Erl: „Parsifal“, Richard Wagner

Ein gelungener Start in die neue Intendanz

Am Gründonnerstag ging nun also endlich der so lange und mit Hochspannung erwartete neue „Parsifal“ von Richard Wagner in der Regie von Philipp M. Krenn, dessen erste Wagner-Oper es ist, mit dem Dramaturgen Werner Hintze und dem noch neuen Intendanten der Tiroler Festspiele Erl, Jonas Kaufmann in der Titelrolle, im Festspielhaus über die Bühne.

© Xiomara Bender

Es war bis weit in den Karfreitagszauber hinein eine homogene, sehr schön anzusehende, ästhetisch geschmackvolle, modern-abstrakte Produktion. Heike Vollmer schuf sechs bühnengroße harfenähnliche Stellwände, die immer wieder szenisch passend angeordnet werden konnten, im darauf bestens abgestimmten Licht von Stefan Schlagbauer. Regine Standfuss schuf dazu Kostüme in weiß-beigen Pastelltönen, die auch im Bühnenbild und fast allen Roben (bis auf Parsifal und Kundry bis Mitte 3. Aufzug) die farbliche Optik des Abends dominierten. Nur im 2. Aufzug erschienen die Stellwände mit bunten Farbklecksen variiert vor einer riesigen, auch bunt changierenden Leinwand, symbolisch also Klingsors Zaubergarten andeutend. Im 3. Aufzug lag dann eine von ihnen auf dem Boden und bildete den Rahmen für den Aufruhr der Gralsritter gegen den stets im Rollstuhl sitzenden Amfortas.

Das alles erschien sehr eindrucksvoll und zeitweise auch sehr dramatisch, völlig nachvollziehbar vor der Werkaussage Wagners in seinem letzten Werk, und vor allem auch im Einklang mit seiner Musik. Man sah sogar die große Gralsszene im 1. Aufzug mit einem hell erleuchteten Kelch, der aus der Unterbühne hochkam bei einem dazu sehr gut geführten und insbesondere auch gut singenden Chor der Tiroler Festspiele Erl in der Einstudierung von Olga Yanum.

© Xiomara Bender

Die Inszenierung wirkte bis zu dem Moment, als Parsifal Kundry im Heiligen See, einem mit Wasser gefüllten Pool auf der Bühne, zu taufen scheint. Dabei drückt er sie allerdings völlig unter Wasser. Sie taucht nicht mehr auf und verschwindet von diesem Moment an aus dem Stück. Vor allem vor dem Hintergrund der immer wieder einmal aufflammenden Diskussion um die Gestaltung der Rolle der Kundry im Finale des „Parsifal“ als einziger Frau unter allen Männern, (bei Wagner sinkt sie ja entseelt zu Boden) erschien dieser frühe Abgang auch vor dem Hintergrund der bis dahin zu erlebenden Szenen unerwartet, unverständlich, eigentlich überhaupt nicht nachvollziehbar. Ich kann mich nicht erinnern, in den vergangenen 55 Jahren, und erst recht nicht in den kühnsten Regisseurstheater-Produktionen eine Kundry so früh aus dem Stück, und wohl auch Leben scheiden zu sehen.

Noch unpassender zu dem bis dahin vom Regieteam so schlüssig und auch mit einem leicht mystischen, aber nie in Pathos verfallenden Aplomb inszenierten „Parsifal“ geriet dann aber das Finale. Kaufmann kam ganz in Unschuldsweiß – zog sich zuvor bis auf die Unterhose auf offener Szenen um – zu Amfortas, der wie unbeteiligt mit dem Rollstuhl von dannen fuhr. Der hintere Vorhang ging hoch, und in bester Jürgen Flimm‘scher – und damit altbekannter – Manier kam der Schlusschor in Alltagskleidern wie du und ich über die Bühne nach vorn die Gänge im Publikum hoch und sang zu den wunderbaren Schlusstakten den Finalsatz „Erlöser dem Erlöser“. Es ist anzunehmen, dass man die Heilsbotschaft des Grals, der damit als Ritus auch ausgedient hat, für alle Anwesenden zugänglich machen wollte. Das war wohl gut gemeint, aber nicht gut gemacht, wirkte eher wie eine Konzession an Regisseurstheater-Erwartungen und Usancen im letzten Moment.

