Der amerikanische Marineoffizier B. F. Pinkerton hat über den Makler Goro ein Haus erworben – nach dem Brauch des für ihn seltsamen Landes für 999 Jahre und auch noch inclusive des Geisha-Mädchens aus Nagasaki, genannt Butterfly. So die Vorgeschichte, nicht mehr Opera seria oder Opera buffa, sondern Tragödie, was dem beginnenden Verismo geschuldet war. Die vergangenen klassischen Theaterregeln sind nun ersetzt zum Verismo, der die Realität abbildet. „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ (Nietsche). Madama Butterfly ist Puccinis (1858 – 1924) vorletzte Oper, wurde 1904 in Mailand uraufgeführt, war erst ein Misserfolg, wurde dann nach Umarbeitung in Brescia zu einem Erfolg.

Regie (Davide Livermore) und Bühnenbild (Giò Forma) und Licht (Fiammetta Baldiserri waren gemeinsam die Erzähler dieser Opernhandlung. Malerische Farben begleiten das Geschehen auf der Bühne, die sich zum Guckkasten verkleinerte, Butterflys Haus ein Konstrukt aus lichten Schiebetüren. Butterfly war Eleonora Buratto – in herrliche Gewänder gehüllt sang sie mit wunderbarem Sopran und hatte darstellerische Kraft und sang mit warmer Stimme, Phrasierung Messa di voce, ihre große Arie die Entwicklung von Cio-Cio-San zur angetrauten Frau Pinkerton.
Jonathan Tetelmann war Pinkerton. Er verkörpert ohne Zweifel eine negativ angelegte Figur – er ist das Klischee des leichtsinnigen Mannes in Personalunion mit dem Klischee des hemdsärmeligen Amerikaners. Für ihn ist die Japanerin nichts als ein Objekt des Konsums, ein Genuss ohne Reue. Puccini hat für den Pinkerton einen lyrischen Tenor vorgesehen. Tetelmann ist aber ein lirico spinto Tenor, der sicherlich alle Noten richtig singt, aber in voller Lautstärke, womit er eine Arena füllen könnte. Das Lyrische ist seine Sache sicher nicht, er ist eben mehr „Latin lover“.
In der Szene der Hochzeitsnacht findet der Regisseur keine überzeugende Lösung. Pinkerton liegt auf einer großen Matratze, Butterfly steht am Rand der Bühne und singt. Rampentheater? Ein Double kriecht zu Pinkerton und beide choreographieren die Hochzeitsnacht. So hat sich das Puccini wohl kaum gedacht haben. Bei der von der Regie gewählten Lösung fand dann auf der Bühne Rampensingen statt, was mit dem Chor aus Brünn und großer Statisterie die einzige Möglichkeit war.
Drei Jahre sind vergangen. Pinkerton hatte vor seiner Abreise versprochen, wiederzukommen. Cio-Cio-San wurde von der Familie verstoßen, weil sie ihren Glauben aufgegeben hatte. Der reiche Yamadori wiederholt sein Heiratsangebot an sie. Butterfly lehnt es ab und wartet weiter auf Pinkerton – zusammen mit ihrem gemeinsamen dreijährigen Sohn.
Konsul Sharpless (Tassis Christoyannis mit kultivierten Bariton) versucht zu erklären, dass Pinkerton vielleicht nie wiederkomme. Ein Kanonenschuss verkündet die Ankunft eines Schiffes, es ist Pinkertons Schiff.
Cio-Cio-San beginnt mit ihrem Sohn, Pinkertons Kind, zu warten. Das Drama nimmt seinen Lauf. Kate, die amerikanische Ehefrau Pinkertons ist gekommen, um den Sohn Pinkertons nach Amerika zu holen. Cio-Cio-San will aber das Kind nur dem Vater übergeben. Die Tragödie endet mit ihrem Selbstmord, wie zuvor schon bei ihrem Vater. „In Ehren sterben, wer sein Leben nicht in Ehren bewahren kann.“

Eine ganze Oper mit einem neuen, dissonanten Akkord zu schließen, galt 1904 als etwas Unerhörtes. Die Berliner Philharmoniker waren nach langen Jahren noch einmal das Orchester der Osterfestspiele, heuer das letzte Mal. Kirill Petrenko erweitert damit sein Repertoire. Aber kann er Oper? Er nahm die Begleitung leise und damit sängerfreundlich. Der dritte Akt wurde dann dramatischer und man hörte mehr aus dem Graben. Insgesamt fehlte etwas die Dramatik, denn Kammermusik ist diese italienische Oper nicht. Das Publikum spendete für diese große Gesamtleistung viel Beifall.
Inga Dönges, 17. April 2025
Madama Butterfly
Giacomo Puccini
Festspielhaus Baden-Baden
Besuchte Vorstellung am 15. April 2025
Premiere am 12. April 2025
Regie: Davide Livermor
Musikalische Leitung: Kirill Petrenko
Berliner Philharmoniker und Chor der Oper Brünn