Am 12. Oktober 2024 feierte Mieczylaw Weinbergs Oper „Die Passagierin“ in Lübeck ihre von Presse (Cover und Beitrag in der Zeitschrift Opernwelt) und Publikum begeistert aufgenommene Premiere. Korrespondierend zum Thema hat der leitende Dramaturg für das Musiktheater, Dr. Jens Ponath, ein spartenübergreifendes Begleitprogramm initiiert, das aus Filmvorführungen im Kommunalen Kino Lübeck, Vorträgen im Willi-Brand-Haus und Konzerten bestand.
Krönender, faszinierender Abschluss dieses Programms war das Konzert in der Lübecker Synagoge. Auf dem Programm stand das „Quatour pour la fin du Temps“ von Olivier Messiaen. Die Verbindung von jüdischem Gotteshaus (Weinberg war jüdischen Glaubens, die Vorlage für die Oper “Die Passagierin“ stammt von einer bekennenden Katholikin) und Komposition eines streng gläubigen Katholiken schaffte einen einmaligen Gedankenkosmos, der schon im Vorwege zur Auseinandersetzung aufforderte.
Messiaen komponierte dieses Quartett 1941 in einem Kriegsgefangenenlager in Görlitz. Gedanklich ist die Komposition von der Offenbarung des Johannes geprägt. Seine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, die er musikalisch durch verschiedene Kombinationen der Instrumente vermittelt, machen dieses Werk zu einem mediativ-spirituellen Erlebnis, dem man sich nicht entziehen kann.
Auch wenn dieses Werk beim erstmaligen Hören nicht in jedem der acht Sätze sofort zugänglich ist, wird man trotzdem durch die verschiedenen Klangbilder von Anfang an zur Teilhabe an der Imaginationskraft des Komponisten und seinen Intentionen, angezogen.
Geradezu überirdisch in der musikalischen Ausarbeitung sind die Sätze fünf und acht, die sich beide auf Jesus beziehen. Vom Aufbau sehr ähnlich, handelt es sich bei ersterem um einen Satz für Cello und Klavier und beim letzten um einen Satz für Violine und Klavier. Beide Sätze sind Ausdruck tiefen Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Die Verbindung dieser religiösen Komponenten durch das hörbare Mitempfinden hinterlässt einen tiefen Eindruck.
Der tiefempfundene Dank und Beifall des Publikums galten wohlverdient den vier Solisten dieses mehr als außergewöhnlichen Konzerts. Bei allen spürte man das innerliche Bedürfnis, dieses Werk aufzuführen. Um die Leistung der Künstler zu würdigen, müsste man alle in einem Satz nennen. Das Zusammenspiel, der Kontakt untereinander, dass unmittelbare Vermitteln von Gedanken und Gefühlen dieser besonderen Partitur übertrug sich sofort auf das Publikum.
Die im Klarinettensolo des dritten Satzes erforderliche Vielfalt der Vogelstimmen wurden, genauso wie die aus dem Nichts anschwellenden Töne der langsamen Teile, vom Klarinettisten Andreas Lipp wunderbar ausgespielt. Faszinierend auch die breit angelegten, von Carlos Johnson, Violine, und Hans-Christian Schwarz, Cello, ausgespielten Melodien und die im äußersten Piano verklingenden hohen Töne.
Magda Amaras intensives Spiel steuerte, besonders in den erwähnten langsamen Sätzen, eine sich in der Dynamik stetig steigernde, emphatische Klangsinnlichkeit, bei.
Diese Konzert-Erlebnis kling lange nach. Wünschenswert wäre eine Wiederholung, evtl. auch an einem anderen Ort. Die Faszination dieser Komposition, der gedankliche Kontext, die menschliche Botschaft, die Kraft der Musik und die Interpretation durch die vier Künstler, fordern dies geradezu heraus.
Ein besonderer Dank gebührt Dr. Jens Ponath für seinen Einsatz für dieses exemplarische Begleitprogramm und allen daran Beteiligten.
Hochachtung!
Axel Wuttke, 12. Mai 2025
Quartett für das Ende der Zeit
Olivier Messiaen
In Kooperation mit der Jüdischen Gemeinde Lübeck
anlässlich der Inszenierung der Oper »Die Passagierin« von Mieczysław Weinberg am Theater Lübeck
Synagoge der Jüdischen Gemeinde Lübeck
Klarinette Andreas Lipp
Violine Carlos Johnson
Violoncello Hans-Christian Schwarz
Klavier Magda Amara