Besuchtes Konzert in der Alten Oper Frankfurt am 12. Mai 2022
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Beatrice Rana (Klavier), Yannick Nézet-Séguin (Leitung)
Robert Schumann
Klavierkonzert a-moll op. 54
Richard Strauss
Ein Heldenleben op. 40
Es gibt Konzertabende, die bereits vor dem Beginn ihre Einzigartigkeit als Atmosphäre verbreiten. Lange mussten die Frankfurter Zuhörer warten, um einmal wieder Bayerns Eliteorchester, das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, zu erleben. Nun war es endlich so weit. Intendant Markus Fein ließ es sich nicht nehmen, das Orchester auf dem Podium der Alten Oper vorab persönlich zu begrüßen und alle Konzertgäste angesichts des freudigen Ereignisses nach dem Konzert zu einem Freigetränk einzuladen. Eine schöne Geste! Zudem wurde der Konzertabend auf eine Großbildleinwand auf den Vorplatz der Alten Oper gratis übertragen.
Robert Schumanns Klavierkonzert gilt als eines der Schlüsselwerke der romantischen Klavierkonzert-Musik. Es war ein quälender Schaffensprozess für den Komponisten, der unendlich viel Zeit aufwendete. Nach gut fünf Jahren Entstehungszeit wurde es im Jahr 1845 uraufgeführt. Der große Reichtum der melodischen Entwicklung im Klavier- und Orchestersatz begeistert und fasziniert bis heute das Publikum. Hierzu bedarf es aber dann auch einer künstlerischen Umsetzung, die den bei Schumann häufig anzutreffenden musikalischen Subtext miterzählt.
Und das Publikum der Alten Oper hatte das große Glück, die italienische Ausnahmepianistin Beatrice Rana zu erleben. Sie schenkte dem Publikum musikalische Momente von tiefster Empfindung. Rana hat dieses Konzert bereits oft gespielt. In jedem Augenblick ihres ausdrucksvollen Spiels war diese Erfahrung zu erleben. Mit größter Musikalität und höchst sensiblem Anschlag phrasierte sie die groß angelegten Melodiebögen. Immer wieder lauschte sie ihrem eigenen Tastenspiel als würde sie Zwiesprache mit ihren Händen halten. Die Themen waren sehr gut strukturiert und natürlich stand ihr in der Kadenz ihre perfekte Virtuosität zur Verfügung. Diese wurde aber letztlich nur als Mittel eingesetzt, um ein Resümee der vorausgegangenen musikalischen Gedanken zu formulieren.
Im „Intermezzo“ stand die Zeit still. Frieden, poetischer Zauber und Weiträumigkeit in den sanften Akkordfarben.
Lebensfreude pur mit großem Enthusiasmus vorgetragen im beschließenden Allegro vivace des dritten Satzes. Wunderbar waren Hauptstimme und Nebenthemen nachzuvollziehen. Jeder Ton, jeder Akkord blitzte und strahlte, stets mit großer Empfindung entwickelt. Und wie gekonnt war die Ausgestaltung der Dynamik in ihrem Spiel, das war Weltklasse!
Herausragend war die ausgeprägte Harmonie zwischen Rana und dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Zu keinem Zeitpunkt entstand der Eindruck, dass hier zwei musikalische Parteien miteinander im Dialog stehen. Stattdessen gab es die komplette Verschmelzung zu erleben. Orchester und Solistin waren eins. Dies zeigte sich in der perfekten Synchronität des Zusammenspiels.
Yannick Nézet-Séguin achtete äußerst wachsam darauf, dass seine Solistin sich maximal getragen fühlt und gab ihr alle Freiheiten für ihre pianistische Zauberei.
Und bereits hier musizierte das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks mit größtem Engagement und einer unüberbietbaren Klangkultur. Überwältigend in ihrer klanglichen Gestalt sorgten die hingebungsvollen Holzbläser für erste Wonneschauer. Und es machte große Freude zu sehen, wie wichtig es dem Orchester war, sehr genau auf seine Solistin zu hören.
Was für ein herrlicher Beginn in diesen so besonderen Konzertabend! Das Publikum reagierte mit großer Begeisterung, worauf sich Beatrice Rana mit einer Zugabe „Der Schwan“ (Karneval der Tiere von Saint-Saens) bedankte.
Am 03. März 1899 führte das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leitung von Richard Strauss erstmals dessen Tondichtung „Ein Heldenleben“ auf. Ursprünglich hinterlegte Strauss für die sechs Abschnitte konkrete programmatische Satzbezeichnungen, die er aber dann wieder entfernte. Leitmotive tragen erheblich zur Orientierung dieser sehr komplexen Partitur bei.
