Frankfurt: Französischer Orchesterzauber

Frankfurter Opern- und Museumsorchester, Claire Huangci (Klavier), Jader Bignamini (Leitung)

Paul Dukas
„Der Zauberlehrling“

Maurice Ravel
Klavierkonzert D-Dur für die linke Hand

Hector Berlioz
Sinfonie C-Dur op. 14 „Symphonie fantastique“

Ganz im Zeichen der französischen Orchestermusik stand das erste Museumskonzert der neuen Saison in der Frankfurter Alten Oper. Leider war der Konzertabend erschreckend schlecht besucht, was der kulturfeindlichen Politik geschuldet sein mag, die die Menschen seit drei Jahren in Ängsten festhält, statt diese in ihrer Selbstverantwortung zu stärken und die angstgebende Infiltrierung zu beenden.

Für das Auditorium geriet dieser Montag zu einem Konzertfestspiel von besonderer Güte!

Im Jahr 1897 entstand das Meisterwerk „Der Zauberlehrling“ von Paul Dukas. Diese Tondichtung bleibt bis zum heutigen Tag das bekannteste Werk des Franzosen und ist zugleich ein Paradebeispiel für das Sujet der „Programmmusik“. Wunderbar ist der inhaltliche Verlauf der Ballade Goethes musikalisch nachzuverfolgen. So wirkungsvoll diese Komposition auch ist, sie treibt jedem Orchester die Schweißperlen auf die Stirn, derart anspruchsvoll ist es für den gesamten Orchesterapparat. Gast-Dirigent Jader Bignamini (derzeit Chef des Detroit Symphony Orchestras) ging dann auch von Beginn an mit Feuereifer in die Vollen. Mit klarer Zeichengebung und großer erzählerischer Gabe ließ der Dirigent alle Beteiligten der Goethe Ballade, die der Komposition zugrunde gelegt wurde, aufmarschieren. Es war eine grenzenlose Freude, wie wunderbar bildstark das Orchester die Intentionen seines Dirigenten umsetzte. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester ließ sich von den Anfeuerungen des Dirigenten sehr motivieren und spielte mit vollem Einsatz. Mit großer gestalterischer Kreativität und überlegenem technischen Können begeisterte der Klangkörper. Der Tutti-Klang war herrlich warm und dabei immer durchsichtig im Spiel. Prägnante Charakterisierungen gelangen in den vielen Solobeiträgen, so z.B. in den Fagotten. Überhaupt stand dieser Konzertabend auch in Teilen im Zeichen des Fagotts, denn in allen drei Werken gab es exponierte Solobeiträge zu erleben.

In den 1930iger Jahren entstanden die letzten Instrumentalkompositionen von Maurice Ravel. Bei seinem Klavierkonzert für die linke Hand war es ihm wichtig, die Illusion zu erzeugen, als wäre es ein Konzert für beide Hände. Dazu enthält die Komposition viele Jazz-Elemente. In Auftrag gegeben wurde es vom Pianist Paul Wittgenstein, welcher im ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verlor. Somit schuf Ravel ein Bravourstück für einen Pianisten, der mit einem Arm quer durch die Lagen springen muss. Ravel verarbeitete die Schrecken dieses Krieges, was in den dunklen Farben eindrücklich zu hören ist.

Der Beginn wird von einem tief grummelnden Kontrafagott gegeben. Ein einzigartiges Solo zur Eröffnung einer Orchesterkomposition. Deutlich punktierte Orchesterakkorde geben dem Werk einleitend eine dezente Imposanz, im zweiten Teil treten zunehmen Jazzeffekte hinzu. Erst gegen Ende der Komposition wird die Pforte zu einem strahlenden D-Dur geöffnet. Und doch bleiben bei all den dunklen Eintrübungen Zweifel zurück, wie klar dieses strahlende Licht tatsächlich ist.

Den Solopart übernahm, die in Frankfurt lebende Amerikanerin Claire Huangci. Preisträgerin diverser Wettbewerbe, zahlreiche internationale Gastspiele und aktuell Professorin an der Musikhochschule Weimar sind Marksteine ihrer bisherigen Laufbahn.

Die Pianistin bot eine makellose Leistung, technisch jederzeit souverän und hoch sensitiv in der klanglichen Ausformung. Huangci überzeugte mit klarer Interpretationslinie und einem sehr geschärften Sinn für die Klangfarben. Hoch energisch mit starkem Zugriff und dann wieder auch deutlich zurückgenommen beschenkte Huangci die Zuhörer mit edlen Klangzaubereien.

