Premiere am 5.11.2010
Inszenierung, Bühnen- und Kostümentwürfe stammen von Hansgünther Heyme, dem Intendanten des Theaters im Pfalzbau, der auch der spiritus rector dieser Gemeinschaftsproduktion mit dem Theater Halle ist. Auch durch die Person des Dirigenten, Karl-Heinz Steffens, GMD sowohl der Staatskapelle Halle als auch der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, die an diesem Abend in Ludwigshafen spielte, sind die beiden Orten verbunden.
Den Zuschauer empfängt im Saal statt des roten Samtvorhangs ein aus fast 200 quadratischen Flicken zusammengesetzter Vorhang mit bunten Kinderbildern; Bilder, die Hoffnung und Ängste ausdrücken. Hier hat wohl auch das Lehrpersonal thematisch mitgewirkt. Zwischen der Bildern prangt die Inschrift: „Vor-Schein auf der fernsichtreichen Höhe der Zeit.“ (E. Bloch). Aus dem Programm zu entnehmen: dies ist der Vorhang der Hoffnung. Vor Beginn der Vorstellung lesen zur Einführung zwei Jugendliche mit Emo-Frisuren abwechselnd Texte aus den Nornenerzählungen der Götterdämmerung vor: Einführung in die Grundlagen der Geschichte.
Nach dem Vorspiel öffnet sich ein dreieckiger Bühnenraum: vorne verläuft quer zur Rampe eine schnurgerader Wasserrinne, an der die Rheintöchter plantschen, dahinter ein tiefer Graben vor der Bühnenfläche die rechts von einer bühnenhohen schrägen schwarzen Wand begrenzt ist, auf welcher in Matrixdruckerqualität Zahlen über Zahlen sowie alphanumerische Kombinationen in Kolonnen und Zeilen geschrieben stehen. Vor dieser Wand sind auf halber Höhe drei Käfige angebracht, in welche die wartenden Götter am Ende des zweiten Bilds steigen und sich dort zur Ruhe legen. Auf der linken Seite steht eine unordentliche Regalwand, vor welcher das Reisegepäck der Götter (Umzug nach Walhall) abgestellt ist. Durch einen türgroßen Durchbruch der Regalwand treten die Riesen auf. Zum dritten Bild wird noch eine große Traverse herabgefahren, die als zusätzliche Spielfläche quer auf der Bühne steht.
Das Spiel von Alberich mit den Rheintöchtern im ersten Bild ist sehr lebhaft und aggressiv gestaltet. Alberich fällt dabei mehrmals bäuchlings in den Wasserlauf. Seine Misshandlung kann einem Leid tun. Das Gold wird aus dem Wasserlauf mit einem langen Netz gefischt, mit dem sich Alberich davonmacht. Die Töchter, mit hochgesteckten Frisuren in lange kimono-ähnliche Gewänder gekleidet jammern ihm hinterher. Im zweiten Bild schält sich Wotan, auf einem Feldbett aufwachend aus einer Plastikplane, Fricka hockt unter einer ebensolchen am Regal. Die Götter treten in schicken Geschäftsanzügen auf; Loge im edlen Tuchmantel über einem Nadelstreifen mit rotem Tuch. Die Göttinnen in weißen Kleidern; Fricka lang und Freia kurz. Die Riesen sehen oben mit Hut wie Zimmerleute aus, tragen aber einen langen schwarzen Rock und werden von Kindern hereingeführt, was laut Regisseur ausdrücken soll, dass Walhalla in Kinderfron errichtet wurde. Den Riesen werden immer noch zwei große flache Papptorsos auf großen Lanzen beigestellt, zwischen die im vierten Bild der Hort getürmt wird. Bei Loges Auftreten geht noch an der Bühnenrampe ein flammendes Rohr in Betrieb. Die Verwandlungsszenen im dritten Bild bleiben ohne Reiz: Der Riesenwurm wird dadurch dargestellt, dass Alberich ein totes Huhn schwenkt; in der zweiten Verwandlung bleibt er, wie er ist, und bekommt zur Gefangennahme einen Plastiksack über den Kopf gezogen. Die Übergänge von „lichter Höhe“ nach Nibelheim werden überhaupt nicht bebildert. Im vierten Bild wird Alberich auf einen rasch herbeigezogenen Seziertisch gelegt, wo ihm der Ringfinger abgetrennt wird. Der Totschlag an Fasolt wird durch Erwürgen mit einem Faden bewirkt, wozu die Schläge der Pauke besonders gut passen… Fasolt werden die Schuhe ausgezogen und in ein Fach an der rechten Nummernwand gelegt. Etwa die Wand des Todes? Die wird dann in den drei nachfolgenden Abenden noch häufiger benötigt werden. Fächer sind genug vorhanden. Im Bühnenhimmel schweben Todesengel umher. Eine originelle Idee des Regisseurs sollte aber nicht verschwiegen werden. Erda wird aus der schwarzen Wand des Todes als Prostituierte in einem kleinen Kämmerchen herausgefahren. Sie will Wotan wohl mit „Minnezauber“ bezwingen, anders zwar als von Wagner getextet, aber auch so herum kann ja Brünnhilde entstehen. Zum Schluss werden noch einmal fünf Käfige aus dem Bühnenhimmel heruntergelassen, mit bunten Stoffbahnen in der Reihenfolge der Regenbogenfarben verhängt. In diesen fahren die Götter mit ihrem Reisegepäck zu Walhalla auf. Es waren noch zwei nicht zu spezifizierende stumme Darsteller aufgetreten, die nun zusammen mit Loge und den Rheintöchtern zurückbleiben.
