Winterthur, Konzert: „Mozart, Rachmaninow, Elgar“, Roberto González-Monjas & Musikkollegium Winterthur

Gleich in allen drei der an diesem Abend gespielten Werke führten uns deren Komponisten durch eine Mal amüsante, dann wieder rätselhafte, mal kopflastig-akademische, dann wieder hochromatisch bewegende, mal verspielt jazzige, dann wieder klassisch strenge Welt an Variationen, wobei nur bei Elgar der Begriff „Variationen“ im Titel explizit vorkommt. Aber auch eine kunstvoll gearbeitete Fuge mit ihren Umkehrungen und Spiegelungen des Themas ist ja eine Art Variation und eine Rhapsodie über ein vorgegebenes Thema natürlich sowieso. 
Am Anfang des Konzerts erklang Mozarts Zweisätzer Adagio und Fuge, KV 546, ein ebenso faszinierendes wie ungewöhnliches Werk und eine relativ selten in der orchestrierten Fassung erklingende Komposition. Roberto González-Monjas am Pult des außerordentlich konzentriert spielenden Musikkollegiums Winterthur ging die Einleitung mit bezwingender Dramatik an, die Musik verharrte im Tragischen. Die unmittelbar anschließende Fuge, dieses kontrapunktische Meisterwerk Mozarts, wirkte außerordentlich lebhaft und der Streicherklang blieb trotz klanglicher Massierung überaus transparent. Um alle Fallen und Feinheiten von Mozarts Auslegung des strengen Regelwerks der Fuge herauszuhören, ist es lohnend, sich diese kurze Komposition mehrmals anzuhören.
Die 24 Variationen über ein Thema von Paganini, welche seine Rhapsodie bilden, sind schlicht von überwältigender Eindringlichkeit, hintergründig, kunst- und lustvoll und von unfassbarer Virtuosität. Yulianna Avdeeva war die wunderbare Solistin am Flügel und wurde allen Aspekten dieses fantastischen Werks gerecht. Mal knallig die Akkorde anschlagend (Assoziationen an Mussorgskys „Das große Tor von Kiew“ tauchen vor dem inneren Ohr auf), dann wieder sich wie verträumt in sanft perlenden Passagen wiegend. Hymnische Erhabenheit wechselte mit Kadenz artiger Rasanz, leidvoll klagte die Solovioline dazwischen, spätromantische Atmosphäre wurde beschworen, dann knallte und ratterte es wieder im Stil der Zeitgenossen Rachmaninows der 1930er Jahre. Nervöse Mechanik wurde von Beckenschlägen zum Stillstand gebracht und mit emphatischen Steigerungen und einem kleinen Witz am Schluss endete das fulminant gespielte Werk.

Roberto González-Monjas und das Musikkollegium Winterthur schafften es trotz aller klanglichen Dichte, immer wieder das Paganini – Thema durchschimmern zu lassen. Yulianna Avdeeva spielte ein ruhiges, sanft und herrlich perlend intoniertes Stück von Chopin als heftig applaudierte Zugabe. 


Elgars „Enigma“ Variationen über ein eigenes Thema folgten nach der Pause. Roberto González-Monjas gelang es wunderbar, diesen so typischen Streicherklang Elgars herauszuarbeiten. Er ließ den Bratschen in der ersten Variation z. B. viel Zeit zum Ausschwingen Lassen des Klangs. Der ohne Partitur dirigierende Chefdirigent des Musikkollegiums entwickelte mit seinem hervorragend spielenden Orchester eine klangliche Faszination, die zu berühren und zu begeistern vermochte, regelrecht in Bann zog.  Ich habe die Enigma Variationen schon oft im Konzertsaal und auf Einspielungen gehört. Aber so konzentriert und gefesselt von dieser wunderbaren Musik war ich noch selten! Das war ein erhebendes Schwelgen in Elgars Klangmagie und Roberto González-Monjas und das Musikkollegium Winterthur evozierten diesen warmen Streicherklang, diese luftig wirkenden Einwürfe der Holzbläser und die gewichtigen Passagen des Blechs aufs Allerschönste. Als dann das Orchester so feinfühlig in die 9. Variation einstieg (Nimrod), den Kulminationspunkt mittels dynamisch klug austarierter Steigerung erklomm und danach die Musik sanft verhallen ließ, wäre man vor Rührung und Dankbarkeit am liebsten niedergekniet. Doch noch folgten fünf weitere Variationen, z. T. fein hingetupft, dann wieder vor Lebendigkeit sprühend und am Ende die unterschiedlichen Stimmungen triumphal vereinend, auch das Pathos durchaus artikulierend, dann durch ein leichtes accelerando vorwärtsdrängend, um am Ende geradezu zu explodieren. Sie Edward Elgars Musik (und auch die seines Zeitgenossen Ralph Vaughn Williams) verdient unbedingt hierzulande vermehrt in die Programmierung von Konzerten miteinbezogen zu werden! Riesiger Applaus für ein wahrlich außerordentliches Konzert!
Kaspar Sannemann 14. Dezember 2024


Konzert
Winterthur

Wolfgang Amadeus Mozart: Adagio und Fuge in c-Moll, KV 546
Sergej Rachmaninow: Rhapsodie über ein Thema von Paganini in a-Moll, op. 43
Edward Elgar: Enigma Variationen, op. 36

Solistin: Yulianna Avdeeva
Dirigat: Roberto González-Monjas
Musikkollegium Winterthur