Auch in Braunschweig ist der so plötzlich verstorbene Ehrendirigent des Staatsorchesters Braunschweig Stefan Soltesz (1949-2022) immer noch in sehr guter Erinnerung. Besonders das Orchester hat dem Braunschweiger Generalmusikdirektor (1988-1993) nicht nur zu verdanken, dass es auch seinem Drängen zuzuschreiben ist, dass es den begehrten A-Status erhalten hat, sondern er hat ihm nach der überlangen Zeit unter seinem Vorgänger, dem Zuchtmeister Heribert Esser, den Elan und die Musizierfreude wiedergegeben, die man zuvor so manches Mal vermisst hatte. Aber auch nach seinem Ausscheiden hat Soltesz das Orchester während einer Vakanzzeit im Konzertbereich und bei zahlreichen Gastdirigaten nachhaltig geprägt, zuletzt 2012 und 2015 mit den fulminanten, begeistert gefeierten Interpretationen von Mahlers dritter und zweiter Sinfonie, letztere mit seiner Frau, der Mezzosopranistin Michaela Seliger.
Legendär waren seine „Luftsprünge“, die man bei seinen programmatisch breit gefächerten Sinfoniekonzerten und spektakulären konzertanten Opern-Aufführungen in der Braunschweiger Stadthalle erleben durfte, wie „Salome“ (mit Mara Zampieri), dem Verdi-Requiem oder „Aida“ (mit Stefania Toczyska als Amneris). Gast-Engagements anderer Prominenter waren auf seinen Einfluss zurückzuführen, wie Agnes Baltsa als Octavian, Gabriele Maria Ronge (Marschallin, Kaiserin), Sharon Sweet (Desdemona, Verdi-Requiem), Heinz Kruse (Parsifal, Kaiser), Jacek Strauch (Jago, Falstaff, Barak) oder Siegfried Vogel (Gurnemanz).
Mit seiner offenen, oft undiplomatischen Art machte Stefan Soltesz sich in Braunschweig nicht nur Freunde im Ensemble und bei den Orchester-Mitgliedern; wie man hörte, gab es bei den Proben so manchen Zoff. Aber typisch Soltesz: Bei den Vorstellungen war alles vergessen; immer gelang es ihm, alle Mitwirkenden zu ihren jeweiligen Bestleitungen zu animieren, so dass es zu Publikum und meist auch die Kritik begeisternden Wiedergaben kam. So erinnert man sich gern an mitreißende Opern-Aufführungen unter Soltesz‘ animierender Leitung wie den „Rosenkavalier“, „Figaros Hochzeit“ (mit der jungen Michelle Breedt als Cherubino), „Falstaff“, „Parsifal“, „Otello“ oder „Die Frau ohne Schatten“. Und mehr als nur bedeutsam: Soltesz gehörte zu den heute selten gewordenen Dirigenten, bei denen die Bühne stets Vorrang gegenüber dem Orchester hatte, er also immer ausgesprochen sängerfreundlich dirigierte.
Sein viel zu früher Tod ist für das Musiktheater ein wirklich herber Verlust!
Marion und Gerhard Eckels 23. Juli 2022