Heyme wollte mit dieser Produktion laut eigener Aussage einen neuen sozialkritischen Ansatz schaffen; aber es ist nichts weiter herausgekommen als eine unaufregende Bebilderung mit Klischees, die man fast alle schon gesehen hat: vom Rhein bei Ludwigshafen nichts Neues. Die Inszenierung wirkt nicht geschlossen. Etliche Einzelheiten bleiben selbst nach der Lektüre des Programms unverständlich. Lediglich in der Personenführung liegen hier und da belebende Elemente. Viel lieber hätte der Verfasser noch einmal das in Mannheim in der letzten Spielzeit eingestellte Reingold von Martin Schüler gesehen.
Die musikalische Seite des Abends konnte die sehr mäßige Inszenierung nicht beleben. Das Orchester begann mit einem etwas breiigen Hörnerklang in dem bekannten Es, der 136 Takte lang immer weiter anschwoll und dabei die Entwicklung des ersten Motivs völlig zudeckte. Wollte Karl-Heinz Steffens vielleicht das Motiv des Werdens vor den Zuschauern geheim halten? Ansonsten wirkte sein Dirigat hier und da etwas eigenwillig bis zum Operettenhaften; von großen Bögen und Spannung keine Spur. Die bei Wagner so wichtige dramatisierende Kommentierung durch das Orchester fand nicht statt. Dazu waren die Instrumentalisten nicht auf der Höhe, zu viele Patzer.
Unter den Sängern, zum größten Teil aus dem Ensemble der Oper Halle, bestach Julia Faylenbogen als Erda mit betörendem Alt. Alberich (Gerd Vogel) konnte im dritten Bild mit kernigem Bassbariton aufwarten, nachdem er im ersten Bild durch seine akrobatischen Plantsch-Einlagen beim Singen doch arg gestört war. Der Wotan des Gérard Kim wurde in der Höhe sehr dünn, im Spiel blieb er statisch. Paul McNamara konnte gesanglich mit seinem geschmeidigen, beweglichen gut verständlichen Tenor punkten und spielte auch seine Rolle ordentlich. Ulrike Schneiders Fricka war darstellerisch souverän, sie brachte einen runden voluminösen Mezzo, der aber in der Höhe ziemlich flackerte. Anke Berndt als Freia konnte die Erwartungen an ihre Rolle gesanglich nicht erfüllen. Ralph Ertel als Mime solide, ebenso das „Heda, Hedo!“ von Ásgeir Páll Agústsson. Unter den Riesen dominierte auch gesanglich der Fafner von Christoph Stegemann.
Das Premierenpublikum füllte die 1200 Plätze des Theaters und spendete großen anhaltenden Beifall. Auch die zweite Vorführung des Rheingolds in Ludwigshafen war als ausverkauft gemeldet. Es folgen noch zwei Vorstellungen in Halle. Hansgünther Heyme wollte auch mit Werbeaktionen im Umfeld das Ring-Ereignis zur Oper für alle machen. Da die Oper in Ludwigshafen und Halle jeweils nur zweimal gegeben wird, fragt sich, welche alle er wohl gemeint hat Kontraproduktiv für alle auch die Karten- und Programmpreise.
Manfred Langer