Konzert am 2.2.2018
WDR Sinfonieorchester
Marek Janowski (Leitung), Frank Peter Zimmermann (Violine)
Dezenz und Gigantismus
Porträtfotos geben spiegeln nicht unbedingt die reale Erscheinung eines Menschen, noch seltener seinen Charakter. Die Abbildungen von Frank Peter Zimmermann und Marek Janowski im Programmheft zum Konzert des WDR Sinfonieorchesters (WSO) besitzen gleichwohl einige Triftigkeit. Der Geiger lächelt, der Maestro blickt ungnädig. Vom Gürzenich-Orchester (wo er von 1986 bis 1990 GMD war – im ersten Jahr Einweihung der Philharmonie mit Gustav Mahlers „Achter“) und aus Kreisen von Musikern im Bayreuther Festspielorchester („Ring“ 2016ff) hörte man von menschlich schwierigen Arbeitsprozessen. Immerhin: die offenkundig angenehme musikalische Kommunikation mit Zimmermann nötigte Janowski beim Beifall doch den Anflug eines Lächelns ab, wenn das aus der 20. Reihe richtig gesehen wurde.
Janowski ist gebürtiger Pole (Jahrgang 1939), verbrachte seine Kindheit in Wuppertal, studierte an der Kölner Musikhochschule u.a. bei Wolfgang Sawallisch. Mit der Domstadt ist er also seit frühen Jahren verbunden, auch mit ihren beiden großen Klangkörpern. Von Gürzenich war bereits die Rede, beim WDR machte Janowski, wenn die Erinnerung nicht täuscht, Anfang der siebziger Jahre erste Aufnahmen. Nichts Groß-Sinfonisches, sondern Ausschnitte aus selten gespielten Opern wie Albert Lortzings „Regina“. Die Oper pflegt der Dirigent bis heute, wenn auch nur noch marginal. Der „Ring“ in Bayreuth war es dem Wagner-Fan wert, sich mit der Inszenierung Frank Castorfs zu arrangieren. Carl Maria von Webers „Euryanthe“, welche er vor über vier Jahrzehnten in prominenter Besetzung für die Platte einspielte, leitete er jüngst noch einmal konzertant in Dresden.
In der Philharmonie bot er mit dem WSO ein Haydn-Hindemith-Strauss-Programm, angesiedelt also zwischen Klassik und gemäßigter Moderne. Dieses Spektrum prägt Janowskis Repertoire auch sonst weitgehend. Sein eigentlicher Schwerpunkt (19. Jahrhundert) lässt eine Hinwendung zu historisch informierter Aufführungspraxis natürlich nicht zu, aber Joseph Haydns Sinfonie „La Reine“ ging er ebenso schlank (Staccati der Violinen) wie feurig an, reizte die dynamischen Forderungen der Partitur voll aus, wobei man einige Pianissimi als fast schon überpointiert empfinden mochte. Die Bläser waren vorzüglich in den Streicherklang integriert.
Seine Sinfonie schrieb der reife Haydn für Paris, die Königin Marie Antoinette war besonders entzückt von der Romance (Variationen über das französische Volkslied „La gentille et jeune Lisette“). Sie spielte diesen Satz gerne auf dem Cembalo, sogar noch im Gefängnis, wo sie (Französische Revolution!) auf ihre Hinrichtung wartete.
Paul Hindemith und Richard Strauss vertraten unterschiedliche musikalische Standpunkte. Trotz erster Bürgerschreck-Jahre legte Strauss Wert auf Wohlklang und harmonische Friedfertigkeit. Hindemith hingegen suchte nach neuem Ausdruck jenseits des als Ballast empfundenen romantischen Vokabulars, und das mitunter radikal. In seiner Kammermusik Nr. 4 für Violine und Kammerorchester sind hingegen barocke Vorbilder auszumachen. Harmonik wie auch Instrumentation sind bisweilen harsch, aber ungemein witzig und kapriziös, die Solo-Violine agiert weniger solistisch (trotz manch effektvoll ausgestellter Virtuosität) denn als prima inter pares. Frank Peter Zimmermann bewältigte diese Aufgaben technisch perfekt und mit Gusto. Seine singuläre Kunst wurde in der Zugabe noch deutlicher. Bei einem Satz aus Johann Sebastian Bachs a-Moll-Sonate ließ er die manuellen Höchstanforderungen vergessen, spielte mit einer Leichtigkeit und musikalischen Noblesse, dass es einem den Atem verschlug. Janowski dirigierte die Kammermusik souverän und sorgte beim etwas eigentümlich besetzten Orchester für beste klangliche Auffächerung. Übrigens werden in Kürze andere Hindemith-Werke mit dem WSO unter seiner Leitung auf CD erscheinen.
Nach der leicht filigran strukturierten Kammermusik bot das WSO (mit Gästen, z.T. aus dem Gürzenich-Orchester) die gigantische Alpensinfonie von Strauss. Hindemith bezeichnete das Werk als „Mords-Hokuspokus“. Aber die minutiös geschilderte Wanderung durch die Berglandschaft (Hörner einer fernen Jagd, glitzernder Wasserfall etc.) bieten melodiösen Reichtum und einen verschwenderischen „Sound“, dessen Opulenz und Raffinesse man sich nicht entziehen kann. Janowski kennt das Werk bestens, hat es vor einem Jahrzehnt mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra aufgenommen und bot es vor einiger Zeit live mit dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg in der Elbphilharmonie. Breite, aber nicht über Gebühr gedehnte Tempi sowie ein forte-intensiver, gleißender Klang machten klar, dass der Dirigent in der Alpensinfonie nicht nur Äußerlichkeiten einer Bergwanderung geschildert sieht, sondern diese auch als Abbild von der Schönheit dieser Welt, vielleicht sogar von göttlichem Walten versteht. Prägnante Einsätze und starker gestischer Kontakt zu den einzelnen Instrumentengruppen (speziell den Violinen) ließen bei Janowski nichts zufällig erscheinen. Dennoch blieb viel Raum für großen Atem und emotionale Entfaltung, was vom hinreißend disponierten Orchester optimal genutzt wurde.
Christoph Zimmermann 4.2.2018
Vom Konzert liegen uns leider keine Bilder vor.