Um einmal mit dem Fazit zu beginnen: Die letzte Musiktheater-Premiere in der Intendanz von Laura Berman fand begeisterte, jubelnde Zustimmung, und das zu Recht jedenfalls für den musikalischen Bereich, denn es war ein Stimmenfest erster Güte. Die wirbelige Neuinszenierung war dagegen zu sehr bemüht, alles aus der Vorlage zu eliminieren, was auch nur entfernt an das Wien zu Zeiten von Maria Theresia erinnern könnte.

Das Inszenierungsteam um Christian Stückl, der bisher nicht nur durch die Leitung der berühmten Passionsspiele in Oberammergau auf sich aufmerksam gemacht hat, hat die Handlung aller drei Akte in ein kühl-elegantes Hotel verlegt. So gab es eine Art Einheits-Bühnenbild mit dem Blick auf ein großes Bett im 1. und 3. Akt, während der 2. Akt im hoteleigenen Wellness-Bereich mit Swimmingpool spielt, aus dem zu Beginn Sophie steigt, sich abtrocknet und anschließend einen Bademantel trägt, den man schon vom Beginn her kennt, weil die Marschallin ebenfalls einen solchen trägt. Im Übrigen tragen alle moderne Kleidung, die Chormitglieder sind Zimmermädchen und uniformierte Hotel-Angestellte (Ausstattung: Stefan Hageneier). Konsequent stellt der Hotelportier beide Haushofmeister bei der Marschallin und Faninal sowie den Wirt dar (klarstimmig Pawel Brozek). Manches ist eher albern als einsichtig: So trägt Octavian dann, wenn er nicht als Mariandl verkleidet ist, ein läppisches Menjou-Bärtchen. Auch gibt es keine silberne Rose, sondern stattdessen einen großen Strauss von geschätzt 50 roten Rosen, der die Übergabe zu einer Art Slapstick-Szene macht. Auch wenn man die ganze Szene nicht ernst nimmt, passt sie so nicht zum Libretto. Warum die rüpelhaften Lerchenauer mit Band und Mütze Kennzeichen von Verbindungsstudenten tragen, erschließt sich in keiner Weise. Positiv ist die bei aller Turbulenz einfühlsame Personenführung und die plakative Lichtregie (Andreas Schmidt) hervorzuheben, so dass die jeweiligen Emotionen gut zur Geltung kommen.

Nun aber zur musikalischen Verwirklichung: Da ist zuallererst das ausgezeichnete Niedersächsische Staatsorchester Hannover mit vielen hervorragenden Soli in allen Instrumentengruppen zu nennen. Den großen Apparat hatte GMD Stephan Zilias mit präziser, anregender Zeichengebung souverän im Griff. Er fand die richtige Mischung von wirbeliger Turbulenz und intensiven Ruhephasen, in denen sich die Stimmen entwickeln konnten. Die junge Amerikanerin Anne Marie Stanley war ein burschikoser Octavian, den sie mit fülligem Mezzo ausstattete, der mit den Höhen der Partie keinerlei Problem hatte. Eine stark beeindruckende Marschallin war Kiandra Howarth, die die Melancholie ebenso wie die Menschenfreundlichkeit der letztlich alle überlegene Frau glaubwürdig wiedergab. Dazu diente auch ihr ausdrucksstarker, sicher und mit feinen dynamischen Abstufungen durch alle Lagen geführter Sopran. Eine selbstbewusste, temperamentvolle Sophie war mit silbrig heller Stimme Meredith Wohlgemuth. Alle drei Frauenstimmen fanden sich im berühmten Schluss-Terzett zusammen, das man selten so höhensicher, so intonationsrein und so gut aufeinander abgestimmt hört.

Der junge Österreicher Martin Summer gab den übergriffigen Baron Ochs auf Lerchenau mit prächtigem, in Wort und Ton flexiblem Bass; als einziger behielt er den wienerischen Sprachduktus bei.Als schmieriger Mafioso Faninal im weißen Anzug fiel der bewährte Sänger Frank Schneiders stimmlich etwas ab. Ein wenig zu aufdringlich klang der sichere Sopran von Franziska Giesemann als Marianne Leitmetzerin. Das Intriganten-Paar Valzacchi und Annina waren bei Philipp Kapeller und dem langjährigen Ensemble-Mitglied Monika Walerowicz bestens aufgehoben. Mit tenoralem Schmelz füllte Marco Lee die kleine Partie des Sängers aus. In mehreren kleineren Rollen traten ohne Fehl David Howes (Polizeikommissar) sowie als Mitglieder des Internationalen Opernstudios Eduardo Martinez (Notar), Luisa Mordel (Modistin) und Fabio Dorizzi (Tierhändler) auf. Rollendeckend ergänzten Gesangsstudentinnen (Adelige Waisen) und Chorsolisten (Lerchenauer, Lakaien, Kellner).
Klangvoll und mit auffallender Spielfreude erfüllten Chor und Kinderchor in der Einstudierung von Lorenzo da Rio und Tatjana Bergh ihre wenigen Aufgaben.
Das Premierenpublikum im so gut wie ausverkauften Haus war hellauf begeistert und dankte allen Mitwirkenden und dem Regieteam mit starkem, mit vielen Bravi durchsetztem Beifall.
Gerhard Eckels, 18. Mai 2025
Der Rosenkavalier
Richard Strauss
Staatsoper Hannover
Premiere am 17. Mai 2025
Inszenierung: Christian Stückl
Musikalische Leitung: Stephan Zilias
Niedersächsisches Staatsorchester Hannover
Weitere Vorstellungen: 23.,29.,31.Mai + 3.,8.Juni 2025