Bratislava: „Rusalka“, Antonín Dvořák

Wieviel musikalische Schönheiten in Dvoraks neunter Oper stecken, braucht man wohl keinem Opernfreund erklären, welch Fülle an unterschiedlichsten Gefühlen in diesem Märchen stecken, das Jaroslav Kvapil nach – nicht nur – slawischen Volksmythen über die „rusalky“ – Wassergeister, Nixen – geschaffen hat, stecken erfährt man aber in vollem Umfang nur, wenn das Stück „märchengerecht“ in Szene gesetzt wird, wenn Musik, Text und das optische Bild sich zu einem kongenialen Ganzen verbinden. Dann fühlt, liebt, leidet man mit – wird bis tief ins Innerste berührt und erfährt jene raren magischen Momente, nach denen wir Opernfreunde lechzen!

© Zdenko Hanout

Glücklicherweise geschah das an diesem Freitagabend in der slowakischen Hauptstadt. Der aus Bratislava stammende Martin Kakos hat das Stück tatsächlich als Märchen inszeniert, im wunderbaren Bühnenbild von Milos Ferencik und prächtigen Kostümen von Ludmila Varossova. Sie kreierten um einen hölzernen Steg am Weiher im Wald ein geheimnisvolles, mystisches Ambiente, das einem in den Bann zog, wie der Mond, der im Hintergrund leuchtete, den Rusalka ja dann in ihrer ersten, liedhaften Arie besingt. Aber zuvor kamen die drei munteren, spielfreudigen Nixen/Elfen (Andrea Vizvari, Renata Harant Bicankova und Monika Kyskova) – stimmlich ein wenig unausgewogen, da Erstere in der höheren Lage viel zu laut sang, die Dritte über weite Strecken kaum hörbar war und sich im dritten Akt in den kurzen Soli sich bestätigte, dass die Zweite die angenehmste Stimme besaß und auch am geschmackvollsten einsetzte. Sie neckten den Wassermann Jozef Benci – sowohl von der Physis als auch von seinem basso profondo her bestens geeignet und eine großartige Leistung bietend. Sehr differenziert, mit vielen Facetten klagte er („Beda , Beda „ Rufe), donnerte seinen Zorn und tröstete er die unglückliche Rusalka: im zweiten Akt die Arie war so berührend wie selten gehört, aber da ging schon das berührende Rezitativ davor so unglaublich unter die Haut, wo er und Rusalka sich austauschen. Eben diese Rusalka, die sich nichts Sehnlicheres wünscht, als eine menschliche Gestalt, in der sie dann trotzdem nicht ihr „kühles Nixenblut“ ablegen, verändern kann, begann im ersten Akt ein wenig verhalten, schien es mir. Aber nein, der Schein sollte trügen: wenn auch Eva Hornyakova über keine große Stimme verfügt, so über ein klares, exzellent durchgebildetes Organ, in allen Lagen bis zu den Spitzentönen ohne jegliche Anstrengung oder störendes Vibrato anspringend, bestens tragend, einer sagenhaften Diktion und von süßem Timbre! Zur musikalisch differenzierten Gestaltung kommt noch eine enorme Bühnenpräsenz, ein wunderbar natürliches, sympathisches Spiel – mit einem Wort eine ohne Zweifel Spitzeninterpretin dieser Figur, die man einfach ins Herz schloß. Kein Wunder, daß dies auch der Prinz tat, der ihr ebenbürtig, sie mit strahlenden Tenorkantilenen „eroberte“ und ein kongenialer Partner war. Tomas Juhas scheint am Zenit seiner Karriere, unglaublich mit welch scheinbarer Mühelosigkeit er diese doch anspruchsvolle Rolle nicht nur bewältigt, sondern brilliert! Da kommen auch die heikelsten Stellen – etwa im Finale – wie selbstverständlich. Auch er technisch perfekt – ein Klang in allen Lagen, kein „Zerbröseln in mehrere Stimmen, eingebettet in die Gesangslinie: der legitime Nachfolger des unvergesslichen Peter Dvorsky, gemeinsam mit ihm der beste Interpret, den ich in dieser Partie live gehört habe (und ich habe viele Produktionen gesehen, da die „Rusalka“ zu meinen absoluten Lieblingswerken zählt)! Im zweiten Akt brach dann die Fremde Fürstin wie ein Elementarereignis herein: mit füllig hochdramatischem Sopran, großvolumig und kräftig bis in die (unangenehm liegenden) Spitzentöne riß Katarina Hano Florova nicht nur den Prinzen hin!

© Zdenko Hanout

Kein Wunder, daß er so einem sinnlich – intensiven „Vollblutweib“ verfallen musste – sie könnte auf jeder Bühne der Welt reüssieren, war einfach fabelhaft! Vielleicht einziger Einwand: „dämonisch“ wirkte sie, trotz einiger orgelnder Töne, kaum– sie „schaffte“ die Verführung auch ohne Zauberkräfte. Diese beschwor Denisa Hamarova als Jezibaba im ersten Akt sehr glaubwürdig, aber ein wenig „schaumgebremst“ trotz einer beeindruckenden Darstellung. Im dritten Akt ging sie auch stimmlich mehr aus sich heraus – der geschmackvoll eingesetzte Mezzo verträgt ruhig auch ein paar „veristische“ Phrasen, um sich effektvoller in Szene zu setzen, was ihr ebenda besser gelang. Veronika Bilova gab einen munteren Küchenjungen mit erstaunlich voluminösem Sopran, den man durchaus auch gerne in größeren Rollen hören möchte. Pavol Remenar lieferte als Heger und Jäger ein Kabinettstückchen ab, routiniert mit kräftigem Bariton.

Das alles unterlegte Tomas Brauner nicht nur mit der feinen, wundervoll vom Orchester des SND ( Slovenske Narodne Divadlo) – mit vielen wundervollen Soli – interpretierten Partitur von Meister Dvorak, sondern gestaltete, korrespondierte (mit der) und führte die Bühne souverän und mit vielen Nuancen. Eine spannende, prachtvolle Wiedergabe, wo auch der ausgezeichnete Chor des SND seinen Anteil daran hatte. Schade, daß im Finale einige Male die Projektionen der vorbeiziehenden Wolken ausfielen – aber eigentlich störte es gar nicht! Denn Eva Hornyakova und Tomas Juhas waren derart überzeugend, daß man von deren singen und agieren so gebannt war, dass der Hintergrund, ja alles drumherum zur Nebensache wurde. So eindringlich habe ich die Szene kaum noch erlebt, Hornyakova schaffte es durch ihre Anmut und Ausstrahlung der irrlichtenden Rusalka auch da noch zutiefst menschliche Züge zu geben… Das Zusammenspiel mit dem so überzeugend reumütigen und ebenso intensiv agierenden Tomas Juhas hätte nicht besser sein können. Es rührte wirklich zu Tränen…

Trotz kräftigem Beifall fiel der viel zu kurz – und auch zu schwach! – aus für eine Vorstellung, die absolut außergewöhnlich war!

Michael Tanzler 28. April 2025

Dank an unseren Kooperationspartner Merker-online (Wien)


Rusalka
Antonín Dvořák
Slowakisches Nationaltheater Bratislava

25. April 2025

Regie: Martin Kakos
Dirigat: Tomas Brauner
Orchester des SND