am 25. Mai 2019
Die „Freunde der Kölner Oper“ hatten ihre Mitglieder und alle Opernliebhaber zu ihrem jährlichen „Fest der schönen Stimmen“ eingeladen, bei dem sie traditionsgemäß einem jungen Ensemblemitglied den „Offenbach-Preis“ verleihen. Die goldene Anstecknadel mit dem Portrait von Jaques Offenbach erhielt neben einem stattlichen Preisgeld an diesem festlichen Abend der junge österreichische Bass-Bariton Matthias Hoffmann, der nach zwei Jahren im „Internationalen Opernstudio der Oper Köln“ seit 2017 zum Ensemble in Köln gehört und durch seine schauspielerischen und musikalischen Leistungen inzwischen zu einem Publikumsliebling der Kölner Opernbesucher avanciert ist.
Gaststar des Abends war der US-amerikanische Tenor Michael Spyres, der mittlerweile als einer der herausragenden Sänger im Belcanto-Fach gilt und an den renommiertesten Opernhäusern der Welt auftritt. Als Spezialist in über zehn Rossini-Partien ist er als idealer Anwalt des großen Meisters aus Pesaro an allen großen Bühnen der Welt zu Hause, z.B. an der Mailänder Scala, an der Met, in Wien, an Covent Garden, Berlin, Paris oder der Bayrischen Staatsoper. Inzwischen beherrscht Michael Spyres, wie der ungemein sympathische und herzliche Sänger mir im Anschluss an das Konzert verriet, über 75 Partien. Dabei gehört seine Liebe nicht nur den nach einer umfangreichen Tessitura verlangenden Belcantoopern Bellinis, sondern neben Donizetti und Verdi auch Mozart und dem französischen Repertoire (u.a. Berlioz). „Meine großen Vorbilder im Tenorfach sind neben französischen Sängern Tito Scipa, Fritz Wunderlich und Jussi Björling“, verriet Spyres. „Ich habe viel gelernt, indem ich mir immer wieder die CDs mit diesen Tenören angehört habe.“ Nur Jussi Björlings „grauenvolle“ Aussprache habe er sich nicht zueigen gemacht, verrät Spyres lachend.
Ein Schwerpunkt seines Programms in Köln lag naturgemäß auf Arien und Ensembleszenen aus Opern von Rossini. So erklang im ersten Teil des Abends die Arie des Pirro aus der Oper „Ermione“, wobei Spyres von den jungen Sängerinnen und Sängern des „Internationalen Opernstudios der Oper Köln“ kraftvoll unterstützt wurde. Im zweiten Teil folgten dann die als Ohrwürmer bekannten Arien „Cessa di più resistere“ und „Sì, ritrovarla io giuro“ aus dem „Barbier von Sevilla“ und Rossinis „La Cenerentola“, das Duett „Un soave non che“ aus der gleichnamigen Oper mit der Mezzosopranistin Adriana-Bastidas Gamboa und zum Abschluss das Terzett „In quale aspetto imbelle“ aus „Armida“ mit Anton Kuzenok und William Goforth aus dem Opernstudio.
Begonnen hatte dieser denkwürdige Abend im Staatenhaus der Kölner Oper mit dem Mount Everest aller Tenorarien, der Arie „Ah! Mes amis“ aus Donizettis „Regimentstochter“. Die in diesem Bravourstück geforderten 9 (!) hohen Cs bewältigte Michael Spyres mit beeindruckender Leichtigkeit, ohne dass die Stimme ihren weichen, obertonreichen Klang einbüßte. Dass der amerikanische Tenor ursprünglich als Bariton zu singen anfing, verleiht seiner Stimme besonders in der Mittellage eine samtene Fülle und Intensität, die seine Interpretation der von allen großen Tenören gesungenen Arie „Una furtiva lagrima“ aus Donizettis „Liebestrank“ zu einem vorweggenommenen Höhepunkt des Konzerts machten. Wie Spyres den Schlusston vom leisesten Piano in ein strahlendes Forte anschwellen ließ, das macht ihm so leicht niemand seiner Sängerkollegen nach. Das Terzett“ „Soave sia il vento“ aus Mozarts Oper „Cosi fan tutte“ , einfühlsam gesungen von Veronika Lee, Arnheidur Eiriksdóttir und Matthias Hoffmann, verkörperte im wahrsten Sinne des Wortes die Ruhe vor dem Sturm.
Nachdem Spyres lange Zeit in Mozarts „Idomeneo“ den Arbace (z.B. an Covent Garden) verkörpert hatte, beherrscht er nun auch die Titelpartie. Die ungemein schwere und anspruchsvolle Arie des Idomeneo „Fuor del mar“, die selbst einen Luciano Pavarotti das Fürchten lehrte und zu der von Koloraturen abgespeckten Version greifen ließ, erklang in Köln in Michael Spyres Gestaltung mit wahrlichem Furor und einer spielerischen Bewältigung der halsbrecherischen Koloraturen. Das war eine wirklich unter die Haut gehende Verkörperung der Verzweiflung Idomeneos angesichts des ihm auferlegten Unheils, seinen eigenen Sohn aufgrund seines unüberlegten Eides opfern zu müssen. Die hohe Kunst, Koloraturen so zu singen, dass nicht ein verwaschener Klangbrei entsteht, bewies Spyres vor allem in den Arien des Conte Almaviva in Rossinis „Barbier von Sevilla“ und der Arie des Don Ramiro aus „Cenerentola“. Hier braucht der Senkrechtstarter am Belcantohimmel den Vergleich mit seinem berühmten peruanischen Sängerkollegen Diego Florez wahrlich nicht zu scheuen.
Balsamischen Wohlklang verströmte das Duett „Au fond du temple saint“ aus George Bizets viel zu selten gespielter Oper „Die Perlenfischer“, bei dem Michael Spyres mit Matthias Hoffmann ein wunderbar harmonisierendes Gesangsduo bildete. Begleitet wurden Michael Spyres und die Ensemblemitglieder der Kölner Oper und des „Internationalen Opernstudios“ durch das blendend aufgelegte Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Andrea Sanguineti. In den Ouvertüren zu Rossinis „Wilhelm Tell“ und seiner Oper „Armida“, aber gerade auch in der kongenialen Begleitung der Gesangssolisten entfaltete das Orchester einen nicht nur präzisen, sondern duftig durchsichtigen, spritzigen Belcanto-Sound. „Ein wunderbares Orchester, mit dem ich gerne an der Kölner Oper eine Gesamtproduktion machen würde“, befand denn auch Michael Spyres in einem abschließenden Kommentar nach dem Konzert.
Die Besucher im Staatenhaus feierten alle Beteiligten mit Ovationen. Nachdem der Stargast in einem Da capo noch einmal die neun hohen Cs der Arie „Ah! Mes amis“ wie Raketen in den Abendhimmel abgefeuert hatte, kannte der Jubel keine Grenzen mehr. Alle, die an diesem Abend nicht in das Staatenhaus der Kölner gekommen sind, haben wirklich einen großen Sänger und einen wunderbaren Opernabend verpasst.
Norbert Pabelick 26.5.2019