine neue Oper vorhanden sei. „Baumschützer“ haben inzwischen eine Petition eingereicht, um alte Baumbestände im Hofgarten, einem Park, der unmittelbar neben der alten Oper liegt, zu schützen. Schließlich drohten bei einem Neubau Baumfällungen. Gut, das weiß noch gar keiner, weil es keinen gültigen Entwurf eines Neubaus gibt. Aber sicher ist sicher. Und die SPD wäre zwar prinzipiell mit einem Neubau einverstanden, verlangt aber, dass im Gegenzug 8.000 neue Wohnungen in Düsseldorf entstehen müssen. Die Diskussionen über alternative Standorte ebben nicht ab. Gern schüren die Tageszeitungen vor Ort das Feuer. Am 27. Juni soll der Stadtrat nichtsdestotrotz über die Ausschreibung des Architektenwettbewerbs beschließen.

So war zumindest der Stand der Dinge bis zum 24. Juni. An diesem Montag verkündete Oberbürgermeister Stephan Keller einen neuen „Beschluss“. Die Oper werde nun am Wehrhahn gebaut. Einen Beschluss gibt es nicht, es kann allenfalls von einer Idee des Oberbürgermeisters die Rede sein. Der Wehrhahn liegt am östlichen Rand der Innenstadt und war einer der möglichen Standorte in der Diskussion, weil dort ein Kaufhaus geschlossen werden musste und jetzt leer steht. Nun hat die Stadt das Grundstück offenbar zum Kauf angeboten bekommen. Man höre und staune: für einen „niedrigen dreistelligen Millionenbetrag“. Und schon ist zu hören, dass dadurch die Kosten für eine Interimsspielstätte wegfielen, die beim Neubau an alter Stelle notwendig wäre. Die Kosten wurden mit 75 Millionen Euro veranschlagt. Lobend erwähnt wird auch, dass am Wehrhahn 9.000 statt am Hofgarten 5.300 Quadratmeter zur Verfügung stünden, die bebaut werden könnten. Im Falle eines Neubaus am Wehrhahn kämen allerdings noch beträchtliche Instandsetzungskosten für das alte Opernhaus hinzu. Jetzt sind die Mathematiker gefragt, wie man das schönrechnen kann.

Es gab gute Gründe im letzten Jahr, warum man sich für den alten Standort und gegen mögliche „Alternativen“, darunter den Wehrhahn, entschieden hat. Gilt jetzt für den OB plötzlich nicht mehr. Wir machen ja die Welt, wie sie uns gefällt. In den vergangenen Jahren hat die Gegend um den Wehrhahn enorm an Attraktivität verloren. Zwei Kaufhäuser haben geschlossen, Ein-Euro-Läden sind eröffnet worden, Parkraum wurde verknappt und so verteuert, dass er für den Durchschnittsverdiener kaum mehr erschwinglich ist. Es gibt eigentlich keinen Grund mehr, sich in die Gegend zu begeben. Ein Opernneubau, so ist in einem Architektenentwurf zu lesen, könne die Gegend wieder beleben und aufwerten. Im selben Entwurf steht dann auch, dass die Oper eine Tiefgarage und einen direkten U-Bahn-Zugang bekommen könne. Wie genau sorgen solche Maßnahmen für die Belebung eines Viertels? Wenn Opernbesucher in den Abendstunden möglichst unbehelligt an- und abreisen können? Der Laie geht ja eher davon aus, dass man zur Belebung eines Stadtviertels günstigen Wohnraum braucht, der neue Bewohner anlockt.

Diskussion und Ereignisse sorgen für ungläubiges Kopfschütteln. Und ein gesundes Misstrauen über die tatsächlichen Beweggründe der Akteure. Denn bis heute ist nichts davon zu hören, was aus dem Filet-Grundstück der jetzigen Oper werden soll, wenn die Oper unbedingt einen anderen Standort bekommen muss. Dass es renaturiert werden wird, um den Hofgarten zu erweitern – daran glaubt wohl nicht einmal der Redakteur einer Düsseldorfer Tageszeitung, der allen Ernstes in seinem Kommentar die Notwendigkeit einer Oper in einer Landeshauptstadt negiert. Wenn die Diskussion dieses Niveau erreicht, müssen die Kulturverantwortlichen der Stadt es allmählich mit der Angst um den Erhalt der Oper zu tun bekommen. Wie wäre es eigentlich, wenn der Stadtrat und mit ihm der Oberbürgermeister sich einfach an die geltenden Beschlüsse halten? Das Grundstück kann die Stadt ja trotzdem aufkaufen. Um beispielsweise für bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt zu sorgen. Zugegeben, eine ungewöhnliche, wenn nicht unspektakuläre Idee – aber im Sinne der Bürger. Kommt ja nicht mehr so oft vor.

Michael S. Zerban 26. Juni 2024

Hrg. O-Ton


P.S. Hrg. DER OPERNFREUND

Als alter Ex-Düsseldorfer erlaube ich mir ein ketzerisches Post Scriptum: Wenn das wahr wird, hat es unsere NRW Landeshauptstadt geschafft. Platz Eins in der Hitparade der deutschen Städte mit dem größten Verkehr-Chaos aller Zeiten. Bitte kommen Sie in den nächsten 10 Jahren dann nur und ausschliesslich mit dem Fahrrad zur Oper, die alte Oper (jenes Gebäude, wo sie schon bisher nie einen Parkplatz fanden 😉 läuft ja noch weiter, falls sie bis denne nicht zusammenstürzt.