Datum: 18.5.2019
Bläserquartett mit Klavier
Die Konzerte bei KammerMusikKöln zeichnen sich durch ambitionierte Programme und oftmals rare Besetzungen aus, was einander teilweise bedingt. Der jüngste Abend (18.5., Wiederholung 19.5. in Bonn) geriet in dieser Hinsicht freilich nicht direkt extravagant. Daß bei zwei Werken die Flöte im traditionellen Bläserquintett ausgespart blieb und sich statt dessen dem Ensemble Oboe, Klarinette, Horn und Fagott ein Klavier hinzugesellte, war letztlich keine Besonderheit.
Ludwig van Beethovens Quintett opus 16 aus der Jugendzeit des Komponisten orientiert sich an den höfischen Tafelmusiken des 18. Jahrhunderts. Allerdings werden dem Klavier hervorstechende Aufgaben zugewiesen, was sich nicht zuletzt daraus erklärt, daß Beethoven ein aktiver Pianist war und sich viele Parts in die eigenen Finger schrieb. Im dritten Satz, einem Andante cantabile, wird dies besonders deutlich. Jetzt trat der 1981 geborene Nicolas Rimmer quasi in Beethovens Fußstapfen, titanenhaft nicht so sehr wegen seiner schlanken Erscheinung, sondern wegen eines großflächigen, aufrauschenden Spiels und einem sehr körperhaften Agieren. Der oft sehr orchesterhafte Klang des Instrumentes prägt Beethovens Quintett nachdrücklich. Tom Owen hatte es nicht immer ganz leicht, sich mit seinem zarten Oboenton durchzusetzen, was allerdings auch mit der Akustik des atmosphärisch attraktiven Sancta Clara-Kellers oder auch dem benutzten Zuhörersitz zu tun haben könnte. In toto geriet die Widergabe jedoch ungemein überzeugend.
„Mozarts geistige Erben“ war der Abend überschrieben. Dies eine Anspielung auf KV 452, ein Werk, vor dem auch Beethoven hohen Respekt hatte. Mozarts Musik gibt sich ungemein spielerisch und leichtfüßig, wenn auch nicht leichtgewichtig. Um den besonderen Mozart-Zauber überzeugend Klang werden zu lassen, gehört eine delikate interpretatorische Feinabstimmung. Bei den jetzigen Musikern (drei stammten aus dem Gürzenich-Orchester) war sie auf glückliche Weise gegeben.
Für Carl Reinecke fühlte sich Nicolas Rimmer zu einer kleinen Ansprache motiviert. Reinecke sei, wie der Komponist selber mit leichter Traurigkeit zugab, keiner in wirklich führender Position gewesen, habe immer etwas im Schatten von Koryphäen gestanden. In summa mag das stimmen, aber sein Trio opus 188 für Oboe, Horn und Klavier wartet doch mit vielen individuellen Ideen in punkto Themenverarbeitung, Harmonik und Tempomodifikationen auf. Im Scherzo spielen sich die beiden Bläser auf kokette Weise Dreitonfolgen zu. Das finale Allegro ma non troppo gibt sich heiter und apart. Zudem viel romantischer Aufschwung. Gerne ein baldiges Wiederhören.
Ein leichtes Defizit des Werkes besteht freilich in der Besetzung. Das Klavier als Klangfundament geht natürlich in Ordnung, aber Oboe und Horn (Egon Hellrung, weitgehend spielsicher) sind keine Instrumente, die sich klanglich wirklich stimmig ergänzen. Sie musizieren mehr oder weniger nebeneinander her. Das genaue Gegenteil ist bei Michail Glinkas „Trio pathétique“ der Fall. Klarinette und Fagott verschmelzen tonlich perfekt, das Klavier agiert virtuos im Hintergrund. Von „pathétique“ ist übrigens nicht sehr viel zu spüren. Der Finalsatz mit seinen häufigen Abwärts-Tonleitern wirkt sogar ausgesprochen kapriziös. Der sehr körperbewegte Blaz Sparovec und Pieter Nuytten gaben ein tolles Duo ab und wurden von Rimmers aufmunterndem Spiel bestens unterstützt.
Ein ausgedehnter, schöner und atmosphärischer Abend, vom Publikum, welches den Clara-Keller zur Gänze füllte, ausgiebig bejubelt.
Christoph Zimmermann 6.5.2019
Bild (c) Sancta-Clara-Keller.de