Gelsenkirchen: „Così fan tutte“, Wolfgang Amadeus Mozart

Mozarts Così fan tutte ist für Regisseure eine kaum lösbare Aufgabe. Verkleiden sich die Männer, wenn sie die Verlobte des anderen verführen wollen, so wird dies schnell albern. Viele Regisseure verzichten deshalb heutzutage auf eine Kostümierung, behaupten, die Paare hätten sich entfremdet, wodurch die Geschichte unglaubwürdig wird.

© Sascha Kreklau

Regisseur David Hermann hat für seine Inszenierung, die bereits 2022 in Straßburg herauskam, einen ungewöhnlichen Ansatz gewählt. Er lässt die Geschichte mit vielen Zeitsprüngen zwischen 1913 und 1950 in Frankreich spielen. Hier wird nicht bloß behauptet, dass die Männer in den Krieg ziehen, sondern sie nehmen auf französischer Seite tatsächlich am 1. Weltkrieg teil. Die Jahreszahl, in der wir uns gerade befinden, wird auf der Übertiteltafel angezeigt.

Hermanns Regie ist spannend, provokant, regt zum Nachdenken an und ist trotz einer Spieldauer von dreieinhalb Stunden kurzweilig. Dennoch gibt es viele Brüche und Reibungen mit Text und Musik. So ist es unglaubwürdig, dass die beiden Schwestern erst die Abwesenheit der Männer bedauern, dann aber bei Ihrer Heimkehr im Jahr 1918 nicht die Freude über das Wiedersehen überwiegt, sondern das Abgestoßensein, da die Männer schwer verwundet und traumatisiert heimkehren, was zu einer Trennung führt. Die Ironie und das Augenzwinkern in Mozarts Musik passt auch nicht zur Ernsthaftigkeit der Szenerie

© Sascha Kreklau

Die Paare begegnen sich dann erst 1928 in einem Kabarett wieder, wo die Männer in einer „Revue Tropicale“ auftreten, die im Original das Finale des ersten Aktes mit der Scheinvergiftung ist. Logisch ist aber, dass bei Hermann die Paare im ersten Akt noch in ihrer originalen Konstellation agieren. Das ändert sich erst am Beginn des zweiten Aktes, in dem wir uns im Jahr 1938 befinden. Die Paare sind nach langer Beziehung voneinander gelangweilt, weshalb Despina einen Partnertausch empfiehlt, der dann in einem erotischen Nachtklub stattfindet. Problematisch ist, dass trotz der großen Zeitspanne, in der die Geschichte hier spielt, die Figuren nicht altern, sondern lediglich die Entwicklung der Mode das Voranschreiten der Zeit verdeutlicht.

Durch den hochgefahrenen Orchestergraben ist die Neue Philharmonie Westfalen unter dem Dirigat von Giuliano Betta klanglich sehr nah am Publikum. Die Tempi sind flüssig und geschmeidig gewählt. An den instrumentalen Soli müsste aber noch gefeilt werden.

Mit elegantem und wohlklingendem Sopran singt Rebecca Davis die Fiordiligi. Lina Hoffmann ist eine selbstbewusste Dorabella, die mit kräftigem Mezzo auftrumpft. Mit frischer und leichtem Sopran gibt Margot Genet eine vorzügliche Despina. Schön und farbenreich gestaltet Khayiso Gwenxane die Tenorrolle des Ferrando. Simon Stricker glänzt als Guglielmo mit seinem stattlichen Bariton. Philipp Kranjc singt den Don Alfonso mit leichtem und beweglichem Bass.

© Sascha Kreklau

Schon während der Aufführung bemerkt man beim Publikum, dass die Inszenierung hier und da zu einem Raunen im Saal führt. So verwundert es nicht, dass die Produktion beim Schlussbeifall kontrovers aufgenommen wird, es also auch Buhrufe gibt.

Rudolf Hermes, 15. Juni 2024


Così fan tutte
Wolfgang Amadeus Mozart

Musiktheater in Revier, Gelsenkirchen

Premiere: 8. Juni 2024

Inszenierung: David Hermann
Musikalische Leitung: Giuliano Betta
Neue Philharmonie Westfalen