Im Schlosstheater des Neuen Palais war am 18.6. auch der 1.Akt der Premiere dieses Sommers, Johann Adolph Hasses PIRAMO E TISBE, zu sehen, während der 2. – nach einem Intermezzo im Gartensalon am Neuen Palais – im restaurierten Heckentheater zu erleben war. Die Geschichte des verliebten Paares, das im gemeinsamen Freitod endet, kennt man vor allem aus der Handwerker-Aufführung in Shakespeares A Midsummer Night’s Dream, die auch John Neumeier in seiner choreografischen Version der Komödie so hinreißend umgesetzt hatte. Hasses Werk gehört zur seltenen Gattung des Intermezzo tragico und ist eine seiner letzten Kompositionen. 1768 wurde sie in der Nähe von Wien im Rahmen einer Liebhaberauf-führung aus der Taufe gehoben, drei Jahre später auf Wunsch Friedrichs II. im Schlosstheater von Sanssouci gezeigt. Die deutsche Starsopranistin Elisabeth Schmehling sang die Tisbe, der Soprankastrat Giovanni Carlo Concialini den Piramo. Hier hörte man den australischen Sopranisten David Hansen, der diese extrem hoch notierte und virtuose Partie mit Anstand bewältigte, gelegentlich zwar ein paar metallisch-klirrende und später auch gequält klingende Spitzentöne vernehmen ließ, aber auch mit weichen piani und süßen Klängen erfreute. Sehr schön mischte sich seine Stimme mit dem lyrischen Sopran von Bénédicte Tauran, die eine empfindsame Tisbe gab, sehr farbig und differenziert sang und ihre reizenden, Koloratur geschmück- ten Arien mit großer Delikatesse und viel Gefühl vortrug. Carlo Vincenzo Allemano sang den Vater mit weichem, baritonal grundiertem Tenor, war aber auch zu resoluter Attacke und ausbrechendem Zorn ob der ungehor- samen Tochter fähig. Am Ende büßt er angesichts des tragischen Ausgangs seine Schuld mit dem Tode.
Regisseur Igor Folwill lässt den Ausgang allerdings offen – der Vater greift zwar nach dem Dolch, aber den entscheidenden Stich sieht man nicht mehr. Seine lebendige Inszenierung wird bestimmt von einer surrealen Bühnen- landschaft von Manfred Kaderk mit Wolkenhintergrund, Felsplateau, illumi- nierten Schminktischen und Heckensegmenten. All diese Elemente – sogar das Proszenium mit seinen vergoldeten Palmen – wiederholen sich später auf der Bühne des Heckentheaters, wo die angestrahlten Bäume und Sträu- cher samt dem abendlichen Himmel einen sehr stimmungsvollen Rahmen bilden. Ute Frühlings Kostüme fügen sich stilistisch bestens ein. Als com- media dell’arte-Figuren treten DIE ARISTOKRATEN – Jongleure, Stelzen-läufer, Akrobaten, Sprungkünstler, Seiltänzer – auf und bringen sich als schwarze Engel oder Teufelchen auch ins Spiel ein. Beim Divertissement im Gartensalon zur Pause sorgen sie außerdem für Unterhaltung, akustisch untermalt von einem Bläsersextett mit Ausschnitten aus Kompositionen von Haydn und Telemann. Geriet diese musikalische Umrahmung etwas zähflüssig und laienhaft, war das Spiel des flämischen Barockorchesters B’ROCK unter Leitung von Andrea Marchiol die reine Freude. Der Dirigent traf einerseits den galant-höfischen Stil der Musik genau, besaß aber auch den Nerv für ihren innovativen Charakter, ihre neue Klangsprache, welche die Grenzen der opera seria sprengt. Plastisch heraus gearbeitet wurden die Kontraste der Komposition, die starke emotionale Zeichnung der Figuren und ihrer Schicksale. Musikalisch konnte die nunmehr dritte friderizianische Spielstätte nicht glücklicher eingeweiht werden!
Bernd Hoppe