© Xiomara Bender

Dieses Finale passte nicht zu dieser ansonsten so gelungenen Inszenierung. Bei der allerdings die allzu intensive Video-Bebilderung (Thomas Achitz) von Jonas Kaufmann als Parsifal manchmal störte und auch andere Videos, beispielsweise die Irrfahrt Kundrys nach dem 2. Aufzug durch eine Art Fabrikhallen und an Bierkästen vorbei, wenig nachvollziehbar, also entbehrlich erschienen. Diese Produktion wäre sehr gut ganz ohne Videos ausgekommen. Aber dieses Medium ist ja mittlerweile fast schon zwanghaft zu einem elementaren Vehikel der Oper geworden. Interessant ist, dass sowohl von diesen Videos wie vom finalen Durchschreiten des Chores in Alltagskleidern durch das Publikum keine Pressefotos geliefert wurden…

Jonas Kaufmann gab einen persönlichkeitsstarken Parsifal mit eindrucksvoller Gestaltung zunächst als naiven Toren und später als leicht depressiv wirkenden Wissenden. Stimmlich meisterte er die Rolle mit seinem baritonal unterlegten und manchmal etwas gaumigen Tenor ebenfalls eindrucksvoll. Er konnte im großen Monolog des 2. Aufzugs starke Dramatik erzeugen. Brindley Sherratt sang einen ausgezeichneten Gurnemanz mit perfekter Diktion und vielen Facetten seines klangvollen Basses. Darstellerisch hatte ihn die Regie stark zurückgenommen, weil man großen Wert auf Abstraktion legte. Also gab es auch keinen Schwan, und Parsifal hatte kein Schwert etc. Irene Roberts sang die Kundry sensationell mit einem in allen Lagen perfekt ansprechenden leuchtend-schillernden Sopran. Eine Spitzenbesetzung, die den Abend ganz wesentlich neben Kaufmann mitbeherrschte – nicht zuletzt auch mit einer erotischen Note, die den Zaubermädchen – allerdings unverschuldet – völlig abging. Dafür sangen sie aber exzellent. Clive Bayley gab einen kraftvollen Titurel, der sich mit Amfortas im 1. Aufzug mit seinem Wanderstab anlegte, also einmal weniger Abstraktion. Michel Nagy, ein klangvoller, farbiger Bariton, sang den Gralskönig sehr gut und auch wortdeutlich, großes Leiden vermittelnd. Und dabei saß er fast immer im Rollstuhl, also sängerisch nicht in der besten Position. Er war übrigens vor vielen Jahre schon Wolfram von Eschenbach in der „Tannhäuser“-Produktion von Sebastian Baumgarten in Bayreuth. Georg Nigl spielte den Klingsor zwar eindrucksvoll und intensiv. Seine Stimme klang aber zum monochrom für die Rolle und meist einfach nur laut. Die Gralsritter und Knappen waren gut besetzt.

© Xiomara Bender

Asher Fisch wählte von Beginn an getragene Tempi, was aber zu den Bildern passte und den Abend musikalisch aus einem Guss werden ließ, wenn man einmal vom Finale absieht. Im 2. Aufzug zog Fisch die Tempi stark an, womit hier auch die erforderliche dramatische Spannung aus dem Graben kam. Das Orchester der Tiroler Festspiele Erl spielte auf Festspiel-Niveau. Alles in allem ist dieser neue „Parsifal“ ein sehr gelungener Start in die neue Ära unter Jonas Kaufmann.

Klaus Billand, 20. April 2025


Parsifal
Richard Wagner

Premiere am 17. April 2025

Inszenierung: Philipp M. Krenn
Musikalische Leitung: Asher Fisch
Orchester der Tiroler Festspiele Erl

Kurzkritik im Video-Podcast