Asti: „Tosca“, Giacomo Puccini

(c) Walter Chiorino

Asti ist eine Kleinstadt mit rund 75.000 Einwohnern in der norditalienischen Region Piemont. Ihr berühmtester Sohn ist der Dichter Vittorio Alfieri (1748-1803), für die Jetztzeit ist es Paolo Conte, zunächst Rechtsanwalt, dann auch im deutschsprachigen Ausland geschätzter Chansonnier.

Das auf privater Basis 1860 errichtete Theater, in dem auch Sangesgrößen wie Aureliano Pertile oder Toti Dal Monte aufgetreten waren, erlebte in den Jahrzehnten verschiedene Schließungen und wurde 1976 endgültig von der Stadt übernommen und nach einem bis 2002 dauernden Umbau wiedereröffnet. Mit seinen vier Logenrängen und einem Loggione (sprich: Juchhe) verfügt es über rund 700 Plätze. Ist die Außenansicht eher unscheinbar, so hinterlässt der Saal mit seinem Deckenfresko einen durchaus repräsentativen Eindruck.

Allerdings hat das Haus in all den Jahren seit 2002 immer nur Sprechstücke und Ballett beherbergt, was den Kulturstadtrat bewog, sich dafür einzusetzen, dass auch wieder Oper auf dem Spielplan stehen möge. Eine Gruppe von Enthusiasten bemühte sich um die Sache, und unter der künstlerischen Leitung von Renato Bonajuto kam schließlich eine dem Jahresregenten Puccini gewidmete Produktion zustande, die mit einem wahrlich mageren Budget auskommen musste.

(c) Walter Chiorino

Dennoch war ein ästhetisch erfreuliches Ergebnis zu sehen, denn man bediente sich der bemalten Prospekte vom Anfang des 20. Jahrhunderts, die 2017 in den Lagern von Vittorio Bertone, einem bedeutenden Impresario des Piemont, gefunden worden waren. Diese waren vor allem im ersten Akt perspektivisch hochinteressant und gaben das Gewölbe vor dem Hochaltar von Sant’Andrea della Valle äußerst realistisch wieder. Siria Colella (die selbst Sängerin ist) führte in diesem Rahmen eine traditionelle Regie, die naturgemäß keine Neuheiten brachte, aber immer geschmacksicher blieb.

Das aus Cuneo (gleichfalls im Piemont gelegen) stammende Orchestra Bartolomeo Bruni machte unter der Leitung des blutjungen Niccolò Jacopo Suppa ausgezeichnete Figur und erzielte bzw. hielt große musikalische Spannung. In der Titelrolle war die erst 28-jährige Marta Mari zu hören, szenisch noch etwas ungelenk, aber vom Material her für die fordernde Rolle bestens geeignet. Es ist anzunehmen, dass sich ihr warmer, technisch sicherer Sopran auch in einem größeren Haus durchzusetzen vermag. Ihr Cavaradossi war der Veteran Walter Fraccaro, immer noch im vollen Besitz seiner Stentorstimme, mit der er in der Höhe genüsslich portamento um portamento ausstellte. Ein schauspielerisch so begabter Sänger wie Alberto Gazale warf sich mit Karacho auf die Figur des Baron Scarpia, den man zudringlicher und lüsterner wohl selten gesehen hat. Seinen Bariton setzte er ein wenig grob, aber immer effektvoll ein. Als Mesner zeigte Andrea Porta Persönlichkeit, Davide Procaccini gab neben dem Angelotti auch den Kerkermeister, und es ergänzten die willigen Carlo Checchi (Spoletta) und Gabriele Barinotto (Sciarrone). Der Chor, bestehend aus Elementen der Vereinigungen Francesco Tamagno und San Gregorio Magno, unter der Leitung von Mauro Trombetta hielt sich ebenso wacker wie der von Entela Kulla geleitete Kinderchor einer auch das Studium der Musik anbietenden Turiner Mittelschule (eine in Italien ganz seltene Möglichkeit).

Das Publikum im ausverkauften Haus reagierte enthusiastisch (und klatschte vor Begeisterung im 3. Akt mitten in den a-Kapella-Satz „Trionfal“ hinein: Was anderswo gestört hätte, zeigte sich hier in unverblümt naiver Form von der Emotion mitgerissener Zuschauer.          

Eva Pleus, 31. Januar 2024


Tosca
Giacomo Puccini
Teatro Alfieri, Asti

26. Januar 2024 (Premiere)

Inszenierung: Siria Colella
Musikalische Leitung: Niccolò Jacopo Suppa
Orchestra Bartolomeo Bruni