Premiere: 9. September 2015, besuchte Vorstellung: 11. September 2015
Die Möglichkeit zwei Rheingold-Inszenierungen innerhalb zweier Tage zu erleben, zu erleben, hat man nicht alle Tage. Der Mindener Richard-Wagner-Verband und die Ruhrtriennale bringen ihre Produktionen innerhalb weniger Tage heraus.
In Minden gibt es zwar ein hübsches Kleines Theater mit 568 Plätzen, jedoch kein eigenes Opernensemble und kein eigenes Orchester, dafür einen sympathisch größenwahnsinnigen Wagner-Verband. Der hat seit 2002 in Koproduktion mit der Nordwestdeutschen Philharmonie Herford bereits vier Wagner-Opern heraus gebracht, zuletzt 2012 „Tristan und Isolde“. Dabei war immer klar, dass man irgendwann um den „Ring des Nibelungen“ nicht herum kommen würde und nun startet das auf fünf Jahre angelegte Großprojekt.
Da es in Minden nur einen kleinen Orchestergraben gibt, ist die Nordwestdeutschen Philharmonie auf der Bühne platziert, die Spielfläche besteht daher nur aus dem Bereich des Orchestergrabens und dem vorderen Bühnenbereich. Mit Ausstatter Frank Philipp Schlössmann, der gerade erst „Tristan und Isolde“ in Bayreuth und dort auch schon die Inszenierung von Tankred Dorst ausgestattet hat, hat man sich in Minden einen der größten Namen der Zunft engagiert.
Sein Bühnenbild besteht aus einem großen Portalrahmen, der die Stimmen der Sänger gut in den Saal fokussiert und einem riesigen Ring, der sich in diesem Rahmen befindet. Das sieht toll aus, kann als Spielfläche aber überhaupt nicht genutzt werden. Lediglich die Wendeltreppe auf der linken Bühnenseite findet szenische Verwendung.
Ansonsten wird auf der leeren Bühne gespielt, und das genaue Spiel der Akteure in der Regie von Theater-Veteran Gerd Heinz ist es dann auch, was die Bühne eigentlich ausfüllt. Vielleicht hätte man auch noch ein bisschen mehr in die abstrakt-geometrischen Videos von Matthias Lippert investieren können, die nur im Vorspiel und in den Verwandlungsmusiken zum Einsatz kommen. Als Kontrapunkt oder Untermalung des szenischen Geschehens könnten diese Videos die Inszenierung noch weiter voran bringen.
Ansonsten hat Gerd Heinz das Stück zuverlässig am Stück entlang inszeniert, wobei ihm die Dialog-Szenen besser gelingen, als die turbulenten Szenen zwischen Alberich und den Rheintöchtern. In manchen Szenen lässt das gesungene Wort noch von großen Gesten unterstreichen, was im kleinen Mindener Theater, wo man den Sängern hautnah beim Spielen zuschaut, überflüssig ist. Manchmal fragt man sich, ob das szenische Ergebnis nicht ähnlich ausgefallen wäre, wenn die Sänger mithilfe von Wagners Original-Regie-Anweisungen die Produktion selbst gestaltet hätten.
Überraschend ist, wie wenig Heinz an entscheidenden Stellen in die Psychologie der Figuren eindringt und diese bloß oberflächlich zeigt. So kehrt Freia nach ihrem Freikauf ganz fröhlich zu ihrer Verwandtschaft zurück, die sie gerade verschachern wollte. Loge ist hier ein getreuer Gefolgsmann Wotans, lässt keinerlei Kritik am Verhalten seines Chefs erkennen und entreißt Alberich sogar selbst den Ring. Loges Abkehr von den Göttern im Finale wird so nicht plausibel.
Das Mindener „Rheingold“-Ensemble, das sich vor allem aus Sängern aus Chemnitz, Leipzig und Essen zusammensetzt, ist beachtlich und würde auch an anderen Häusern starken Eindruck machen. Heiko Trinsinger besitzt zwar eine helle Stimme, ist aber ein eindringlich-scharfer Alberich, der an diesem Abend den meisten Applaus bekommt. Renatus Mészár, der den Wotan singt, ist als indisponiert angekündigt, bietet aber doch ein überzeugendes Rollenporträt mit einer schön gefärbten und biegsamen Stimme.
Den Loge singt Thomas Mohr und er gestaltet ihn nicht nur höchst intelligent, sondern zeigt auch mit wie viel Belcanto Wagner diese Rolle angelegt hat. Bereits im Detmolder Ring war Evelyn Krahe eine intensive Erda mit großer Stimme und daran knüpft sie nun mühelos ein. Kathrin Göring ist eine perfekt singende und selbstbewusst spielende Fricka.
Die Riese sind mit Tijl Faveyts als Fasolt und James Moellenhof als Fafner stark besetzt. Besonders Faveyts beeindruckt mit seiner wohl gerundeten und schön gefärbten Stimme. Während Andreas Kindschuh als Donner so schmettert, als wolle er sich gleich für den Wotan bewerben, bleiben Andre Riemer als Froh und Julia Bauer als Freia sängerisch solide, ohne den Figuren großes Profil zu geben. Die Rheintöchter sind Julia Borchert, Christine Buffle und Tiina Pettinen gut besetzt.
Eine hervorragende Leistung bieten die Nordwestdeutsche Philharmonie Herford unter dem Dirigat des Chemnitzers GMD Frank Beermann. Der hält die Musik im dramatischen Fluss, arbeitet die Leitmotive schön heraus und bietet auch mal Überraschungen, wenn er das Riesenthema forsch voran stürmen lässt. Mit zwei Stunden und 25 Minuten Aufführungsdauer liegt er im mittleren Bereich.
Fazit dieses Rheingold-Wochenendes: Sängerisch hat Minden das bessere Ensemble. Beide Orchester bieten eine spanende Aufführung, klanglich hat MusicAeterna in Bochum die Nase vorne, gleichzeitig würde man sich von Currentzis nicht bloße Klangmagie, sondern auch den dramatischen Fluss wünschen, wie ihn Frank Beermann bietet. Die Bühne von Bettina Pommer ist in ihrer Gigantomanie stärker als die von Frank Philipp Schlössman in Minden.
Ob die Ruhrtriennale einen kompletten Ring plant, steht noch in den Sternen. Besser wäre es, dort würde man sich auf Stücke konzentrieren, die in normalen Theatern nicht gezeigt werden können. Minden hat schon die Walküren-Premiere für den 9. September 2016 terminiert.
Rudolf Hermes 13.9.15
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