Der einleitende Satz „Der Held“ beginnt mit martialischer Lebenslust und intensivem Vorwärtsdrang. Ein optimistischer, kraftvoller Held betritt die Bühne.
Disharmonisch, lautmalerisch krächzend und quäkend traten dann „Des Helden Widersacher“ in Erscheinung. Ein „Loblied“ auf die Kritiker, namentlich auf den gefürchteten Eduard Hanslick, der auch bereits bei Richard Wagner einen bleibenden Eindruck hinterließ.
Der dritte Satz „Des Helden Gefährtin“ schlägt einen anderen Weg ein. Hier hat die Solovioline ausgiebig Zeit, ihren Zauber zu entfalten. Und so erleben wir neben Wohlklang auch allerlei ironische Brechungen, die Musik klingt plötzlich kratzbürstig, ja zickig. Offenkundig ein treffendes musikalisches Portrait der Komponisten Gattin Pauline.
In „Des Helden Walstatt“ befinden wir uns auf dem Kriegsschauplatz. Schlagzeug und gewaltige Blechbläsersalven haben ihren großen Auftritt. Musikalische Heerscharen bekämpfen sich lärmend und dröhnend, bis am Ende dieses Satzes der Held sich majestätisch emporschwingt.
Erstaunlich dann der fünfte Satz „Des Helden Friedenswerke“, in welchem Richard Strauss eine Vielzahl seiner Werke zitiert, so z.B. „Also sprach Zarathustra“ und vor allem „Don Juan“ mit dem bekannten Hornthema.
Im beschließenden Satz „Des Helden Weltflucht und Vollendung“ werden die wichtigsten Motive aus der Komposition nochmals zusammengeführt. Kurz ist das Schlachtengetümmel wieder zu vernehmen, bis am Ende in sensiblen Holzbläserfärbungen dann die Solovioline mit dem vollen Orchesterklang in ein großes beschließendes Crescendo aufsteigt.
Begann der Konzertabend bereits mit einer Sternstunde, so konnte das großartige Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks nahtlos daran anknüpfen.
Es beschenkte seine Zuhörer mit einer perfekten Wiedergabe dieser komplexen Partitur, bei der einfach alles stimmte.
Der große Streicherapparat erzeugte ein breites symphonisches Fundament mit überragender Klangkultur in intensivsten Farbgebungen.
Die ausgiebig geforderten Holz- und Blechbläser agierten mit höchster Konzentration und Kondition. Sensibel in den kantablen Momenten, dann wieder auftrumpfend edel, ohne jegliche Lärmerei.
Fein ausdifferenziert auch die hervorragende Gruppe der Schlagzeuger.
Und dieses superbe Orchester kann sich glücklich schätzen, Konzertmeister Anton Barakhovsky in seinen Reihen zu wissen. Sein ausgedehntes Violinsolo war der absolute Höhepunkt in dieser Interpretation des „Heldenlebens“.
Es ist zu simpel, die Perfektion von Barakhovskys Spiel zu feiern. Was seinen Vortrag so einzigartig machte, war seine völlige Hingabe an den musikalischen Moment, sein voller, intensiv leuchtender Ton seines Instrumentes. Immer wieder spielte er seine Phrasierungen direkt in das Auditorium hinein und demonstrierte dazu eine technische Überlegenheit, die kaum in ihrer Bedeutung adäquat gewürdigt werden kann. Ein Meistervirtuose mit tiefer Seele. Wunderbar!
Yannick Nézet-Séguin warf sich mit großer Vehemenz und vollem Körpereinsatz in die Komposition und befeuerte sein Orchester fortwährend mit großer Motivation. Diese nahmen sein Engagement mit größter Spielfreude auf und agierten völlig entfesselt, bar jeglicher Routine.
Es war immer zu spüren, hier ereignet sich ein ganz großer Konzertmoment, wie er sehr selten ist!
Yannick Nézet-Séguin entwickelte ein äußert sicheres Gespür für die Raumakustik. Jederzeit wusste er, wie weit er gehen kann. Gleichzeitig suchte er ebenso Ruhepunkte in der Musik auf und gab somit dem Orchester hinreichende Gelegenheiten, die Soli sehr frei auszuphrasieren.
Das Publikum lauschte und folgte mit hoher Konzentration dieser hinreißenden Darbietung. Und dann, ein weiterer magischer Moment. Nach dem gewaltigen Schluss Crescendo war es still, lange still. Was für ein Geschenk! Viele Menschen dürften gespürt haben, dass sie einen ganz besonderen Konzertmoment erleben durften.
Das Publikum geriet dann außer sich vor Begeisterung und feierte Orchester und Dirigent mit jubelnden Ovationen!
Eine Sternstunde. Höchstes Glück!
Dirk Schauß, 13. Mai 2022
© Alte Oper Frankfurt, Tibor Pluto.