Das hoch wache Orchester agierte als spielfreudiger Partner in großer symphonischer Geste mit einer schier endlosen Bandbreite expressiver Farben. Wie schon bei Dukas begeisterte das Zusammenspiel als großes Ensemble. Niemals entstand der Eindruck, als spiele jede Orchestergruppe nur für sich, im Gegenteil, das Frankfurter Opern- und Museumsorchester ist ein hervorragendes Beispiel für hörbaren Ensemblegeist. Jader Bignamini war ein aktiver Impulsgeber, der mit Huangci ein ausgezeichnetes Zusammenspiel realisierte.

Das Publikum zeigte sich sehr angetan und so wurde es mit einer herrlichen Zugabe bedankt. Claire Huangci spielte, nein, sie zelebrierte eine hinreißende Version von Maurice Ravel: Pavane pour une infante défunte. Fein ausziseliert mit vollendeter impressionistischer Klangvorstellung schimmerte und glitzerte dieses kompositorische Schmuckstück in unendlichen Farben. Ausgezeichnet!

Im zweiten Teil folgte dann ein weiteres Stück Programmmusik, und zwar die 1830 entstandene „Symphonie Fantastique“ von Hector Berlioz. Der Komponist erachtete diese wunderbare Sinfonie als „musikalisches Drama“, was auch durch die Untertitelung „aus dem Leben eines Künstlers“ deutlich wird. In den fünf Sätzen wird ein Künstlerleben nachgezeichnet, ganz aus dem Geiste der Romantik mit vielerlei Naturstimmungen, aber auch in grellen Kontrasten, beispielsweise beim „Gang zum Schafott“ oder beim „Hexensabbat“. Diese geniale Komposition versetzt auch den heutigen Zuhörer in großes Staunen, ob der innovativen Instrumentation oder der virtuos eingesetzten Leitmotivik.

Dirigent Jader Bignamini hatte sehr klare Vorstellungen, die er dem Orchester in seinem auswendigen Dirigat bezwingend zu vermitteln wusste. Nichts blieb dem Zufall überlassen oder verharrte in simpler Gefälligkeit. Bignamini erzählte intensiv und gab dem Orchester großen Raum für theatralische Entfaltung. Schroffe und grelle Klangeffekte wurden überlegen mit perfektem Timing eingesetzt. Hinreißend gelang in seine dynamische Zuspitzung des vierten Satzes. Gesteigert wurde dieser Effekt durch ein orgiastisch stürmisches finales Presto am Ende des fünften Satzes. Chapeau!

Nochmal also eine Steilvorlage für das prachtvoll aufgelegte Frankfurter Opern- und Museumsorchester, seine spielerische Klasse und stilistische Vielfalt ins beste Licht zu stellen. Seit der Ära von Michael Gielen hat das Orchester immer wieder Werke von Berlioz gespielt, darunter mehrfach die riesenhafte Oper „Les Troyens“. Und gerade die hohe Einfühlung in das Oeuvre des französischen Zukunftsmusikers Berlioz gelang bemerkenswert. Überragend einmal der Ensemblegeist und die hohe Virtuosität aller Spielgruppen. Mit hoher Transparenz überzeugte der große Streicherapparat, die majestätischen Blechbläser hatten ihre klangedlen Momente in den beiden Finalsätzen. Es war eine besondere Hörerfahrung, den ausgezeichneten Holzbläsern zu lauschen. Mit bester Dynamik begeisterten sie durch die kreative Charakterisierung, vor allem in den Solobeiträgen. Stellvertretend sei das äußerst expressiv-grelle Spiel der Klarinetten im fünften Satz erwähnt. Höllengelächter auf der Klarinette, am Rande der Spielbarkeit, herausragend umgesetzt! Mit seidigem Glanz gefielen die beiden Harfen im zweiten Satz. An diesem Abend war in allen drei Werken das groß besetzte Schlagzeug intensiv gefordert. Und auch hier gelangen den Musikern Bestleistungen, die beherzt, freudvoll und immer mit perfektem Klangsinn ihre Einsätze darboten.

In dieser spieltechnischen und musikalischen Qualität demonstrierte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester nachdrücklich seinen besonderen Stellenwert als erstes Orchester der Stadt!Viel Begeisterung!

Dirk Schauß, 20. September 2022