Philharmonie am 19.04.2014
Großes festliches Sinfoniekonzert
Karfreitag, hundert Jahre seit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs und der 150. Geburtstag von Richard Strauss – welches Programm wäre da passender als Mozarts Maurerische Trauermusik, Regers Hebbel-Requiem und Strauss‘ Tondichtung „Ein Heldenleben“ gewesen! Im Rahmen der Festtage der Berliner Staatsoper dirigierte Daniel Barenboim die Staatkapelle in der ausverkauften Philharmonie, in der viele Touristen verzweifelt ihre Plätze suchten, weil rechts und links nicht für jeden selbstverständliche Anweisungen sind.
Von Geheimnissen umweht wie Auftraggeber und Bestimmung des Requiems ist auch dieses ebenfalls aus der Spätzeit stammenden Werkes. Die Staatskapelle spielte es mit seidigem Streicher- und noblem Bläserklang.
Wer wegen Plácido Domingo gekommen war, erlebte zunächst eine Enttäuschung, wenn er im Programmheft zur Kenntnis nehmen musste, dass sich dessen Beitrag im Reger-Requiem auf einen Text von Friedrich Hebbel auf ein mehrfach wiederholtes „Seele, vergiss sie nicht, Seele vergiss nicht die Toten, Seele vergiss se nicht“ beschränkte. Was der Bariton in sehr guter Verfassung aber daraus machte, an dunkler Farbgebung und sich steigernder Intensität, war bewundernswert wie auch die Beherrschung der tiefen Töne. Das Requiem entbehrt jeder Hoffnung auf Wiederauferstehung, nur im Gedächtnis der Lebenden ist den Toten noch ein kurzes Weiterleben vergönnt. Wird ihrer nicht gedacht, „erstarren sie, bis hinein in das Tiefste!“ Reger komponierte das Werk im Andenken an die in den Jahren 1914 und 1915 gefallenen deutschen Soldaten. Auch der Chor der Staatsoper unter Martin Wright lotete die Spanne zwischen Resignation und Aufbegehren eindrucksvoll aus. Die Staatskapelle breitete unter den Stimmen einen Teppich eindringlicher Beschwörung aus.
Sicherlich nicht mehr nach dem Ersten Weltkrieg hätte Strauss ein Werk wie „Ein Heldenleben“ komponieren können, auch wenn die siegreich verlassene Walstatt nicht die des kriegerischen, sondern des künstlerischen Helden sein sollte. Barenboim und die Staatskapelle verleugnen nicht die Verwandtschaft des Werks mit Wagnerscher Leitmotivik, arbeiteten Details fein umrissen und Kontraste wirkungsvoll heraus und gerieten nie in Gefahr, unkonturiert pompös zu werden. Mit genau dem richtigen Nachdruck wurden Zitate aus früheren Werken des Komponisten als solche gekennzeichnet. Besonders hervorzuheben ist der Konzertmeister Wolfram Brandl, leider nicht im Programmheft aufgeführt, der für die „Gefährtin des Helden“ zärtliche und anmutige Töne fand.
Selbst wer zunächst mit dem nur kurzen Auftritt Domingos gehadert hatte, war, wie der tosende Beifall zeigte, am Ende hochzufrieden.
19.4.2014 Ingrid Wanja
Fotos: Monika Rittershaus