Diese Neuinszenierung im Rahmen des Festival Verdi ist ein gemeinsames Projekt von Parma und Bologna, wobei dem Festival Verdi das ius primae noctis zustand. Sehr glücklich konnte man mit der Regie von Davide Livermore nicht werden, hatte er sich doch von seinen ständigen Partnern GIO‘ FORMA (Bühne) und D-WOK (Videos) eine suburbane Szenerie schaffen lassen, in der mehrmals ein Bohrturm auftaucht, umgeben von rostigen Fässern und alten Autoreifen, während in der Ferne verglaste Hochhäuser funkeln. Die Zigeuner mussten einem von Akrobaten besetzten Zirkuszelt weichen, das Kloster, in das Leonora nach Manricos vermeintlichem Tod eintreten will, wird zum Spital mit eifrig zwischen den Betten herumwieselnden Nonnen (dieses vierte und letzte Bild vor der Pause bekam, als der Vorhang fiel, Buhrufe ab, die nach Beendigung der Vorstellung neuerlich auf das Regieteam niederprasselten). Je nach Szene wabert es im Hintergrund in den verschiedensten Farben, neben den Hochhäusern taucht auch ein Riesenrad auf. Für die Kostüme war Anna Verde verantwortlich: Graf Luna im Businessanzug, Leonora im wippenden Fünfzigerjahre-Kleidchen im Spital und dann im eleganten Brautkleid, Azucena und Manrico in Phantasiekostümen (letzterer legt das seine auch für die bevorstehende Vermählung nicht ab – ob er wohl wusste, dass nichts daraus werden würde…?).
Leider war auch die Besetzung nicht so überzeugend, dass sie das Publikum diese Tristesse vergessen lassen hätte. Dabei begann es sehr hoffnungsvoll mit Roberto Tagliavini, der Ferrandos schauerliche Erzählung mit kraftvollem Bass sehr ausdrucksvoll darbrachte. Schwächer war dann schon der Auftritt von Francesca Dotto, deren im Grunde lyrischer Sopran mit den Tücken der Rolle der Leonora zu kämpfen hatte, was sich vor allem in ihrer zweiten Arie und dem Miserere äußerte. Ihr Timbre ist weniger persönlich geworden, die untere Mittellage weiterhin zu schwach. Man muss der Künstlerin aber zugute halten, dass sie sehr um Ausdruck bemüht war. Auftritt Luna: Franco Vassallo gab sich temperamentvoll, schoss aber im Laufe des Abends stimmlich über das Ziel hinaus und verwechselte den spanischen Edelmann mit Compar Alfio aus der „Cavalleria“. Nach dem Duett mit Leonora zerrte er diese wenig kavaliersmäßig von der Bühne. In der Titelrolle ließ Riccardo Massi einen angenehm timbrierten, aber ungehobelt eingesetzten Tenor hören und wirkte auch szenisch unbeholfen. Bei „Ah sì ben mio“ fehlten Legato und Ausdruck, die Stretta bewältigte er recht anständig. Beide Herren riefen manchmal ein Murren im Publikum hervor. Hingegen war Azucena, die eigentliche Hauptfigur, bei Clementine Margaine bestens aufgehoben. Sie erbrachte stimmlich wie szenisch eine großartige künstlerische Leistung, da fiel der manchmal hörbare Registerwechsel nicht so sehr ins Gewicht. Ihre Darbietung war die einzige wirklich elektrisierende. Die Schülerin der Accademia Verdi Carmen Lopez sang eine ordentliche Ines, und Didier Pieri fiel als akkurater Ruiz auf.
Der Chor des Teatro Comunale Bologna zeichnete sich durch höchste Präzision aus (Einstudierung: Gea Garatti Ansini), besonders die Damen verschmolzen im Kloster-, nein Spitalsbild zu einer einzigen Stimme. (In diesem Bild fragte man sich übrigens, wie es den Zirkusleuten mit ihrer armseligen Ausrüstung gelang, die schwer bewaffneten Mannen des Grafen Luna zu besiegen – wie ja auch der Graf schon bei seinem Auftritt im 2. Bild mit der Pistole herumfuchtelte, während Manrico nur ein Messer zur Verfügung hatte).
Francesco Ivan Ciampa leitete das Orchester des Bologneser Hauses rhythmisch akzentuiert, ohne dass sich aber die ganz große Spannung einstellte.
Zurückhaltender Applaus während der Vorstellung, der am Ende für Musiker und Sänger etwas stärker wurde. Von der Reaktion auf das Regieteam war schon die Rede.
Eva Pleus 30. September 2023
„Il trovatore“, dramma lirico in quattro parti, Giuseppe Verdi
Teatro Regio di Parma
Besuchte Vorstellung: 24.09.2023 (Premiere)
Regie: Davide Livermore
Chor des Teatro Comunale Bologna
Musikalische Leitung: Francesco Ivan Ciampa
Orchester des Teatro Comunale Bologna