Diese Produktion von Andrej Serban aus 2007 ist kein besonders gelungener Streich (auch abgesehen von Regiefehlern wie den Nonnen, die dem neuen jungen Abbé in St. Sulpice verzückt lauschen, während es sich doch um exaltierte Damen der Gesellschaft handelt), denkt man an die den aus dem Orchestergraben singenden Chor als Darsteller ersetzenden Pappkameraden oder die Darstellung Brétignys als Zuhaelter. Ihr Interesse bezog die Premiere durch die Besetzung mit Anna Netrebko und Roberto Alagna, aber sie ist immerhin ein brauchbares Vehikel für Umbesetzungen: Als Des Grieux habe ich, die nur selten nach Wien kommt, z.B. den damals +bereits bekannten, aber noch nicht zum Superstar avancierten Jonas Kaufmann gehört oder auch Juan Diego Florez bei seinem Rollendebuet.
Die Titelrolle sang nun die Russin (mit offenbar armenischen Wurzeln) Kristina Mkhitaryan, deren gesangliche Leistung mit ausgezeichnet aufblühenden Höhen mehr als lobenswert war, während die Umsetzung der Nuancen der Figur zwischen naiv, sinnlich und mondän etwas bemüht wirkte. In der Darstellung hat die Netrebko in dieser Inszenierung Maßstäbe gesetzt, mit denen sich alle Nachfolgerinnen schwer taten. (Ein atemberaubend intensiver Moment kam auch von Natalie Dessay in Genf, wenn sie einen verzweifelten Willen zur Erhaltung von Jugend un Vergnügen in ihren Auftritt im Cours-la-Reine legte). Die Interpretation von Mkhitaryan darf aber durchaus als tadellos bezeichnet werden. Ihr Partner Vittorio Grigolo passte mit seinem bekannten Überschwang zunächst gut zur Figur des auf den ersten Blick unsterblich verliebten jungen Mannes und sang trotz kleiner Manierismen wie ausgestellten piani auch den „Reve“ sehr schön. Ab St. Sulpice gewann aber ein keineswegs französischer, geradezu veristischer Stil die Oberhand, was sich auch auf die zuvor gute Aussprache des Tenors auswirkte. Eine Ueberbesetzung für den Lescaut war eigentlich Mattia Olivieri, der seine kleinen Arien sehr schoenstimmig darbot und auch mit seiner Spielfreude gefiel. Als Graf Des Grieux war Dan Paul Dumitrescu eine wie immer sichere Bank, Thomas Ebenstein lieferte eine Charakterstudie des unangenehmen Guillot de Morfontaine, gegen den der Brétigny von Martin Haessler etwas abfiel. Harmonisch der Zusammenklang von Poussette (Ileana Tonca), Javotte (Alma Neuhaus) und Rosette (Teresa Sales Rebordao aus dem Opernstudio).
Der in Wien erstmals auftretende Emmanuel Villaume dirigierte einen sehr dramatischen Massenet mit Neigung zur Lautstärke, aber der Klang des Wiener Orchesters beglückt den Gast in jedem Fall.
Der von Grigolo zusätzlich animierte Beifall war heftig, aber kurz.
Eva Pleus, 28. November 2024
Manon
Jules Massenet
Wiener Staatsoper
17. November 2024
Inszenierung: Andrej Serban
Musikalische Leitung: Emmanuel Villaume
Orchester der Wiener Staatsoper