Ein gelungener Start am neuen Spielort
In diesem Jahr zog der Wiener Opernsommer, dessen Intendant Joji Hattori ist, vom Belvedere in die neugeschaffene OPERNARENA AM HEUMARKT auf der Seite des Wiener Konzerthauses um, also eh gleich in die Nähe der klassischen Musik – ein passender Move also. Wie in Klosterneuburg unter dem neuen Intendanten Peter Edelmann mit der „Tosca“ gab es auch am Heumarkt einen echten Klassiker, Giuseppe Verdis „La traviata“. Und die Atmosphäre auf dem recht großen Areal, im Winter von den Wienern eifrig zum Eislaufen genutzt, stellte sich tatsächlich als sehr einnehmend für ein solches Spektakel dar. Es bietet auch eine beachtliche, an diesem Abend allerdings nicht ganz ausgenutzte Sitzplatzkapazität und viel Raum für Pausenbeköstigung. So war für das äußere Wohl gesorgt.

Für das allerdings viel wichtigere künstlerische jedoch auch. Nicht nur waren die sängerischen Leistungen von hohem Niveau. Auch die Inszenierung von Dominik am Zehnhoff-Söns im die Seitenfassade des Konzerthauses geschickt steigernden Bühnenbild von Manfred Waba, der auch sehr stimmungsvolle Projektionen auf die Aufbauten warf und damit dramaturgische Entwicklungen sinnvoll akzentuierte, war beeindruckend. Für das Lichtdesign war mit dem Regisseur auch Simon Locher verantwortlich. Zehnhoff-Söns inszenierte das Stück bewusst in der Originalzeit, um das feine Geflecht aus gesellschaftlichem Druck und persönlichem Schicksal zu zeigen und die Authentizität zu wahren, die Verdi und Piave ihrer Violetta gegeben haben.
Dazu lässt er den berühmten Wiener Schauspieler Karl Markovicz als Giuseppe Verdi als Sprecher auftreten, dessen revolutionäre Einstellung, sowohl politisch wie künstlerisch, er zeigen will. Es geht ihm aber nicht nur um eine Vermittlung der Handlung, sondern um eine Stimme, die aus unserer Zeit zum Publikum spricht, ohne den Geist der Epoche Verdis zu verleugnen. So wird dieser Giuseppe Verdi nicht nur zum Erzähler, sondern zum Mitstreiter und Zeugen, sowie zur Projektionsfläche unserer heutigen Fragen nach Gerechtigkeit, Mitgefühl – also Empathie – und Freiheit. Das war ein exzellenter Regieeinfall, den Markovicz glanzvoll ausführte, natürlich im Gewand des Komponisten, ebenfalls wie alle anderen geschmackvollen Kostüme von Manfred Waba geschaffen. Das Bühnenbild stellte eine barocke weiße Fassade dar, etwa des herrschaftlichen Eingangsportals eines Schlosses, und diente mit mehreren Abstufungen zu choreografisch effektvoll geführten Einlagen des Tanzensembles, was Begeisterung im Publikum hervorrief.

Cristina Pasaroiu war eine von Beginn an sichtbar leidende Violetta mit kraftvollem und ausdrucksstarkem Sopran, die alle Facetten der sich so tragisch entwickelnden Rolle ausloten konnte. Wirklich berührend waren ihre finalen Monumente, wo sie nach einem verzweifelten letzten vokalen Ausbruch mit Giuseppe Verdi in ein hell gleißendes Nichts schreitet, was aber auch versöhnlich wirkte. Aufgrund einer Indisposition von David Kerber als Alfredo sprang kurzerhand der US-amerikanische Tenor Aaron McInnis ein, der an sich den Gaston gesungen hätte und damit beweisen konnte, dass er mit dieser kleinen Rolle unterbesetzt war. Denn er machte vokal seine Sache sehr gut, auch höhensicher, ließ es allenfalls etwas an Charisma fehlen. Der Regisseur mimte dafür den Gaston!
Der ukrainische Bariton Stepan Dobrit sang an diesem Abend den Giorgio Germont, stimmlich recht gut, aber von der Persönlichkeit her und dem großen Anspruch, Violetta von ihrer Liebe zu seinem Sohn Alfredo abzubringen, wohl nicht so eindrucksvoll wie der Österreicher Thomas Weinhappel in dieser Produktion. Ghazal Kazemi war stimmlich wie darstellerisch eine sehr gute Flora und Juliette Khalil eine emotional verbindliche Annina mit ebenfalls guter Stimme. Ejnar Čolak als Baron Douphol und Alexander Dimitrov als Marquis d’Obigny sowie Doktor Grenvil rundeten das gute Ensemble ab.

Intendant Joji Hattori dirigierte das in einer kastenartigen Box mit Einsicht neben der Bühne sitzende Wiener Kammerorchester mit ruhiger Hand, vielleicht nicht immer ganz die Schärfe des dramatischen Moments treffend, was bei solch einem Arrangement immer auch an der akustischen Logistik liegen kann. Der Philharmonia Chor Wien unter der Leitung von Prof. Walter Zeh brachte die nicht zuletzt von den Salzburger Festspielen gewohnte exzellente Leistung.
Klaus Billand, 19. Juli 2025
La traviata
Giuseppe Verdi
Opernarena am Heumarkt, Wien
Wiener Opernsommer
Besuchte Aufführung am 4. Juli 2025
Premiere am 1. Juli 2025
Inszenierung: Dominik am Zehnhoff-Söns
Musikalische Leitung: Joji Hattori
Wiener Kammerorchester