Premiere: 19. Januar 2020, besuchte Vorstellung: 2. Februar 2020
Ob sich Joseph Haydns „Orlando Paladino“ jetzt die deutschen Bühnen zurückerobert? 2018 war die komödiantische Bearbeitung der Rolands-Sage in Hagen, Bielefeld und München zu sehen. Nun folgt auch das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier mit einer Inszenierung von Jetske Mijnssen, die 2016 vom Opernhaus Zürich am Theater Winterthur produziert wurde.
Anders als Dominik Wilgenbus, der in Hagen einen verspielt-comichaft unterhaltsamen Abend inszeniert hat, versetzt Jetske Mijnssen die Oper in die Gegenwart: Aus den sagenhaften Archetypen werden Archetypen der heutigen Zeit: Aus der Königin Angelica wird eine Schönheitskönigin, aus dem Barbarenkönig Rodomonte ein Rocker, und aus der Zauberin Alcina eine Esoterikanhängerin. Der Schäfer Licone und seiner Tochter Eurilla betreiben nun einen Pub, in dem Bühnenbildner Ben Baur die Geschichte ansiedelt.
Überraschender Weise funktioniert die Übersetzung der Figuren in die heutige Zeit weitgehend glaubhaft. Bei der Titelfigur Roland und seinem Knappen Pasquale begreift man jedoch erst relativ spät, dass Roland nun ein Sänger und sein Knappe dessen Gitarrist sei soll. Dass der Unterweltfährmann Charon, der Rolands Wahnsinn heilt, hier eine männliche Reinigungskraft im Pub ist, wirkt sehr konstruiert.
Die gute und sorgfältige Personenführung von Mijnssen verliert aber im Laufe der Aufführung an Reiz, da man immer nur das gleiche Bühnenbild betrachtet. Im Original lebt dieses Stück auch von seinen Szenenwechseln und verlangt Bühnenbilder wie „Garten“, „Wald“, „Schlossturm“, „Unterweltgrotte“. Das kann man natürlich bei Mijnssens modernem Konzept nicht erwarten, aber Szenenwechsel in verschiedene Räume des Pubs oder auf die Straße würden das Stück deutlich beleben.
Musikalisch kann sich Haydns Oper nicht mit den Werken Mozarts messen, jedoch sind die Arien und Ensembles abwechslungsreich, anspruchsvoll zu singen, treffen gut den Charakter der Figuren und besitzen zudem auch komödiantische Elemente. Dirigent Werner Erhardt, der ein Spezialist für Barock und Frühklassik ist, nähert sich mit den Musikerinnen und Musikern der Neuen Philharmonie Westfalen einem historischen Klangbild an. Die Streicher setzen auch scharfe Akzente, und die Holzbläser wechseln zwischen empfindsamen Lyrismen und quirliger Komik.
Neun Solisten benötigt diese Oper, von denen einige beispielhaft erwähnt sein sollen: Penny Sofroniadou ist zwar noch Mitglied des Gelsenkirchener Opernstudios, singt aber mit ihrem frischem Sopran eine Angelica, bei der viel Wehmut mitschwingt. Die großen Opera-Seria-Koloraturen ihrer Rolle meistert sie souverän. Mit leichtem Sopran, funkelnden Tönen und viel Spielwitz gestaltet Dongmin Lee die Eurilla.
Martin Homrich singt den Roland mit einem kräftigen Tenor, den er aber auch so drosseln kann, dass die Feinheiten der Rolle zur Geltung kommen. Den Sänger, dessen Stimme langsam ins jugendliche Heldenfach tendiert, würde man gerne einmal als „Freischütz“-Max, Florestan oder Lohengrin erleben. – Ein großer szenischer Wurf ist diese Inszenierung nicht, aber immerhin bietet sie die Möglichkeit, das selten gespielte Stück kennenzulernen.
Bilder (c) Karl und Monika Forster